Auf nach Kuba, die Zeit wird knapp!
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Trinidad liegt in den Bergen an der Südküste von Kuba.
© Quelle: Jan Emendörfer
„Varadero ist nicht Kuba“, sagt Reiseführer Reynaldo, und wer sich ein bisschen im Land umsieht, merkt schnell, dass das stimmt. Varadero, die in den Atlantik ragende Landzunge mit ihren kilometerlangen Sandstränden, wo sich Hotelanlage an Hotelanlage reiht, wird bei Wikipedia zu Recht „Sondergebiet“ genannt. Hier gibt es All-inklusiv-Urlaub beispielsweise bei der spanischen Meliá-Hotelkette mit türkisblauem Meerwasser und Pina-Colada-Cocktail am Strand. Animateur Sexy-Schoko ruft bei unüberhörbarer Musik ab 10 Uhr zur ersten Aktivität: „Wir fangen an mit Stretching.“ Wer es mag, entspannt hier voll, sieht aber nichts von Kuba und seinen Menschen außer dem Bedienungspersonal.
Havanna hat eine fantastische Architektur
Das 120 Kilometer entfernte Havanna, die mit 2,1 Millionen Einwohnern größte Metropole der Karibik, bietet andere Eindrücke: Eine fantastische Architektur – Giebel, Säulen, Stuckfassaden -, die noch heute die Reichtümer erahnen lassen, den spanischen Eroberer hier einst anhäuften. Eine Stadtrundfahrt mit „HabanaBusTour“ (10 Euro) bringt den Besucher ins Wechselbad der Gefühle: Wunderschöne sanierte historische Gebäude, große stolz im Wind flatternde kubanische Fahnen, pinkfarbene Cabrio-Oldtimer, Gitarristen auf der Kaimauer – und dann herabgestürzte Balkone und rostige Baugerüste, die schon Jahre stehen, weil das Geld zur Sanierung der Gebäude, die sie umfangen, nicht reicht. Es wird viel gewerkelt in Havanna, Kräne drehen sich, und doch schafft der Denkmalschutz es nicht, den Verfall gänzlich aufzuhalten, den die extrem salzhaltige Meeresluft über Jahrzehnte beispielsweise den Häusern an der langgezogenen Uferpromenade Malecón angetan hat.
Ernest Hemingway wohnte im Hotel Ambos Mundos
Havanna ist aufregend. Das geht schon beim Einchecken im Hotel Ambos Mundos los, wo einst über Jahre Ernest Hemingway (1899 – 1961) gewohnt hat. Sein Zimmer ist noch zu besichtigen inklusive Schreibmaschine und anderer Untensilien, nur leider nicht für uns. An der Rezeption ein Briefumschlag, unser Buchungsportal „7ideas“ hat uns umquartiert. „Sie müssen ins Hotel Plaza.“ Mhm. Okay, hätte man uns kurz per Mail mitteilen können. Vielleicht lag`s am (fehlenden) Internet? Auch in der Touristenhochburg Varadero gibt’s WLAN nur auf Zeit und gegen Aufpreis (drei Euro pro Stunde) und im Foyer ...
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Das Hotel Plaza, Baujahr 1909, alles im Jugendstil, liegt dafür direkt am Eingang zur Altstadt: In fast jeder Kneipe Livemusik. Die Bar „El Floridita“, in der Hemingway schon am späten Vormittag den ersten Daiquiri kippte, ist voller Touristen. Handys, Fotos, Videoclips. Kein Durchkommen, keine Bestellung möglich. Old-Ernest sitzt als Bronzeplastik in Lebensgröße am Tresen, die Kapelle spielt Salsa – besser am späteren Abend hingehen!
Wer beim Bummel durch die wunderschöne Altstadt müde wird, braucht sich nicht sorgen: An fast jeder Ecke steht eine Fahrradrikscha: „Taxi?, Taxi? – good price!“ David Rodriguez wirbt mit dem Slogan „City Tour Old Havanna“ und tritt kräftig in die Pedale. Wir sind schnell wieder zurück am Hotel. Fünf CUC (Kubanischer Peso convertible) waren vereinbart. Wir geben einen 10-CUC-Schein und David sagt: „Oh, danke!“ Ein CUC entspricht etwa einem Euro oder einem US-Dollar. Die Kubaner selbst zahlen mit „normalem“ Peso, der bei Weitem nicht an den Wert des CUC heranreicht. Deshalb: Geld nicht auf der Straße tauschen, Banken, Wechselstuben oder die Hotelrezeption nutzen!
