Turbulenzen im Flugzeug: Wie gefährlich sind sie?
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Ein Flugzeug fliegt auf Wolken zu – vor allem bei Quellwolken kann es zu Turbulenzen kommen.
© Quelle: IMAGO/Panama Pictures
Im besten Fall dauern Turbulenzen nur wenige Sekunden, manchmal sind es aber auch mehrere Minuten. Das Flugzeug wackelt oder sackt dabei nach unten.
Verletzte bei Turbulenzen
Im schlimmsten Fall passiert so etwas wie bei Lufthansa und Condor. Flug LH469 von Texas nach Frankfurt geriet Anfang März 2023 in Clear-Air-Turbulenzen – die durch den Radar nicht vorherzusagen sind. Mehrere Menschen wurden verletzt, sieben mussten ins Krankenhaus. Bei Condor passierte es auf einem Flug nach Mauritius: Zwei Stunden vor der Landung geriet die Maschine mit 272 Reisenden und 13 Crew-Mitgliedern an Bord in schwere Turbulenzen. Rund 20 Passagiere wurden verletzt.
Für Menschen mit Flugangst sind solche Nachrichten im wahrsten Sinne des Wortes Nahrung fürs Unwohlsein. Doch müssen sich Reisende über Turbulenzen Sorgen machen? Und wie kann man sich vor Verletzungen schützen?
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Der reisereporter hat dafür mit jemandem gesprochen, der es wissen muss: Torsten Adams ist seit 1991 Flugkapitän, fliegt für die Lufthansa den bekannten Urlaubsflieger Airbus 320 auf die Kanaren, nach Nordafrika, Russland und in den Nahen Osten. Und er beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wann werden Turbulenzen gefährlich?
Turbulenzen seien zwar für die Passagiere oft unangenehm, „aber das Flugzeug verträgt sie, es wurde dafür ausgelegt“, sagt Adams. Auch ein Sprecher des Luftfahrt-Bundesamtes (LBA) bestätigt: „Moderne Flugzeuge können weitaus stärkeren Kräften widerstehen, als durch Turbulenzen entstehen können.“
Es gibt leichte, mittelschwere und schwere Turbulenzen. Adams vergleicht die Stärken mit der Beschaffenheit einer Straße: „Leichte fühlen sich an, als würde man mit einem Auto über Kopfsteinpflaster fahren. Bei mittelschweren fehlt in dieser Straße dann ab und an auch mal ein Stein, das ist etwas unangenehmer. Bei schweren Turbulenzen würde es dem Fluggast sehr schwerfallen, noch in der Kabine zu laufen.“
Um mögliche Risiken durch Turbulenzen zu vermeiden, rät Adams: „Durchgängig angeschnallt sein, dann ist man auf der sicheren Seite. Das mache ich auch so, auch wenn ich privat fliege.“
Wie entstehen Luftlöcher?
„Die Luft dient dem Flugzeug als Träger. Wenn sie stabil ist, ist der Flug ruhig. Es gibt aber auch Veränderungen der Luft, zum Beispiel Aufwinde und Abwinde. Diese Veränderungen führen dazu, dass es ruckelt“, so Adams.
Kurz zum wissenschaftlichen Background: Turbulenzen sind vertikale Verwirbelungen in der Luft, sie kommen zum einen im Bereich von Wolkenfeldern vor. Es gibt aber auch Klarluftturbulenzen (Clear Air Turbulences), abgekürzt CAT. Die treten am Rande von Starkwindfeldern, den sogenannten Jetstreams, auf. Dort entwickeln sich vertikale Verwirbelungen in der Luft. Adams: „Wenn ein Flugzeug in die CAT gerät, versuchen wir, ihnen durch die Veränderung der Flughöhe auszuweichen.“
Außerdem können Turbulenzen durch vorweg fliegende Flugzeuge entstehen. Denn hinter fliegenden Flugzeugen entstehen sogenannte Wirbelschleppen (Wake Turbulences), das sind sich drehende Luftverwirbelungen.
Wenn das Flugzeug nicht nur wackelt, sondern absackt, sagen Passagiere dazu gern Luftloch. Aber: „Luft hat keine Löcher“, sagt Adams. Es gebe jedoch auf- und Abwinde in der Luft. Er erklärt, wie es zu diesem Phänomen kommt: „Wenn das Flugzeug durch absinkende Luft fliegt, bewegt es sich mit dieser nach unten. Das fühlt sich dann an, als wäre in der Luft ein Loch.“
Wie bereiten sich Piloten auf Turbulenzen vor?
„Wir können Turbulenzen nicht wirklich sehen“, sagt Adams. Allerdings können Piloten oftmals Turbulenzen anhand bestimmter Wolkenformationen erkennen. Deshalb werden für die Planung der genauen Flugroute Wetterkarten, Infos über das Wetter am Start- und Zielflughafen sowie auf der Strecke genutzt.
Moderne Wetterradar-Systeme helfen ebenfalls bei der Erkennung von Turbulenzen. Einbezogen werden auch Meldungen von anderen Flugzeugen, die derzeit unterwegs sind, sogenannte „Pilot reports“. „In der Regel sind Turbulenzen damit vorhersehbar.“
Grundsätzlich umflogen werden Gewitter, erklärt der Pilot. „Wir halten etwa 50 bis 60 Kilometer Mindestabstand.“ Es komme auch vor, dass ein alternativer Landeflughafen gewählt werde, wenn über dem eigentlichen Ziel ein Gewitter sei.
Vor Abflug bereiten Piloten auch die Crew vor. „Es gibt vor dem Flug ein Kabinen-Briefing. Darin informieren wir die Flugbegleiter über Besonderheiten im Flugablauf auf – unter anderem auch dahingehend, ob und wann wir Turbulenzen erwarten. Dann können sie sich darauf einstellen, dass sie den Service gegebenenfalls verschieben müssen“, so Adams.
Was passiert bei Turbulenzen während des Fluges?
Auch während des Flugs wird die Route vom der Abteilung „Mission Support“ beobachtet. „Wir können uns wechselseitig per Satellitentelefon kontaktieren“, erklärt Adams. Die Abteilung gebe Tipps und Empfehlungen für die Route.
Darüber hinaus kann das Cockpit den Chefflugbegleiter jederzeit übers Kabinentelefon erreichen. „Wenn wir zum Beispiel in zehn Minuten Turbulenzen erwarten, kann ich darauf vorbereiten, dass ich gleich die Anschnallzeichen anschalte, eine Durchsage mache und die Flugbegleiter den Service einstellen sollten.“
Denn: Die Sicherheit habe immer Vorrang, auch vor dem Service. „Wir wollen niemanden gefährden, weder Passagiere noch Flugbegleiter.“
Wie oft kommen Turbulenzen vor?
Das Luftfahrt-Bundesamt sammelt Meldungen deutscher Airlines über starke Turbulenzen. Im vergangenen Jahr waren es 73 Fälle bei rund 1,67 Millionen Flügen im deutschen Luftraum. 2020 waren es sogar 165 gemeldete starke Turbulenzen.
Reisereporter