Costa Rica ist das gute Gewissen Mittelamerikas
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Grenzenlose Freiheit, auch unter den Wolken: Costa Ricas wilder Süden gehört den Tieren – und einigen Abenteurern.
© Quelle: Nora Lysk
Ein Donnern grollt in der Ferne und die Wolken am Horizont raufen sich zu riesigen Türmen zusammen. Eigentlich stand noch eine Schnorcheltour auf dem Programm, doch wer bei diesem Wetter im Motorboot den Ritt über den Pazifik antreten will, der fühlt sich spätestens auf dem Rückweg wie ein ausgewrungenes Handtuch.
Die Natur auf und vor der Halbinsel Osa tief unten im Südosten Costa Ricas ist einfach unbezwingbar. Wo Faultiere in den Bäumen hängen und Ameisenbären durch das Dickicht des Regenwaldes streifen, hat der Mensch eigentlich nichts zu suchen.
Costa Rica: Im Reich von Ara und Ameisenbär
Am Mittag reißt der Himmel wieder auf. Dort, wo der Rio Sierpe in den Pazifik mündet, liegen jetzt die Krokodile faul zwischen den Mangroven in der Sonne. Tapir, Puma, Jaguar und Ozelot sind hier ebenso heimisch wie fast 380 Vogelarten, die sich am besten beobachten lassen, wenn gegen vier Uhr in der Früh die Brüllaffen ohnehin die Nacht beenden.
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380 Vogelarten leben im Corovado-Nationalpark, darunter auch Aras.
© Quelle: Nora Lysk
Costa Ricas wilder Süden gehört in erster Linie den Tieren – und ein paar Abenteurern und Entdeckern. Wie beispielsweise Francis Drake. Der berühmte britische Freibeuter soll im Jahr 1579 während seiner Weltumseglung in der später nach ihm benannten Bucht an der Halbinsel Osa festgemacht haben. Heute beherbergt die Drake Bay vor allem reiche US-Amerikaner, die auf der Suche nach dem Paradies sind.
Der Weg ins Paradies ist steinig
Einzig die Anreise dorthin ist ein wenig beschwerlich. Zunächst geht es von der kleinen Ortschaft Sierpe mit dem PS-starken Motorboot über den gleichnamigen Fluss. Vorbei an Mangrovenwäldern fahren wir hinaus auf das offene Meer, wo sich die traumhaften Buchten aneinanderreihen. Das Gepäck in schweren Neoprensäcken verstaut, waten wir die letzten Meter durch das knietiefe, 25 Grad warme Pazifikwasser.
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Mit dem Motorboot geht’s durch Mangrovenwälder hinaus auf den Pazifik.
© Quelle: Nora Lysk
Auch Steven Lill nahm diesen Weg auf sich, als er 1974 mit einem motorisierten Einbaumfloß Marke Eigenbau in der Drake Bay landete. Eigentlich sollte es nur ein ausgedehnter Backpacking-Urlaub mit seinem besten Freund werden. Lill studierte damals Anthropologie in Chicago.
Doch auf der Peninsula Osa angekommen, entschied er sich zu bleiben. „Ein Wunderland“, dachte er damals. Und er denkt es noch heute. Der Aussteiger kaufte ein kleines Stück Land und verdiente sein erstes Geld mit dem Anbau von Kakao. 1994 eröffnete er seine Corcovado Lodge am Rande des Nationalparks.
Willkommen im Wunderland
Als der Corcovado-Nationalpark 1975 gegründet wurde, lebten auf Osa gerade einmal rund 300 Bauern, was vor allem damit zu tun hatte, dass das gesamte Gebiet nicht über den Landweg zugänglich war. Mit dem Bau einer ersten Straße im Jahr 1978 kamen zunächst die Goldsucher und anschließend die ersten Touristen. Heute ist der Zugang zum Park wieder limitiert, Besuche müssen vorab reserviert werden, und ohne Guide bleibt der Eintritt verwehrt.
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Anti-Massenandrang: Der Zugang zum Corcovado-Nationalpark ist begrenzt.