Das Revolutionsmuseum war einst der Präsidentenpalast
Im Revolutionsmuseum, das einst als Präsidentenpalast diente, ist alles zu sehen, was mit dem kubanischen Guerillakampf und der Befreiung des Landes von der Diktatur unter Fulgencio Batista (1901 bis 1973) im Zusammenhang steht: Fotos, Flugblätter, Dokumente, Funkgeräte, Waffen, Uniformen bis hin zur „Granma“, jener Motoryacht, mit der im November 1956 unter Führung von Fidel Castro (1926 bis 2016) 82 bewaffnete Kämpfer von Mexiko nach Kuba übersetzten, um das Regime zu stürzen. Mit an Bord: der heutige Staatspräsident Raul Castro (85), Camilo Cienfuegos (1932 bis 1959), der wahrscheinlich bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam und Ernesto Che Guevara (1928 bis 1967), der beim Versuch, die Revolution zu exportieren in Bolivien ermordet wurde.
Batista machte sich übrigens nach seinem Sturz mit 40 Millionen Dollar in bar, geklaut aus der Staatskasse, aus dem Staub und fand Exil in Portugal und Spanien. Zu den Hinterlassenschaften aus seiner Zeit gehören etwa 60.000 Oldtimer, die bis Ende der 1950er-Jahre von Amerika nach Kuba verkauft worden sind und heute noch laufen, oft auch als Taxis: wunderschön anzusehen, eine Fahrt ist ein Erlebnis (Preis vorher aushandeln!).
Die Cafehaus-Terassen im Zentrum klappert ein altes Männchen ab, das zitternd einen Stoß Zeitungen feilbietet: Es ist die „Granma“, das Zentralorgan der Kommunistischen Partei Kubas, benannt nach der Revolutionsyacht. Der Verkäufer hat neben der spanischen Ausgabe auch die „Granma International“ auf Deutsch (16 Seiten, 1 CUC) dabei. Schlagzeile: „Kuba ehrt seinen Nationalhelden José Marti“. Es geht um einen Fackelzug durch Havanna anlässlich des 164. Geburtstages des Dichters, der 1895 im Unabhängigkeitskrieg gegen Spanien fiel …
Tipp: Exkursionen ins Landesinnere
Weil Varadero nicht Kuba ist, sollte man unbedingt Exkursionen ins Landesinnere unternehmen – auf eigene Faust mit Mietwagen oder geführt als Touristenausflug in kleinen Gruppen (kann man in den Hotels vor Ort buchen). Zum Beispiel nach Cienfuegos an der Jagua-Bucht und Trinidad im Süden des Landes (schafft man an einem Tag). In beiden Städten kann man wunderschöne Paläste der einstigen Zuckerrohr-Barone besichtigen, die heute als Museen oder Yachtclubs dienen. Die prunkvolle Architektur und Innenausstattung zeigen, was Geschäftssinn und Ausbeutung einst ermöglichten.
Ein altes Brockhaus-Conversations-Lexikon vermerkte seinerzeit für Kuba: „Die Einwohnerzahl beläuft sich 1879 auf 1.424.649 Seelen, worunter 965.735 Weiße, 287.827 freie Farbige und 171.087 Sklaven“ sind. Die Sklaverei endete langsam als der Band 1883 in Leipzig erschien, und die Zuckerrohrproduktion wuchs trotzdem immer weiter – durch Mechanisierung und radikalen Kahlschlag zur Flächengewinnung …
Von Varadero nach Trinidad
Auf dem Weg von Varadero nach Trinidad gibt es eine Erdölraffinerie, die Venezuela gebaut hat und auch die Straße, über die wir nach Süden rollen, haben die Amigos aus dem Nachbarland finanziert. So hat sich Präsdent Hugo Chávez (1954 bis 2013) für die Hilfe kubanischer Mediziner zum Umbau des Gesundheitswesens in Venezuela bedankt, wie unsere Reiseführerin Maria berichtet. Auf Kuba ist die medizinische Versorgung für die Bevölkerung kostenlos; das System gilt als das Beste in Lateinamerika und der Karibik. Fidel Castro hat nicht nur das geschafft, er hat auch ein Schulsystem aufgebaut, das vielen Kubanern eine überdurchschnittliche Bildung ermöglichte und Wissenschaftler hervorbrachte, die internationales Ansehen genießen.
