Ontario: Auf dem Fluss der Franzosen
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Der French River ist eines der schönsten Paddelreviere Kanadas.
© Quelle: Destination Northern Ontario
Er ist auch der historischste. Wer hier sein Kanu wassert, paddelt auch durch das actionreichste Kapitel der kanadischen Geschichte. First Nations und Métis, Irokesen auf dem Kriegspfad, Entdecker und Pelzhändler, Missionare, Landvermesser und Soldaten, sie alle haben auf dem French River geflucht, geschwitzt und wohl auch so manches Stoßgebet zum Himmel geschickt.
Wie jetzt gerade: Vor uns drücken steile Felsen den Fluss zu den Blue Chute Rapids zusammen, einen brodelnden Kanal mit beträchtlichem Gefälle und ergo vervielfachter Fließgeschwindigkeit. Stehende Wellen verwandeln diesen Abschnitt in ein Waschbrett mit meterhohen stehenden Wellen. Rückwärts paddelnd, schinden wir noch eine Extraminute, um den besten Kurs zu scouten. Wir entscheiden uns für die lange, dunkle Zunge, die mittig über das Waschbrett leckt.
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Stromschnellen auf dem French River können dich vor einige Abenteuer stellen.
© Quelle: Ole Helmhausen
Wir geben Vollgas und zischen nun, auf Bordwandhöhe mit schäumendem Wasser, durch dieses Nadelöhr – ohne dass wir auch nur einen Tropfen abbekommen!
Wer nach Westen wollte, musste hier durch
Was kaum bekannt ist: Bevor Eisenbahnen und Straßen quer durch Kanada getrieben wurden, war der nur 120 Kilometer lange Fluss zwischen Lake Nippissing und Georgian Bay das wichtigste Teilstück einer Jahrtausende alten Handelsroute, die den St.-Lorenz-Strom im Osten mit dem Lake Athabasca im Nordwesten und dem Mississippi in der Mitte des Kontinents verband.
Der schnellste Weg zu den lukrativen Pelzen im Westen und Nordwesten führte über den »Rivière des Francais«, das kapierten die Franzosen schnell. Händler, Entdecker, Missionare, Siedler und Soldaten tauchten auf. Die Liste ihrer Namen hält heute ein historischer Marker am Hwy. 69 über dem French River fest. Sie liest sich wie das Nachschlagewerk der Entdeckungsgeschichte Nordamerikas.
Den Anfang machte Étienne Brulé. 1610 war er der erste Weiße am Lake Superior. Weitere folgten: Jean Nicollet, der erste Europäer am Lake Michigan. Die Pelzhändler Radisson und des Groseilliers, die den Engländern die Gründung der Hudson Bay Company vorschlugen. De La Salle und Jacques Marquette, die von hier aus zum Golf von Mexiko paddelten; die Vérendryes, die als erste Weiße die Rocky Mountains sahen. Peter Pond, der die Northwest Territories erkundete. Alexander Mackenzie, der 1793 als erster Weißer den Pazifik auf dem Landweg erreichte und David Thompson, der zwischen 1786 und 1812 beinahe den gesamten Nordwesten kartografierte.
Eine Leistung übrigens, die die viel berühmteren amerikanischen Entdecker Lewis und Clark wie Touristen aussehen lässt; und natürlich die frankokanadischen, Voyageurs genannten Pelzhändler, die bis 1820 die 4000 Kilometer zwischen Montréal und Fort Williams, dem heutigen Thunder Bay, in einem Sommer hin und zurück machten – und in ihren zehn Meter langen Birkenrindenkanus bei 40 Schlägen pro Minute bis zu 20 Stunden täglich paddelten und 7000 Kalorien dabei verbrannten.
Im Kielwasser der Voyageurs
Wir würden gegen diese Kerle ganz schön alt aussehen. Auf dem extrem zerfaserten, an eine schwedische Schärenlandschaft mit Inseln, Kanälen und Passagen erinnernden French River machen wir gerade mal 20 Kilometer pro Tag. Wir legen an, wenn uns eine Bucht gefällt und gehen schwimmen oder angeln.
Manche Stromschnellen paddeln wir, andere umgehen wir. Im frankokanadischen Englisch heißen solche Stellen »Portage«: Die Kanus werden über Land an dem Hindernis vorbeigetragen und anschließend wieder zu Wasser gelassen. An manchen Portages sehen wir deutlich, dass auch unsere Vorgänger auf Nummer sicher gingen: Bei den Big Pine Rapids haben Mokassins und Lederstiefel den grauen Granit unter unseren Füßen so blank poliert, dass er wie Speckstein aussieht.
Nein, wir sind beileibe keine Voyageurs! Das Gefühl, in ihrem Kielwasser zu paddeln, ist jedoch erhebend. Vor unserem geistigen Auge sehen wir ganze Kanuflotillen mit verwegenen Gestalten darin vorbeiziehen. Nach Westen beladen mit Tauschwaren für die Ureinwohner, nach Osten randvoll mit wertvollen Fellen.
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Auf den Spuren der Voyageurs.
© Quelle: Destination Ontario
In manchen reisen feine Funktionäre der Montréaler Pelzhandelsgesellschaften, in anderen die abgerissenen Überlebenden der von den Irokesen angerichteten Massaker an den Huronen. Und, und, und. Abends am Lagerfeuer gehen die Geschichten nicht aus...
Tipps für deine Kanutour auf dem French River
Anreise: Air Canada fliegt direkt von Frankfurt am Main nach Toronto. In Ontario, wie überall in Kanada, ist ein Mietwagen das beste Fortbewegungsmittel. Der Einfachheit halber sollte er schon in Deutschland gebucht werden, und zwar so früh wie möglich.
Einreise: Seit dem offiziellen Ende aller Pandemie-Einreiseregeln am 1. Oktober 2022 kann man wieder ohne spezielle Auflagen und Einschränkungen nach Kanada einreisen. Impfpflicht, zufällige Tests nach der Einreise, die Pflicht zum Ausfüllen der ArriveCan App und auch die Maskenpflicht in Flugzeugen sind damit hinfällig. Wie gehabt müssen Reisende vorab online eine elektronische Einreisegenehmigung (eTA) beantragen.
Dafür nötig sind ein gültiger Reisepass, eine E-Mail-Adresse und eine Kreditkarte, um die Gebühr von 7 kanadischen Dollar zu begleichen. In den allermeisten Fällen wird der Antrag innerhalb weniger Minuten genehmigt.
Anbieter: Der French River zählt zu den technisch leichten Paddelflüssen in Ontario. Du kannst den French River in Eigenregie paddeln oder in einer geführten Gruppe. Der klassische French-River-Trip führt von Wolseley Bay bis zum Highway 69 und dauert drei bis vier Tage. Wenn du lieber dein eigener Kapitän bist, musst du deine Campingausrüstung mitbringen und mietest dein Kanu in der Lodge at Pine Cove (50 CAD pro Tag, www.frenchriver.com, Tel. 705-898 2500) bei Wolseley Bay. Campingplätze können nicht reserviert werden – wer zuerst kommt, mahlt zuerst.
Wenn du dich einer geführten Gruppe anvertraust, brauchst du dich außer paddeln und baden um nichts selbst zu kümmern. Ein toller Anbieter ist Black Feather (Drei-Tage-Pakete für 1595 CAD, drei Mahlzeiten pro Tag, Kanu, Campingausrüstung und Shuttle inkl., www.blackfeather.com).
Weitere Informationen zu Toronto findest du online.