Lost Places in Skigebieten: Hier fährt niemand mehr mit dem Lift
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Graffiti an der Wand und eine alte Gondel, so sieht es mittlerweile im ehemaligen Skigebiet Super Saint-Bernard aus.
© Quelle: Christoph Schuck
Der letzte Winter hat erneut gezeigt: Die Ski-Branche ist immer abhängiger von künstlicher Beschneiung. In Skigebieten, in denen diese nicht stattfindet, treffen Wintersportfans mittlerweile häufig auf grüne Hügel anstatt auf schneebedeckte Pisten.
In den letzten Jahrzehnten wurden viele Skigebiete aus Schnee- oder Geldmangel aufgegeben. Zurück bleiben unbenutzte Lifte sowie verlassene Berg- und Talstationen – stumme Zeitzeugen der Vergangenheit. Skifahrerinnen und Skifahrer locken die verlassenen Gebiete nicht mehr an, stattdessen kommen hier aber die Fans von sogenannten Lost Places voll auf ihre Kosten.
Prof. Dr. Christoph Schuck von der Technischen Universität Dortmund hat das Phänomen aus wissenschaftlicher Sicht betrachtet und sich in einem Projekt mit aufgegebenen Skigebieten in der Schweiz beschäftigt.
Welche Skigebiete werden aufgegeben?
Dazu gekommen ist Schuck, weil das Skigebiet Erner Galen, in dem er als Kind das Skifahren gelernt hatte, komplett aufgegeben wurde. Ihm sei damals bewusst geworden, dass es kaum Forschung zu den sogenannten Lost Ski Area Projects gebe. Deshalb habe er mit seinen Mitarbeitenden begonnen, sich damit zu beschäftigen, daraus ist sogar ein Buch entstanden: „Letzte Bergfahrt. Aufgegebene Skigebiete und ihre touristische Neuausrichtung“.
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Schmuck ist sich sicher, dass Skigebiete ohne künstliche Beschneiung durch Schneekanonen zukünftig kaum überlebensfähig sein werden. Doch auch das allein sei kein Garant für den Fortbestand. Seine Ergebnisse zeigen, dass besonders die Gebiete, die in moderne Anlagen investieren oder sich in Tarifverbünden zusammenschlossen, überlebten.
Was für die Ski-Industrie ein großes Problem ist, schafft für die Fans von verlassenen und aufgegebenen Orten spannende Ziele für Erkundungstouren.
Lost Places in den Schweizer Skigebieten
Einer der besten Experten zu dem Thema verlassener Orte in Schweizer Skigebieten ist der Reisejournalist und Autor Daniel Anker. Der Schweizer schreibt schon seit Jahren Skitourenführer, dabei stellte er fest, dass verlassene Skigebiete sich hervorragend für klassische Skitouren eignen – er begann, die Gipfel der aufgegebenen Gebiete zu erkunden.
Herausgekommen ist unter anderem der Skitourenführer „Après-Lift“, bis zum 28. Mai 2023 findet im Alpinen Museum in Bern außerdem noch die Ausstellung „ Après-Lift – Skiberge im Wandel“ statt, an der Anker mitgearbeitet hat.
Der reisereporter stellt einige der Lost Places in ehemaligen Schweizer Skigebieten vor.
1. San Bernadino
Das Skigebiet San Bernadino hatte eine lange Historie, der erste Lift war hier schon vor etlichen Jahrzehnten in Betrieb. Anfang der Jahrtausendwende florierte das Geschäft in dem Skigebiet im Schweizer Kanton Graubünden, alles schien prächtig. Doch von dieser Pracht ist nichts mehr zu sehen. Verlassene Gebäude und stillgelegte Sessellifte lassen nur noch erahnen, wie der Ort einst Wintersportfans aus nah und fern anlockte.
Doch für San Bernadino gibt es Hoffnung: Ein Schweizer Unternehmer hat das Gebiet gekauft und plant, es in altem Glanz erstrahlen zu lassen.
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Ein Schweizer Unternehmer plant, das Skigebiet San Bernadino wieder aufzubauen.
