Natur-Trip in Kanada: Mehr Entschleunigung geht nicht
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Die Sonnenuntergänge in der Gegend sind oft beeindruckend (und ein beliebtes Fotomotiv).
© Quelle: Scherer
Die Entschleunigung manifestiert sich in Rauch. Evelyn Mesengeeshik brennt in einer Schale Salbei, Tabak, Süßgras und Zeder ab, jeder der Gäste der Miminiska Lodge soll sich der Reihe nach etwas damit benebeln.
Es ist kein Mückenschutz, auch wenn dieser hier sinnvoll ist. Im Norden Ontarios, fernab der großen Städte, leben noch immer Nachfahren der kanadischen Ureinwohner, „First Nations“ nennt man sie. Mesengeeshik ist eine von ihnen und begrüßt Neuankömmlinge stets mit der traditionellen Rauchzeremonie. Zuvor reichte sie ein Glas Wasser herum.
„Werdet euch des Wassers bewusst“, sagt sie, „es ist Leben, es ist die Wurzel allen Lebens. Ohne Wasser kein Baum, kein Mensch, kein Tier.“ Alles hängt zusammen, will sie vermitteln, und alles Leben ist abhängig voneinander.
Die Zeremonie ist auch deshalb ein perfekter Auftakt für einen Aufenthalt, weil hier diese Zusammenhänge so offensichtlich werden. Denn der Norden Ontarios, gut drei Flugstunden von Toronto entfernt, ist so naturbelassen, wie Welt nur sein kann.
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Abgesehen von der Lodge gibt es Seen und Wälder. Und Wälder und Seen. Tausende, zehntausende Seen. Große, kleine, tiefe, flache. Wasser ist hier in jeder Hinsicht Quell des Lebens.
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Der Miminiska See kliegt am Albany River – die Gegend lässt sich am besten per Boot erkunden und bietet unverfälschte Naturerlebnisse.
© Quelle: Scherer
Schon früher diente es den Ureinwohnern als Verkehrsnetz. Noch heute ist es für die Urlauber Versorgungsquelle – hier fangen selbst Anfänger in wenigen Minuten den ersten Fisch. Wenn hunderte Kilometer entfernt vom nächsten Restaurant, vom nächsten Supermarkt, der Vorrat mal knapp ist, wird trotzdem niemand verhungern – wenn er Fisch mag.
„Es ist wirklich schwierig, hier nichts zu angeln“, sagt Brian Tubb (25). Mit seiner Freundin Kate Hutt (23) lebt er den Sommer über in der Miminiska Lodge. Er ist der Leiter der Anlage, die aus ein paar Bungalows und einem Gemeinschaftshaus besteht. Und die mit jeder Menge Booten ausgestattet ist.
„Außer wegen des Naturerlebnisses kommen die Menschen vor allem wegen der Fischerei hierher“, sagt er. Im Wasser schwimmen Glasaugenbarsch, Hecht und Stör. Tubb ist Sportfischer, er tritt regelmäßig bei Wettbewerben an. Der Fisch-Trip mit ihm ist Teil des Lodge-Programms. Auf Wunsch bekommt der Gast den frischen Fang auf einer kleinen Insel direkt überm Feuer zubereitet. Frischer geht Fischpicknick nicht.
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Der Fang wird von Mitarbeitern der Lodge auf einer kleinen Insel direkt zubereit - frischer geht es nicht.
© Quelle: Scherer
Wer im Norden der Region Ontario unterwegs ist, kann außer Wasserflugzeugen eigentlich sowieso nur Boote nutzen. Mal das Kajak, mal das Kanu, für weitere Strecken das Motorboot. Bei Trips auf den großen, verzweigten Seen finden sich am Rand immer wieder kleine Hütten. „Die First Nations haben hier gelebt“, sagt Temius Nate. Auch die Vorfahren des 74-Jährigen haben sich hier mit der Natur arrangiert. Nates Vater hat eine kleine Kirche gebaut, mitten im Nichts, zumindest dem augenscheinlichen Nichts. Sie steht noch immer – auch, wenn der Vater längst tot ist.
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Der Vater von Temius Nate, ein Nachfahre der First Nations, hat am Miminiska Lake eine Kirche errichtet.
© Quelle: Scherer
Immer wieder treffen sich die verbliebenen Ureinwohner, Nate schätzt ihre Zahl auf 200. „Vor vielen Jahrzehnten kamen die Menschen mit Booten, tauschten hier ihre Waren gegen unsere, die wir aus der Natur hatten“, erzählt er. An wichtigen Punkten gab es Trading Posts, also Tauschstellen.
