Australien: Abseits der Massen im Northern Territory
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Tourguide Locky Harrisson zeigt unter einem Felsenvorsprung das sechs Meter lange, ockerfarbene Gemälde einer Regenbogenschlange.
© Quelle: Harald Stutte
Es ist heiß, die Luft flirrt, Zikaden zirpen. Das Boot schiebt sich mit der schwindenden Kraft des ausgeschalteten Motors auf das Ufergras am Cooper Creek, einem Wasserlauf, in dem es vor Süßwasserkrokodilen nur so wimmelt. Also heißt es aufpassen, dass sich die Reptilien nicht im Ufergras verstecken, in das die kleine Gruppe nun stapft.
Unterwegs im Land von Crocodile Dundee
Das Gebiet hier rund um das Sandsteinplateau des Mount Borradaile sieht aus wie das, was sich Europäerinnen und Europäer unter „Crocodile-Dundee-Land“ vorstellen – eben wie jene Filmkulisse des mehrteiligen australischen Blogbusters aus den Achtzigerjahren: heiß, grün, feucht, rote Erde, Reptilien, Menschenleere.
Nur dass in diesem Land hier eben nicht der Naturmensch und Krokodilbändiger Dundee der heimliche König ist – sondern der unsichtbare Charlie Mangulda.
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Bei Davidsons Arnhemland Safaris geht es mit dem Boot zum Mount Borrradaile.
© Quelle: Tourism Australia
Mangulda, einer von etwa 500.000 indigenen Australierinnen und Australiern, Aborigines genannt, ist zwar menschenscheu, aber gefühlt stets dabei. Also wird viel über ihn gesprochen. „Das hier ist sein Berg“, erzählt Tourguide Locky Harrison. „Hier ist der Platz, wo Charlie in den 30er- und 40er-Jahren des vorigen Jahrhunderts als Kind mit seiner Mutter wohnte“, sagt Harrison und verweist dabei auf ein schattiges Plätzchen, wo trotz der Temperatur von annähernd 40 Grad frische, überraschend kühle Lüftchen durch die verschachtelten Felsformationen wehen.
Steinerne Gemälde erzählen Geschichten
Der gesamt Mount Borradaile gleicht einem Palast, einem Palast der Winde, in dem einst ganze Generationen vom Clan der Ulba Bunji lebten, dessen Kopf Mangulda heute ist. In zahllosen Höhlen und unter Felsvorsprüngen vor der Witterung geschützt haben Menschen im Laufe von Jahrhunderten in einer Art Freiluftgalerie ihre Gemälde verewigt. Einige davon sollen sogar mehrere Tausend Jahre alt sein. Es gibt natürliche Treppen, kleine Kammern, wie angelegte Gärten haben sich grüne Vegetationsinseln im Fels gebildet.
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Auf dem Sandsteinplateau des Mount Borradaile lebten einst die Aborigines des Clans von Charlie Mangulda.
© Quelle: Harald Stutte
Unterwegs abseits des Massentourismus
Wenn sich Touristinnen und Touristen aus Europa heute auf die lange Reise nach Australien begeben, steuern sie zumeist die Metropolen Sydney oder Melbourne im Süden an, zudem das bedrohte Great Barrier Reef, die Surf-Hotspots von Queensland und den Uluru, einst Ayers Rock genannt. Insgesamt etwa zehn Millionen Touristinnen und Touristen kommen jährlich nach Down Under, davon gut 215.000 aus dem deutschsprachigen Raum.
Das Northern Territory aber ist eine Region, in der gibt es keine Metropolen, die Strände laden nicht zum Baden und Surfen ein, weil es Spaßverderber in Gestalt riesiger Salzwasserkrokodile gibt, zudem locken weder Koalas, noch Tasmanische Teufel, selbst die Kängurus sind hier eher selten.
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Der Nitmiluk-Nationalpark im Northern Territory ist berühmt für sein Schluchtensystem.
© Quelle: Harald Stutte
Die eigentlichen Stars hier im Norden, besonders in der Region westliches Arnhemland, sind die Menschen, besser gesagt gut 50.000 Jahre Kulturgeschichte, verewigt in Form grandioser Fels- und Höhlenmalereien. 200 Jahre hat es gedauert, ehe sich das moderne Australien am Ende des vorigen Jahrhunderts seines reichen kulturellen Erbes aus vorkolonialer Zeit besonnen hat. Noch etwas länger hat es gedauert, bis Australiens erste Bewohnerinnen und Bewohner ihre zuvor von der Regierung rückübertragenen Landstriche für Reisende öffneten und so von ihrer Kultur partizipierten.