© Quelle: IfPP, TU Dortmund
2. Super Saint-Bernard
Im Kanton Wallis ist das ehemalige Skigebiet Super Saint-Bernard zu finden – oder, besser gesagt, was davon übrig geblieben ist. Gebaut in Zeiten des Wirtschaftsbooms, hatte das Skigebiet von Anfang an einen schwierigen Stand, da es keine Touristenorte in unmittelbarer Nähe hatte – es fehlte Infrastruktur wie Hotels und Restaurants.
Trotzdem erfreute sich das Skigebiet aufgrund seiner Höhenlage von bis zu 2800 Metern einer gewissen Beliebtheit. Ausgereicht hat das nicht, seit 2010 stehen hier die Lifte still. Ob sich daran noch mal etwas ändern wird, ist völlig unklar.
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Anstelle von heißen Getränken gibt es mittlerweile auch in den Gebäuden des Skigebiets Super Saint-Bernard nur noch eiskalten Schnee.
© Quelle: Daniel Anker
3. Erner Galen
Das kleine Skigebiet, in dem Christoph Schuck einst das Skifahren lernte, empfängt schon seit dem Jahr 2007 keine Wintersportlerinnen und Wintersportler mehr. Die Skipisten hier galten als besonders familienfreundlich, da sie gut für Anfängerinnen und Anfänger geeignet waren. Trotzdem fehlte es auch am Erner Galen an touristischer Infrastruktur.
Fehlende Investitionen in moderne Anlagen und die große Konkurrenz im Wallis taten ein Übriges. Nach Jahren ohne Gewinn wird das Skigebiet schließlich aufgegeben. Auch der Einstieg eines Investors verläuft im Sand.
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Seit 2007 verwittern die Gebäude im verlassenen Skigebiet Erner Galen langsam.
© Quelle: IfPP, TU Dortmund
Nachdem klar war, dass es für den Erner Galen keine Zukunft mehr gibt, wurden die Liftanlagen relativ schnell abgebaut. Heutzutage zeugen nur noch wenige Überreste von dem einstigen Skigebiet.
4. Cima di Furggen
An der Grenze zwischen Italien und der Schweiz liegt auf beeindruckenden 3500 Metern Höhe die Bergstation am sogenannten Cima di Furggen. Heute ist das geschichtsträchtige Gebäude nur noch eine Ruine. Statt mit der Seilbahn müssen Interessierte mittlerweile mit einer Skitour auf den Gipfel gelangen. Obwohl müssen das falsche Wort ist – denn die Aussicht auf das Matterhorn entschädigt allemal für die Anstrengungen.
Wie Daniel Anker erklärt, war sogar mal der Bau einer Seilbahn von dort auf das Matterhorn geplant, letztlich wurde aber nichts aus dem Projekt. Und so bleibt die Bergstation nur noch ein Zeugnis vergangener Ambitionen.
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Von der verlassenen Bergstation Stazione di Furggen hat man einen fantastischen Blick auf das Matterhorn.
© Quelle: Daniel Anker
5. Simplonpass
Auch das nächste stillgelegte Skigebiet liegt im Schweizer Kanton Wallis. Am Simplonpass bewegen sich seit dem Jahr 2010 die Lifte nicht mehr – ebenfalls aus finanziellen Gründen.
Das relativ flache und kleine Skigebiet lag auf einer Höhe von etwas mehr als 2000 Metern. Der einstige Schlepplift und ein paar übrig gebliebene Gebäude stehen noch und lassen erahnen, wie hier früher Skifahrerinnen und Skifahrer ihren Urlaub verbracht haben.
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Der Schlepplift hat früher Skifahrerinnen und Skifahrer auf den Simplonpass gebracht.
© Quelle: Christoph Schuck
6. Winterhorn/Hospental
Das Skigebiet Winterhorn/Hospental im Kanton Uri hatte eine lange Tradition. Seit den 60er-Jahren waren hier Wintersportfans unterwegs – trotz finanzieller Probleme lief der Betrieb fast 45 Jahre lang. Doch nach mehrmaligem Konkurs und gescheiterten Rettungsprojekten war im Jahr 2007 endgültig Schluss.
