Danzig: Ein kulinarischer Kurztrip mit Gänsehaut
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Das Krantor ist nur eine von vielen Sehenswürdigkeiten in Danzig.
© Quelle: imago/Westend61
Es ist Frühling. Die Sonne steht an einem blauen Himmel, und nur eine frische Brise, die von der Ostsee her durch die Gassen der Danziger Altstadt streift, scheint noch ein wenig der vergangenen Jahreszeit nachzuhängen.
Viele Polen trotzen dieser Tatsache mit gediegener Abhärtung: Sie tragen schon am Vormittag kurze Hosen, Röcke, Blusen und kleiden ihre Schenkel und Arme lieber in Gänsehaut, als zugeknöpft dem Winter noch einen einzigen Tag zuzugestehen.
Im historischen Viertel und an den Kanälen sind bereits die Straßenmusikanten am Werk. Sie fideln, zupfen, singen, trommeln. Brunnen plätschern, Kirchturmglocken läuten. Die Türen zu Geschäften werden aufgestoßen, Sonnenschirme vor Cafés werden aufgespannt: Danzig empfängt seine Besucher mit weit geöffneten Armen.
Touristenmagnet mit Provinzcharakter
Die ehemalige Hansestadt gilt mit gut 450.000 Einwohnern als eine der bevölkerungsreichsten Städte Polens. Mit ihrer weltberühmten Werft ist sie sicherlich auch ein Touristenmagnet, hat sich aber dennoch einen provinziellen Charakter bewahrt. Das liegt vielleicht an der Überschaubarkeit.
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Um das kleine Zentrum gruppieren sich die meisten Sehenswürdigkeiten und sind fußläufig erreichbar. Shakespeare-Theater, Goldenes Tor, Neptunbrunnen, Krantor oder die Markthalle lassen sich bei einem Spaziergang am Vormittag besichtigen. Sofern du nicht ein Faible für Bernstein-Shopping hegst und einen Blick in jede Auslage der unzähligen Läden wirfst. Amulette, Armreife, Ringe, Anstecker, Tierchen, Kruzifixe: Das Ostseegold lässt sich in jeder erdenklichen Form erwerben.
Historische Stätten in Danzig
In die Tiefe geht es im Museum des Zweiten Weltkriegs. Die Ausstellungsfläche befindet sich drei Etagen unter der Erde. Nur mittags fallen ein paar Sonnenstrahlen durch die Oberlichter, ansonsten lebt der Ort von Kunstlicht. Aufwendige Videoinstallationen, authentische Nachbauten, Tausende Exponate lösen die Trennschärfe zwischen Betrachter und Betrachtetem auf.
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Das Museum des Zweiten Weltkriegs von außen.
© Quelle: H. Finkbeiner
Auch die ein oder andere Träne ist bei Besuchern zu sehen. Erinnerung tut weh, kann wehtun, muss wehtun. Oder sie schockiert, ergreift, beflügelt. Letzteres geschieht im Solidarność-Zentrum. Auf gleichermaßen moderne, einprägsame und detaillierte Weise widmet sich die Ausstellung der Bürgerbewegung, mit der der Abbau des kommunistischen Systems in den 70er-Jahren einen Anfang nahm. Errichtet wurde das Museum an dem Ort, an dem die Arbeiterproteste begannen: in der Danziger Werft.
Bis zu 17.000 Menschen waren einst in der Anlage beschäftigt, heute sind es noch 3.000. Hauptaufgabe ist nicht mehr der Schiffsbau, sondern die Reparatur und Wartung, auch die „Queen Mary“ wurde hier geliftet. Aufgebockt wie Kleinwagen liegen haushohe Schiffe im Kanal, teils eingerüstet, zu bestaunen aus der Nähe bei einer Hafenrundfahrt.
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Die Reparaturwerft lässt sich am besten während einer Hafenrundfahrt besichtigen.
© Quelle: H. Finkbeiner
Oder aus der Ferne, von der Aussichtsplattform der gotischen Marienkirche von 1343, einer der größten Backsteinkirchen der Welt. Mag der Aufstieg auf den Turm schweißtreibend sein und einige Zloty kosten: Es lohnt dennoch, aus der Vogelperspektive einen Blick auf die Geburtsstadt von Günter Grass und Arthur Schopenhauer zu werfen, die außerdem eine fast überbordende Fülle an Lokalen und Restaurants beherbergt.
Kreative Küche trifft auf Tradition
Polen essen und trinken gern, das ist zu spüren. Allerortens gibt es Wein- und Cocktailbars. Es gibt Burger-, Pasta- und Pizzaläden. Aber vor allem beweisen sich auch junge, dynamische Küchenchefs am Herd. Einer davon ist Marcin Szlagowski.
Für den 35-Jährigen vom Restaurant Filharmonia ist ein Merkmal der regionalen kaschubischen Küche ihre Süße. Ein Element, das er geschickt in alle seine Speisen einbindet. Er bringt geräucherte Gänsebrust mit Beeren und Vinaigrette auf den Teller oder serviert provokante Eigenkreationen: Rinderhoden in geräucherter weißer Schokoladensoße.
