Curaçao: Hier sind alle „Schätzchen“
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Postkartenmotiv Nummer 1: Die bunten Häuser an der Handelskade in Willemstad.
© Quelle: imago/imagebroker
Clarita Hagenaar kennt kein Erbarmen, obwohl sich mein Magen schon wie ein Wonneproppen anfühlt: „Hey Dushi! Du musst probieren!“ Angesichts der aufgetischten kreolischen Köstlichkeiten hier in der alten Markthalle der Inselmetropole Willemstad auf Curaçao fällt es mir allerdings schwer, zu widerstehen – zumal dann, wenn ich auch noch Dushi gerufen werde. In der Landessprache Papiamentu bedeutet das so viel wie Schätzchen oder alles, was lieb und nett ist.
Also greift das Schätzchen noch mal zum gebratenen Thunfisch im braunen Reis, der neben Karni Stobu (geschmortem Fleisch), Keshi Yena (gefülltem Käse), Konkomber (Gurken mit grüner Papaya und Fleisch), Funchi (einer Art Polenta), Süßkartoffeln und Kala (scharfen Donuts aus Bohnenmehl) erst den Tisch und dann meinen Magen füllt. An den Essständen der Markthalle dampft es unterdessen aus Dutzenden Töpfen und brutzelt es auf offenen Holzgrills, um den scheinbar endlosen Kundenandrang zu befrieden.
Klettern über die "Swinging Old Lady"
Hier genießen neben Touristen vor allem Einheimische traditionelle Gerichte zu günstigen Preisen. Am Ende streichle ich zufrieden über meinen Bauch, und Clarita, die ihre Gäste auf kulinarische Touren durch das karibische Willemstad begleitet, hebt den Daumen und sagt nur ein Wort: „Dushi!“.
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Nach dem Essen ist es Zeit, sich die Füße zu vertreten. Zum Glück ist es auf Curaçao – neben Aruba und Bonair die dritte der sogenannten ABC-Inseln auf den niederländischen Antillen – nicht zu heiß. Uns umkuschelt ein leichter Wind bei 27 Grad. Vor uns liegt die Königin-Emma-Brücke, die auf 16 Pontonbooten die Stadtteile Punda und Otrabanda verbindet und liebevoll „Swinging Old Lady“ genannt wird. Denn jedes Mal, wenn ein Schiff in den Hafen einläuft, schwimmt sie beiseite und eine kostenlose Fähre übernimmt ihre Funktion.
Vorbei geht es am Fort Amsterdam, in dessen Kirche noch immer die Kanonenkugel steckt, die Captain Bligh 1804 von seinem Segelschiff „Bounty“ aus abgefeuert hat. Laut und geschäftig geht es am schwimmenden Markt an der Waterfortstreet zu. Hier bieten Händler aus dem knapp 70 Kilometer entfernten Venezuela frischen Fisch, Obst, Gemüse und exotische Gewürze feil.
Größter Sklavenmarkt, später größter Ölhafen
Nur wenige Meter entfernt liegt dann die Handelskade vor uns, die Prachtstraße der Insel mit ihren quietschbunten Häusern, die so wirken, als wären sie aus einer Amsterdamer Gracht versetzt worden. Kein Wunder: Die 150.000 Einwohner zählende Insel Curaçao war jahrhundertelang niederländische Kolonie, größter Sklavenmarkt und später größter Ölhafen der Karibik. Heute ist die bonbonfarbene Häuserzeile mit ihren Renaissancefassaden das Wahrzeichen des Eilandes und Curaçao unabhängig innerhalb des Königreiches der Niederlande.
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Der unmenschlichen Geschichte des Sklavenhandels ist im Kura-Hulanda-Museum ein eindrucksvolles Denkmal gesetzt. Geblieben ist die zuweilen luftverpestende Raffinerie, die venezolanisches Schweröl verarbeitet.
Im Kräutergarten von Dinah Veeris, ein paar Kilometer außerhalb von Willemstad, ist das Paradies wieder perfekt. Die lebenslustige 75-jährige Dame hat hier ihrer Leidenschaft freien Lauf gelassen, bemuttert mehr als 300 Pflanzenarten in ihrem botanischen Reich, das sie „Den Paradera“ nennt – den Platz, an dem du dich zu Hause fühlst.
Was hilft gegen Seekrankheit?
„Pflanzen leben und fühlen wie Menschen“, sagt Dinah Veeris. Geht es ihren Schützlingen schlecht, redet sie mit ihnen oder singt sogar für sie. In ihrem für Besucher offen stehenden Garten mit angeschlossenem Shop gibt es gegen jedes Übel ein Kraut. Das Pflänzlein Mala madre, so erzählt sie, hilft gegen Beschwerden bei Wechseljahren, Bembom gegen Blutarmut, Sangura gegen Appetitlosigkeit oder Pata di baka gegen Diabetes.
Nur, was hilft gegen Seekrankheit? Ob Dinahs Kunst den bleichen Gesichtern auf der Motorjacht „Miss Ann“ geholfen hätte, werden wir wohl nie erfahren.
Doch selbst denen schoss nach knapp zweistündiger Überfahrt zur winzigen Nachbarinsel Klein Curaçao wieder Farbe ins Gesicht, und allen war klar: Hier ist genug Platz für eine eintägige Robinsonade mit Barbecue, Schnorchel, Taucherbrille und ausreichend Sonnencreme.
Das Eiland, auf dem keine Menschenseele lebt, ist im Gegensatz zur Hauptinsel mit ihrem eher herben Charme, der sich vor allem auf den Wanderwegen im Christoffel-Nationalpark oder der wellenumtosten Nordküste offenbart, Karibik pur. Hier gibt es nicht mehr als feinen, weißen Sand, einen verfallenen Leuchtturm, die Reste von ein paar Baracken – und das Meer, das so azurblau strahlt wie der weltberühmte Blue Curaçao.
Blue Curaçao war Abfallverwertung
Der Originallikör wird noch immer auf der Insel produziert – im Landhaus Chobolobo, besser bekannt als Curaçao Liqueur Distillery. Dort wird auch die interessante Geschichte des Getränks erzählt, die eigentlich auf einem landwirtschaftlichen Fiasko basiert. Als Curaçao noch zu Spanien gehörte, wurden Orangenbäume aus Valencia angepflanzt.
Doch statt süßer Früchte waren die Orangen von Curaçao ungenießbar, sodass die Bäume ihrem Schicksal überlassen wurden. Erst seit gut 100 Jahren werden die Schalen der bitteren Orangen von der jüdischen Familie Senior zur Likörproduktion genutzt. Da sich die Besitzer den Namen Blue Curaçao nicht schützen ließen, heißt der wahre Likör der Insel heute The Genuine Senior Curaçao of Curaçao. Und der gehört – ob weiß, rot, grün oder eben blau – als Mitbringsel einfach dazu, als Erinnerung an eine Insel, die einfach nur „dushi“ ist.
Reisereporter