Mangulda war einer der ersten TO’s (Traditional Owner), traditionellen Eigentümerinnen und Eigentümer also, die ihr zuvor von der Regierung rückübertragenes Land für Besucherinnen und Besucher öffneten. 1986 traf er Max Davidson, einen ehemaligen Büffeljäger, zusammen eröffneten sie die Lodge Davidson’s Arnhemland Safaris nahe des Mount Borradaile mit mehr als einem Dutzend Felskunstgalerien im Umland.
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Im Arnhemland im Northern Territory gibt es besonders viele Fels- und Höhlenmalerei von Aborigines wie diese.
© Quelle: Tourism Australia
Auf der Spur der Regenbogenschlange
An den Sandsteinwänden verewigt sind die Bilder mit Ocker, einem erdigen Pigment, das Eisenoxid enthält und mit Ton vermischt von hellgelb über braun bis rot changiert. Dargestellt sind Tiere und Fabelwesen aus der Mythenwelt der Aborigines. Ein sechs Meter langes, ockerfarbenes Gemälde einer Regenbogenschlange erstreckt sich über die Decke einer örtlichen Höhle. Aburga, so der Name der Schlange in der Sprache des Clans, taucht in den Mythen der ersten Australierinnen und Australier immer wieder auf. Sie ist wie die Mutter, die einst Flüsse, Berge, dann Menschen schuf.
Vom Boomerang bis zum Didgeridoo
Manuel Pamkal ist einer, der es dennoch versucht. 400 Kilometer südlich gibt Manuel Pamkal einen Einblick in seine Kultur. Im Kulturzentrum Top Didj & Art Gallery in der Kleinstadt Katherine sitzt er mit gekreuzten Beinen auf einem Tisch, lässt aus einem etwa 1,50 Meter langen Didgeridoo ein kehliges Röhren in Richtung Zuschauerinnen und Zuschauer fluten, während der nackte, wippende Fuß auf der Tischplatte ein rhythmisches Klacken beisteuert.
Während die Felszeichnungen von Fabelwesen bereits die Dimensionen des mit Traumzeit bezeichneten mythisch-religiösen Universums der Aborigines erahnen lassen, geht es hier in Katherine um Dinge, die viele mit der Welt der Aborigines in Verbindung bringen: vom Boomerang über das Didgeridoo bis hin zum Woomera, der Speerschleuder.
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Lektion im Werfen der Speerschleuder, Woomera genannt: Manuel Pamkal erklärt Katherine Alice Foster aus Tasmanien im Kulturzentrum Top Didj & Art Gallery, wie es geht.
© Quelle: Harald Stutte
Feuer machen mit dem Feuerbohrer, Tiersymbole mit Ocker im Aborigines-Stil zeichnen, den Woomer auf ein aufgestelltes Känguru aus Pappe schleudern – vor allem bei ausländischen Besucherinnen und Besuchern ist so ein Basisseminar in Sachen präkolonialer australischer Lebensweise sehr beliebt. „Haha, daneben. Musst doch zu Woolworth, um gefrorene Hähnchennuggets zu kaufen“, sagt der 59-jährige Pamkal lachend, als der Speer am Känguru aus Pappe vorbeisegelt.
Viele Aborigines leben am Rand der Gesellschaft
Eine Statistik besagt, dass 16 Prozent der ausländischen Besucherinnen und Besucher an Aboriginies-Touren teilnehmen, allerdings nur ein Prozent der Einheimischen. Australiens erste Bewohnerinnen und Bewohner leben weitgehend am Rande der Gesellschaft. Man sieht bereits um die Mittagszeit junge Männer am Eingang der Shoppingmall von Katherine stehen, hocken, sitzen. Ein typisches Bild im Northern Territory, dem Bundesstaat, wo sie mit 30 Prozent den landesweit höchsten Bevölkerungsanteil stellen.