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Rinderhoden in geräucherter, weißer Schokoladensoße gibt es im Restaurant Filharmonia.
© Quelle: Restaurant Filharmonia
Modern und ideenreich geht es auch im Mercato Restaurant zu, wo Stawel Stawicki die Feinschmeckergaumen der Stadt balsamiert, mit butterzartem Stör etwa, den der Koch mit Selleriecreme und Schweinerippen-Soße auftischen lässt. Ein Menü mit sechs Gängen ist für gut 46 Euro zu verkosten.
Das Herz der polnischen Küche schlägt allerdings in Bodennähe: Piroggen, Aufläufe, Suppen gibt es überall, empfehlenswert ist auch das herrliche polnische Bier, das eiskalt aus zahllosen Hähnen in der Stadt fließt. Zum Pflichtprogramm eines Danzig-Trips sollte außerdem ein Mahl im altehrwürdigen Pod Łososiem gehören, in dem Ende des 16. Jahrhunderts der berühmte Gewürzlikör Danziger Goldwasser erfunden wurde.
Papst Johannes Paul II. ist hier zweimal eingekehrt. Margaret Thatcher, Prinz William und Kate waren zu Gast. Betrieben wird das historische Lokal in der dritten Generation von Damian Robakowski, der fast exemplarisch für die Höflichkeit und Liebenswürdigkeit der Danziger steht.
Ein echtes Highlight ist der exzellente Hering mit Zwiebeln und Pfefferkörnern, der mit einem eiskalten Wodka als Begleitung auf neue Höhen gehoben wird. Ein Klassiker ist der Lachs mit Blattgold und Hummersoße. Als wir satt und zufrieden das Lokal verlassen, zieht uns der Ober die Tür auf. Ob es uns gefallen habe, fragt er und lächelt dabei, als würde er die Antwort längst kennen. Nicht nur hier, möchten wir ihm antworten. Nicht nur hier.
Das sind die fünf besten Lokale in Danzig
1. Pod Łososiem
Im Pod Łososiem atmest du geschichtsträchtiges Flair: Vor Hunderten Jahren wurde hier das Danziger Goldwasser erfunden. In den letzten Jahrzehnten besuchten Politiker, Adlige und sogar Papst Johannes Paul II. das Lokal und ließen sich von der herzlichen Familie Robakowski verköstigen. Hering, Lachs und Wildgerichte stehen auf der Karte, alles gut gemacht, aber das Gesamterlebnis reißt es raus.
Pod Łososiem | Adresse: Szeroka Str. 52–54, Gdańsk
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Lachs mit Goldblatt in Hummersauce mit Spinatnudeln im Restaurant Pod Łososiem.
© Quelle: H. Finkbeiner
2. Restaurant Filharmonia
Das Ambiente im Restaurant Filharmonia ist zwar etwas fehldesignt, aber bei den gut austarierten Kreationen von Marcin Szlagowski schaust du eh nicht über den Tellerrand. Bist du mutig, dann traust du dich an die Spezialität des Hauses: Rinderhoden in geräucherter weißer Schokoladensoße. Exzellent sind die mit Chili und Zitronenabrieb aromatisierten Schnäpse.
Restaurant Filharmonia | Adresse: Ołowianka 1, 80-751d, Gdańsk
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Koch Marcin Szlagowski vom Restaurant Filharmonia ist einer der jungen kreativen Köche in Danzig.
© Quelle: Restaurant Filharmonia
3. Restaurant Mercato
Im Mercato bekommst du gute Feinschmeckerküche zu vergleichsweise günstigem Preis: Das fünfgängige Degustationsmenü kostet nur rund 46 Euro, für weitere 30 Euro gibt es eine Weinbegleitung dazu. Ein Investment, das sich proportional gesteigert in Genuss aufwiegt.
Restaurant Mercato | Adresse: Targ Rybny 1, 80-838 Gdańsk
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Sous-vide-gegarter Stör mit Schweinerippchensoße und Selleriecreme im Restaurant Mercato.
© Quelle: H. Finkbeiner
4. Kaszubska Marina
In dem traditionellen Lokal in der Danziger Altstadt lehnst du leger mit den Ellenbogen auf der Tischplatte, bis die ersten Kostproben guter kaschubischer Regionalküche serviert werden, darunter Kartoffelauflauf, Piroggen oder Saure Mehlsuppe.
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Pólki: Heringsalat mit Gurke, Apfel und Sahne im Restaurant Kaszubska Marina.
© Quelle: H. Finkbeiner
Adresse: Kaszubska Marina/Długa 45/Gdańsk
5. Pub Elewator No. 19
In dem kleinen, gemütlichen Pub lässt du bei einem Drink den Tag ausklingen – bemerkenswert ist die schöne Auswahl an Craftbeer-Sorten, exzellent ist auch das eiskalte polnische Bier vom Fass.
Pub Elewator No. 19 | Adresse: Spichrzowa 19/80-750, Gdańsk
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