© Quelle: Nora Lysk
Der Corcovado-Nationalpark gilt als artenreichster weltweit – und geht es nach Menschen wie Lill, soll das auch so bleiben. Seine 14 Bungalows beziehen Strom und warmes Wasser nur aus regenerativen Energien. Geht die Sonne unter, ist es zappenduster.
Und die von Lill gegründete Stiftung, die Corcovado Foundation, schult seit Jahrzehnten die einheimische Bevölkerung in Klima- und Umweltschutz und hat sich außerdem der Rettung der bedrohten Meeresschildkröten verschrieben, die einmal im Jahr an den Stränden rund um die Drake Bay ihre Eier ablegen.
Costa Rica: Ökotourismus bringt richtig Geld
Mit Ökotourismus lässt sich in Costa Rica mittlerweile Geld verdienen. Das hat auch Steven Lill erkannt, der heutzutage gleich neben dem zur Lodge gehörenden Strand in einer Villa residiert und stolz auf sein Lebenswerk blickt. Vor der Wanderung durch den Corcovado-Nationalpark steht zunächst die Frage nach der richtigen Ausrüstung.
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Das richtige Schuhwerk schützt vor Nässe… und Schlangen.
© Quelle: Nora Lysk
Gummistiefel müssen her, so viel ist klar. Und zwar nicht nur, weil es im Regenwald feucht und matschig ist, sondern auch, weil sie mitunter der beste Schutz gegen giftige Schlangen wie die Viper seien, erklärt Manfred Garcia, der übrigens alles andere als deutsche Vorfahren hat. In seiner Klasse waren drei Manfreds. Und Costa Ricas Fußballstar heißt Manfred Russell. Eben alles nur eine Frage der Mode.
Den Dschungel kennt der 49-Jährige wie seine Westentasche. „Jede Pflanze hier hat ihre eigene Überlebensstrategie“, erzählt er. Die Walking Palm beispielsweise wandert tatsächlich jedes Jahr einige Zentimeter in Richtung Sonne. Ein Wunderland eben.
Demokratische, nachhaltige, reiche Küste
Costa Rica ist nicht nur Naturerlebnis pur, das kleine Land besitzt auch die älteste Demokratie in ganz Lateinamerika, und es gibt ein gut funktionierendes Sozial- und Bildungssystem. Costa Rica hat keine Armee, dafür aber eine verantwortungsvolle Umweltgesetzgebung.
So stammen mittlerweile 98 Prozent des Stroms aus sauberen Quellen. Vor allem aus Wasserkraft, aber auch aus der Hitze der Vulkane lässt sich mittels Geothermie Energie gewinnen. Und Vulkane hat Costa Rica mehr als genug.
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Wer in den Süden will, nimmt einen der vielen Inlandsflüge. Die kleinen Propellermaschinen fliegen von der Hauptstadt San José die Pazifikküste entlang Richtung Halbinsel Osa.
© Quelle: Nora Lysk
Mit der Propellermaschine geht es aus der tropischen Tiefebene am Pazifik zurück über die Hauptstadt San José und von dort aus mit dem Bus immer die Route Nummer 10 entlang. Das ist die direkteste Strecke für alle, die zur Karibik wollen.
Vier bis fünf Stunden würde die Fahrt ungefähr dauern – durch Nebelwälder und vorbei an Kaffeeplantagen und Zuckerrohrfeldern. Den Weg weisen die mit Obst befüllten Lastwagen, deren Fracht von der Hafenstadt Puerto Limón aus direkt nach Hamburg verschifft wird. Doch auf halber Strecke warten zunächst ein Schlauchboot und die wilden Strömungen des Flusses Pacuare.
Die Energie des Flusses Pacuare
Rafting ist in Costa Rica so etwas wie ein Nationalsport, und die Gegend um Turrialba ist der perfekte Standort für Outdoor-Begeisterte. Mountainbiker quälen sich hier die Berge hoch, und Bootstouren starten in den Dschungel. „National Geographic“ wählte den Pacuare unlängst zu einem der weltweit schönsten Wildwasserflüsse.