Im Boot durch den Kakadu-Nationalpark
Mandy Mai hingegen steht am Steuer eines zehn Meter langen Bootes, das sie geschickt durch die mitunter engen natürlichen Kanäle des Yellow Water Parks im nordwestlich von Katherine gelegenen Kakadu-Nationalpark steuert. Mai gehört zum Volk der Murumburr, ihre Vorfahrinnen und Vorfahren lebten einst hier, wo heute ein Naturschutzgebiet ist. „Mein Vater war ein Büffeljäger. Er hat einmal an einem Tag 29 Büffel geschossen“, erzählt sie. „Seitdem bin ich Vegetarierin“, schiebt sie hinterher. Die Leute lachen.
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Das Feuchtgebiet Yellow Water Park ist bekannt für seinen Artenreichtum.
© Quelle: Harald Stutte
Mai ist Naturschützerin in diesem faszinierenden Feuchtgebiet, das ein Unesco-Weltkulturerbe ist. Zahllose Wasservögel und natürlich Krokodile leben hier. Eines hat sich, während das Boot vorübergleitet, ein Wallaby geschnappt und wirbelt es nun durch die Luft, um den Fang zu zerteilen. Eine verstörende, weil irgendwie archaische Szene, die die Zuschauerinnen und Zuschauer schaudern, aber auch ihre Mobiltelefone zücken lässt.
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Ein Süßwasserkrokoldil hat im Yellow Water Park ein Wallaby gejagt und zerteilt die Beute.
© Quelle: Harald Stutte
Wie ein Schatten tauchte Charlie Mangulda, der menschenscheu gewordene heimliche König des Mount Borradaile, am Ende doch noch auf. Er hatte gehofft, die Gäste seien längst abgereist und war in die Davidson’s Lodge gekommen, um sich einen Kaffee zu holen und in aller Ruhe eine Zigarette zu rauchen. Er trägt Baseballcap und eine stylishe, undurchdringliche Sonnenbrille. Ob er als Kind schon gewusst habe, dass er damals mit seiner Mutter eigentlich in einem Palast gelebt habe, einem Palast der Winde? „Ihr seht komische Sachen, ihr Weißen. Das ist doch nur ein Felsen. Damals wollte ich immer nur weg. Heute kommt ihr her, bezahlt dafür viel Geld. Verrückte Welt.“
Tipps für deine Reise ins Northern Territory
Anreise: Direktflüge von Deutschland nach Darwin im Northern Territory gibt es nicht. Die Anreise ist mit einem Zwischenstopp an einem der asiatischen oder arabischen Drehkreuze möglich.
Einreise: Deutsche Reisende benötigen für die Einreise nach Australien ein eVisitor-Visum. Es kann kostenlos online beantragt werden.
Beste Reisezeit: Der gesamte tropische Norden wird von einer intensiven Regenzeit geprägt. Vor allem zwischen Mitte Dezember und Ende März drohen alljährlich starke Monsunregen. Die Trockenzeit im Top End, dem Norden des Northern Territory, dauert von Mai bis Oktober. Die Temperaturen reichen von 21 bis 32 Grad Celsius. Sie sind ähnlich wie in der Regenzeit, aber die Luftfeuchtigkeit ist mit rund 20 bis 35 Prozent aber geringer, und es regnet wenig bis gar nicht. Die Tage sind sonnig und die Nächte mild.
Attraktionen: Ausflug zum Mount Borradaile mit Locky Harrison: Der Ausflug ist Teil des Aufenthalts bei Davidson’s Arnhemland Safaris, die Preise für die Ensuited Cabins in der Eco Lodge beginnen ab etwa 540 Euro pro Person/pro Nacht (inklusive Ausflüge und Vollpension).
Top Didj – Cultural Experience und Aboriginal Art: Die zwei bis zweieinhalbstündige Cultural Experience mit Manuel Pamkal in Katherine ist zwischen Mai und Oktober buchbar. Sie beginnt jeweils um 9.30 und 14.30 Uhr. Erwachsene zahlen umgerechnet etwa 58 Euro, Drei- bis 15-Jährige 39 Euro.
Die Bootstour im Yellow Water Park mit Mandy Mai ist ab etwa 55 Euro buchbar.
Diese Reise wurde unterstützt von Tourism Northern Territory. Über Auswahl und Ausrichtung der Inhalte entscheidet allein die Redaktion.
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