Essen und Trinken in Lissabon: Zum Anbeißen schön!
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Der Triumphbogen Arco da Rua Augusta am Praco do Comèrcia stellt den Eingang zur nach 1755 neu gebauten Innenstadt dar.
© Quelle: Visitlisboa.com
Die sonst so freundlichen Lissabonner können ziemlich schweigsam sein. Zumindest wenn es um die großen Geheimnisse geht. Und da kommt Verkäufer Manuelo von der seit 1837 bestehenden Confeitaria dos Pastéis de Belém kein falsches Wort über die Lippen.
Auf die Frage, ob in den berühmtesten Puddingtörtchen Lissabons, den wohl besten Pastéis de Nata in der Hauptstadt von Portugal, Sahne enthalten ist, ernte ich nur ein Lächeln. „Aber Vanille ist da doch ganz bestimmt drin?“ Manuelo zuckt mit den Achseln. „Was macht den Blätterteig so knusprig?“ Er sagt nur freundlich „Sorry“.
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Süß, süßer, Lissabon: Mit solchen Auslagen locken die Cafès, wie hier die Confeiterai Nacional, die Besucher an.
© Quelle: Jens Burmeister
Manuelo wüsste es auch gar nicht, erfahre ich später von Carmo Botelho. Die Mitarbeiterin vom Lissabonner Tourismusbüro weiß, dass die legendärste Törtchenbäckerei der Stadt – direkt neben dem weltberühmten Hieronymuskloster – seit sechs Generationen in Familienhand ist und das streng gehütete Hausrezept nur den vier Chefkonditoren bekannt ist, denen als Vorsichtsmaßnahme sogar gemeinsame Reisen untersagt sind. Selten weniger als 20.000 Küchlein kommen hier im Schnitt aus dem Ofen. Pro Tag. Die Eiligen holen sich die süße Versuchung für gut einen Euro am Ladentresen, die anderen genießen sie ebenso ofenfrisch im kachelgeschmückten Café mit Zimt und Puderzucker.
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Apropos Café. Die Stadt am Tejo gleicht einem großen Kaffeehaus. Viele Lissabonner würden ohne ihre Pastelaria gar nicht durch den Tag kommen. Für sie ist das Café quasi das zweite Wohnzimmer. Hier wird mit dem Nachbarn geplauscht, wird die Tageszeitung gelesen, über Gott und die Welt diskutiert, in der Mittagspause ein Süppchen gelöffelt und einfach nur den Urlaubern hinterhergeschaut.
Lissabon: Für einen Ginjinha ist immer Zeit
Und die kommen mehr denn je. Wirtschaftskrise hin oder her – Lissabon ist einfach hip. Dass der Cafezinho (Espresso) oder Galão (Latte macchiato) hier preiswerter sind als etwa in Deutschland, macht den Aufenthalt umso angenehmer. Kein Wunder, wenn Kaffeehäuser wie das im Jugendstil gehaltene Café Brasileira, das vom französischen Art déco beeinflusste Café Versailles oder die für ihre Keksvielfalt berühmte Confeitaria Nacional immer gut besucht sind. Danach – schon auf dem Weg nach Hause – reicht es dann meist noch für einen Ginjinha. Der süße Kirschlikör, am Straßenstand gern im Schokobecher serviert, ist ein Muss in Lissabon.
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Hinter dem Tor Arco da Rua Augusta liegt die Rua Augusta, eine der wichtigsten Einkaufsmeilen der Stadt
© Quelle: Visitlisboa.com
Am Abend zieht es Einwohner und Touristen nicht nur in die Restaurants. Neuerdings machen die Markthallen, von denen es immerhin noch rund 30 in der Stadt gibt, diesen mehr und mehr Konkurrenz. Einige von ihnen – wie der Mercado de Ribeira – bieten nämlich nicht nur Obst, Käse, Schinken oder Fisch feil. Sie entwickeln sich zu wahren Gourmettempeln, in denen selbst Sterneköche Lammkoteletts, Muscheln, Langusten oder gegrillten Bacalhau (Stockfisch) zu günstigen Preisen anbieten.