Der 74-Jährige kennt noch alle Standorte – bei einer Bootstour mit Nate wird die Umgebung auf eine ganz eigene Art lebendig. An der Spitze eines kleines Hanges ist ein Friedhof versteckt, eine mit Schilf bewachsene Stelle und das angrenzende Land waren der Marktplatz, auf dem die Menschen sich trafen. Die meisten Ureinwohner leben inzwischen in Städten, oft auf ihnen zur Verfügung gestelltem Land. „Aber es ist mir wichtig, dass unsere Kultur weiter erhalten bleibt.“
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Temius Nate ist Nachfahre der „First Nations“, also der Ureinwohner, und weiß, wo früher was in der Wildnis war.
© Quelle: Scherer
Wer in den Norden Ontarios eintauchen, zurück zur Natur will, kann dies ab Toronto tun, viele kleine Maschinen starten aber auch in Thunder Bay, rund zwei Flugstunden von der Provinzhauptstadt entfernt. Viele kommen hier an, um in ihr Abenteuer aufzubrechen.
Beim Supermarkt-Giganten Walmart dürfen Durchreisende nachts kostenlos ihre Wohnmobile abstellen – in der Hoffnung, dass die Touristen am nächsten Morgen zu Kunden werden. In Flughafennähe gibt es mehrere Hotels. Aber es lohnt sich auch, an diesem Drehkreuz ins Hinterland etwas Zeit zu verbringen – auch, weil es neben Naturschauspielen wie dem Niagara des Nordens, den Kakabeka Falls, auch viel über die Vergangenheit der Region zu erfahren gibt. Zum Beispiel in der Thunder Bay Art Gallery, die stark auf die Kunst der Ureinwohner setzt. Und im Fort Williams Historical Park.
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Die Kakabeka Falls bei Thunder Bay gelten für die Einwohner als Niagara des Nordens.
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Dabei handelt es sich um eine naturgetreue Replik des Forts, das 1803 bis 1821 Hauptquartier der North West Company und Hauptumschlagplatz für Güter aus Europa und China war – eine riesige Tauschbörse, besonders auch für Pelze. Kostümierte Schauspieler erwecken das Fort zum Leben und bleiben den Besuchern gegenüber eisern in ihren Rollen. Wer einer Bäckerin oder einem britischen Händler berichtet, er sei per Flugzeug angereist, erntet verwirrte Blicke. Dafür werden in den 57 Gebäuden Kanus gebaut und gefahren, Tiere gepflegt, auch mal Kämpfe ausgefochten.
Ruhiger geht es dagegen auf dem Lake Superior zu – zumindest, wenn das Wetter entsprechend ist. Er ist der größte Süßwassersee der Welt. Gregory Heroux kennt alle wichtigen Ziele, bietet ab Prince Arthur’s Landing an der Promenade in Thunder Bay täglich Segeltouren an. Erfahrung hat er: Er hat schon im Segelboot den Atlantik überquert. Seine Gäste fährt er mal ein wenig vor der Küste umher, aber auch mal ganztägig zu Plätzen am berühmten Sleeping Giant – so heißt eine kleine Hügellandschaft im See, die, von Thunder Bay betrachtet, aussieht wie ein schlafender Riese.
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Eine Gesteinskette im Lake Superior erinnert an einen mit verschränkten Armen auf den Rücken liegenden Mann. Die Einwohner nennen sie „Sleeping Giant“.
© Quelle: Scherer
Wem die Expedition dorthin über das auch mal meterhoch Wellen schlagende Gewässer zu aufregend ist, der kann sich auch anders flüssig mit dem Giganten vertraut machen – eine Kleinstbrauerei aus Thunder Bay verkauft gleichnamiges Bier. Segelbootkapitän Heroux führte nach seinem Atlantiktrip und einigen Jahren in Deutschland das Leben zurück nach Kanada. Nun lebt er in einem Haus mit Seeblick. „Ich brauche das Segeln, ich brauche das Wasser“, sagt er Genug davon hat er hier.
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Gregory Heroux erkundet per Boot den Lake Superior. Seine Leidenschaft ist das Segeln - er hat auch schon den Atlantik überquert.
© Quelle: Scherer
Tipps für den Urlaub in Ontario
Anreise: Air Kanada fliegt zum Beispiel ab Frankfurt nach Toronto, von dort aus geht es dann weiter nach Thunder Bay. Die Hochsaison dauert vom 8. Juli bis 21. August. Dann gibt es Flüge ab 1.375 Euro. Zu anderen Zeiten werden die Verbindungen günstiger.
Entdecken: Die Stadt Thunder Bay im Norden Ontarios bietet sich als guter Ausgangspunkt für Roadtrips an. Zumindest ein Zwischenstopp vor dem Flug in die Wildnis lohnt sich.
Mitnehmen: In den Sommermonaten ist Mückenspray unerlässlich. Tagsüber kann es durchaus heiß werden – für nachts empfiehlt sich aber oft eine Jacke.
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