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Wildes Wunderland: Mit dem Rafting-Boot geht es den Pacuare River hinunter.
© Quelle: Nora Lysk
Kein Wunder also, dass Roberto Fernández sich 1986 dazu entschied, den immer stärker werdenden Smog in der Hauptstadt San José hinter sich zu lassen, um sich unweit des Pacuare eine neue Existenz aufzubauen. Mit ein paar Freunden rodete er das Gras am Ufer des Flusses, vertrieb die Schlangen und baute zunächst einen Campingplatz. Louis, der heute die Touristen durch den Regenwald führt, war damals gerade sechs Jahre alt.
Direkt von der Farm auf den Tisch
Mittlerweile bietet die Anlage 76 Menschen Arbeit. Auch hier hat man sich dem langsamen, dem nachhaltigen Tourismus verschrieben. Das Essen ist regional und kommt „direkt von der Farm auf den Tisch“, wie Roberto stolz erklärt. Energie wird aus der Kraft des Flusses erzeugt, und mit der indigenen Dorfgemeinschaft, die nur wenige Kilometer den Berg hinauf lebt, trifft man sich regelmäßig zum Fußballspielen – außer, wenn plötzlich wieder dichte Wolken aufziehen und der nächste Schauer sich über der Hitze des Regenwalds ergießt.
„Pura vida“ – so glücklich ist Costa Rica
Glück heißt in Costa Rica „pura vida“ (pures Leben). Dabei ist im Grunde alles in dem kleinen mittelamerikanischen Land „pura vida“: das Wetter, die Laune, die Natur. Bei so viel Lebensfreude wundert es kaum, dass Costa Rica zuletzt 2016 im weltweiten Happy Planet Index erneut auf Platz eins landete.
Der Happy Planet Index korreliert die ökologische Effizienz einer Nation mit dem Wohlbefinden ihrer Bürger. Heißt: Costa Rica schafft es, seinen Bewohnern ein gutes Leben zu garantieren, ohne dass die Natur darunter leiden muss. Der Happy Planet Index berechnet sich mittels einer einfachen Formel: Lebenserwartung mal subjektives Wohlbefinden mal die sich ergebenden Ungleichheiten innerhalb der Bevölkerung geteilt durch den ökologischen Fußabdruck. Dreimal in Folge schaffte es Costa Rica so auf Platz eins – vor den stets gut gelaunten Skandinaviern.
In Costa Rica leben damit nicht nur die glücklichsten Menschen der Welt, sie werden mit knapp 80 Jahren im Schnitt auch älter als etwa die Menschen in den USA. Dass Länder wie die USA oder europäische Nationen so weit hinten landen, liegt vor allem daran, dass hier der individuelle ökologische Fußabdruck um ein Weites größer ist als in Costa Rica. Allerdings haben die Bewohner durch ihre Nähe zum Äquator auch kaum Heizkosten. Bis 2021 will Costa Rica sogar das erste CO-neutrale Land der Welt sein. „Pura vida!“
Tipps für die Reise nach Costa Rica
Anreise: Seit Anfang März bietet die Lufthansa den ersten Direktflug von Deutschland nach San José an. Auch Condor fliegt nach San José, allerdings mit einem Stopp in der Dominikanischen Republik. Inlandsflüge in Costa Rica sind relativ günstig. Tickets für den Flug von San José nach Palmar Sur, direkt an der Halbinsel Osa, kosten circa 50 bis 70 Euro.
Einreise: Deutsche Touristen reisen mit einem Reisepass für bis zu 90 Tage visafrei ein. Das Dokument muss sich in einem guten Zustand befinden.
Beste Reisezeit: Costa Rica lässt sich das ganze Jahr über bereisen. Von Ende Mai etwa bis November herrscht allerdings Regenzeit.
Währung: In Costa Rica bezahlt man mit Colón oder US-Dollar. Ein Euro entspricht etwa 700 Colón. Mit Kredit- und Girokarte kann an Geldautomaten die heimische Währung abgehoben werden.
Reisereporter