Daran konnte auch eine zwischenzeitliche Modernisierung der Liftanlage nichts mehr ändern. So werden hier im Winter keine Skifahrerinnen und Skifahrer mehr eingeschneit, sondern nur noch leer stehende Gebäude und zurückgelassene Überbleibsel des ehemaligen Skigebiets.
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Nach fast 45 Jahren Betrieb musste das Skigebiet Winterhorn schließen.
© Quelle: IfPP, TU Dortmund
7. Hungerberg
Oberhalb der Schweizer Ortschaft Oberwald finden Fans von Lost Places auch heute noch die Überreste des Skigebiets Hungerberg. Viele sind es nicht mehr, denn die Liftanlagen wurden nach der Schließung im Jahr 2009 zurückgebaut und entfernt. Die Talstation steht aber noch und zeigt auf einem leicht verfallenen Plakat, wie es dort früher einmal aussah.
Ironischerweise war das Plakat als Spendenaufruf zur Rettung des Skigebiets gedacht. Die nötige finanzielle Unterstützung blieb jedoch aus – und so war die Schließung am Ende alternativlos.
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Auf einem Plakat wird zur Unterstützung des Skigebiets Hungerberg aufgerufen.
© Quelle: IfPP, TU Dortmund
Zwischenzeitlich hatte ein lokales Projekt vor, in dem Gebiet wieder eine Pendelbahn zu errichten, die Touristinnen und Touristen befördert hätte. Die Idee wurde aber wenig später aufgegeben.
8. Rellerli/Schönried
Noch gar nicht so lange ist es her, da wurde im Skigebiet Rellerli/Schönried noch die Pisten hinuntergesaust. Ende 2018 war dann aber auch hier Schluss. Der ehemalige Schweizer Ski-Star Michael von Grünigen soll an dem Berg angeblich das Skifahren gelernt haben – den Verfall des Gebietes konnte aber auch das nicht aufhalten.
Heute führt eine beliebte Skitour über den Berg und entlang der Gipfelstation. Hier zeugen noch die Masten der einstigen Liftanlagen von den Tausenden Wintersportfans, die die Bahnen transportierten.
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Die verlassene Gipfelstation im ehemaligen Skigebiet Schönried.
© Quelle: Daniel Anker
9. Schwyberg
Das Skigebiet am Schwyberg ist in den 1970er-Jahren gebaut worden, als der Skitourismus noch überall boomte. Im Kanton Freiburg gelegen, hatte es jedoch von Anfang an mit der Riggisalp einen Konkurrenten, der die besseren Voraussetzungen hatte. Ein Überlebensgarant war das beliebte Bergrestaurant am Schwyberg, welches jedoch durch Orkan „Lothar“ im Jahr 1999 komplett zerstört wurde.
Ein Brand in der Bergstation versetzte dem kleinen Skigebiet wenig später den endgültigen K.‑o.-Schlag. Einige Jahre und mehrere gescheiterte Projekte zur Wiederbelebung später wurden die Sesselbahn und zwei Skilifte abgebaut und abtransportiert. Heute zeugen nur noch die Fundamente von den ehemaligen Liftanlagen. Skitouren führen durch das Gebiet und an den Überresten entlang.
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Von den Liftanlagen am Schwyberg sind nur noch die Fundamente übrig.
© Quelle: Daniel Anker
10. Skilift bei Moléson
Der letzte Lost Place in dieser Sammlung steht im Skigebiet Moléson. Die Liftanlage Les Reybes/Le Poyet wird schon seit 20 Jahren nicht mehr benutzt, und das sieht man der Talstation auch an.
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Die aufgegebene Liftanlage Les Reybes/Le Poyet im Skigebiet Moléson.
© Quelle: Daniel Anker
Im Jahr 1963 erbaut, brachte der Lift Wintersportlerinnen und Wintersportler auf die steilen Hänge der sogenannten Vudalla, einen spitzen Grat in der Gebirgsregion. Weil der Lift aber nur von wenigen Menschen benutzt wurde, war er schließlich nicht mehr rentabel und wurde einfach sich selbst beziehungsweise der Natur überlassen.
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