Im Mercado de Campo de Ourique – die als schönste Markthalle Lissabons gilt – treffe ich Aurora Brito, eine nette, grauhaarige 76-Jährige. Seit 64 Jahren, erzählt sie, verkauft sie hier Obst. Sie freut sich über den neuen Trend, denn der spült auch ihr neue Kunden zu. Obwohl ihr Mann Arzt ist und sie es finanziell nicht nötig hätte, steht sie jeden Tag von morgens um acht bis abends um acht hinter ihrem Tresen. „Ich würde verrückt werden ohne Arbeit“, sagt sie. Ich nicke ihr zu und weiß die Oase des Durchschnaufens als laufmüder Stadtbesucher zu schätzen.
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Die 76-jährige Aurora Brito arbeitet seit 64 Jahren im Mercado Campo de Ourique hinterm Obsttresen. Ein Leben ohne ihre Arbeit in der Markthalle kann sie sich nicht vorstellen.
© Quelle: Jens Burmeister
Denn auch wenn die etwa 600.000 Einwohner zählende Metropole gut zu Fuß zu entdecken ist, erstrecken sich ihre Stadtteile über mehrere Anhöhen. Oben auf einem der Hänge wacht die mittelalterliche Burg über die Stadt. Ihr zu Füßen liegt das Gassengewirr des traditionellen Stadtviertels Castello. Auf der anderen Seite geht es hoch ins Bairro Alto mit seinen zahllosen Szenekneipen, Tattoo-Shops, Fado-Bars und Restaurants. Von oben schaut man auf die schachbrettartigen Straßenzüge der Unterstadt.
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Standseilbahnen und historische Straßenbahnen prägen das Stadtbild Lissabons. Wegen ihrer reizvollen Streckenführung, der steilen Abschnitte und engen Kurven durch die schmalen Gassen sind sie bei Touristen sehr beliebt.
© Quelle: Jens Burmeister
Die hat sich herausgeputzt mit kachelfriesgeschmückten Bürgerhäusern, prächtigen Plätzen und schmucken Fußgängerzonen, die zum Flanieren und Shoppen einladen. Der Kontrast zwischen dem urigen Bairro Alto und der vornehmen Baixa könnte kaum größer sein.
Warum die architektonischen Gegensätze der Stadt so groß sind, erfahre ich im Lisboa Story Center. Das befindet sich direkt am überdimensioniert wirkenden Praça do Comércio, dem Hauptplatz der Stadt – dort, wo sich Lissabon dem Tejo und dem nahen Atlantik hin öffnet. „Wer Lissabon verstehen will, muss einfach hierher“, gibt mir Carmo mit auf dem Weg.
Das 2012 eröffnete multimediale Museum bietet tatsächlich eine spannende Reise durch die Geschichte der Stadt. Im Mittelpunkt: der 1. November 1755, der Tag des großen Erdbebens. Das schlimmste, das Europa bisher erlebt hat. Zehntausende Menschen starben unter den Trümmern ihrer Häuser und in den Wogen einer riesigen Flutwelle. Dass Lissabon dennoch überlebt hat und heute so aussieht, wie es sich präsentiert, ist vor allem einem Mann zu verdanken: dem damaligen Premierminister Marquês de Pombal.
Er griff kompromisslos durch. Unter Einsatz des Militärs verhinderte er die Flucht der schockierten Einwohner, ließ die Toten kurzerhand ins Meer werfen, die Reste der Altstadt abreißen und die Unterstadt in nur wenigen Jahren modern, mit breiten und rechtwinkligen Straßenzügen wiederaufbauen. Lissabons Auferstehung war damals geradezu visionär für alle Stadtplaner. Und heute? Heute ist Lissabon so bunt, vielfältig, gastfreundlich, traditionell und modern zugleich wie kaum eine andere Stadt in Europa. Eben einfach sehenswert!
Reisereporter