Das schon 1514 gegründete Trinidad (74.000 Einwohner) beherbergt ein koloniales Zentrum, das zum größten Teil erhalten ist. Es gibt kleine bunt angemalte historische Wohnhäuser, durch die sich Kopfsteinpflasterstraßen schlängeln und auch Prachtbauten rund um den Plaza Major. Seit Raul Castro an der Macht ist, bewegt sich Kuba in Richtung Öffnung und Privatisierung, und so gibt es auch in Trinidad Casas Particulares (Privatunterkünfte), deren Vermieter nicht selten im Türrahmen stehen und auf ihr Angebot aufmerksam machen.
Folgt man einem Vermieter ins Innere, kann es passieren, dass es gar nicht mehr um Unterkunft geht, sondern zum Beispiel um Zigarren. Neben Zuckerrohr und Rum ist Kuba weltbekannt für seine Zigarren. Die Cohiba Esplendidos, die plötzlich im dritten Hinterzimmer in Original-Holzkiste mit Banderole und Echtheitszertifikat angeboten werden, stammen „von einem Onkel, der in der Tabakfabrik arbeitet“ und sind um einiges preiswerter als im Zigarrengeschäft …
Von der Marina zum Hochseefischen
Varadero ist nicht Kuba, aber von dort aus geht es hinaus in die Welt oder besser hinaus auf See. Es gibt eine Marina, an der moderne Yachten im Wasser schaukeln und Ausfahrten anbieten, zum Beispiel zum Hochseefischen. Für fünf Stunden mit maximal acht Personen muss man rund 400 Euro hinblättern. Dafür gibt’s vier superstabile Bootsrouten, riesige Messingrollen, noch riesigere Köderfische und sehr dicke Angelsehne. Die Yacht fährt hinaus aufs Meer, bis Kuba nicht mehr zu sehen ist, und in voller Fahrt werden die Köder ausgeworfen, sodass eine Art Schlepp-Angelei entsteht.
Vorteil: Man braucht nur gucken und Rum trinken. Nachteil: Sehr passive Form von Fischerei. Anderer Vorteil: Wenn es zum Fang kommt, ist die Größe des Fisches nicht mit Ostsee oder Nordsee vergleichbar. Uns ging ein stattlicher Barracuda (Pfeilhecht) von über einem Meter Länge an den Haken. Wermutstropfen im süßen Fischercocktail: Er wurde uns am Ende nicht ausgehändigt mit Verweis darauf, dass er toxisch vergiftet sei. Ob das stimmte oder ob er doch in einer Restaurantpfanne landete, war nicht mehr auszumachen. Fakt ist: Im Internet finden sich Hinweise auf das giftige Ciguatoxin, das sich bei Barracudas ansammeln und beim Verzehr durch Menschen zu deren Vergiftung führen kann …
Kuba ist im Umbruch
Kuba ist im Umbruch begriffen. Die Menschen ahnen, spüren, wissen, dass es mit der „reinen Lehre“ vom Sozialismus nicht mehr weitergeht. Sie fürchten aber auch, dass man ihnen alles nimmt, wenn man morgen die Grenzen öffnet und ausländischem Kapital freien Lauf lässt. In Trinidad kostet ein kleines historisches Häuschen in der Straßenzeile etwa 30.000 Euro. Das ist für den amerikanischen Immobilieninvestor nichts; er kauft die ganze Häuserzeile. Für den Kubaner ist es ein Vermögen, das er nicht hat.
Dafür hat er etwas anderes: Die Leute sind nett, freundlich, immer zum Klönen bereit, lachen dich an. „Kein Mensch weiß, wie lange diese kubanische Mischung aus Gelassenheit und Lebensfreude noch erhalten bleibt; wie viel davon den Wandel der kommenden Jahre überstehen wird“, schreibt der Autor Jürgen Schaefer in seiner „Gebrauchsanweisung für Kuba“ (Piper-Verlag). „Deswegen“, so Schaefer weiter, „gilt nun unbedingt: Auf nach Kuba, die Zeit wird knapp!“
Reisereporter