Geheimtipp Kanalinseln: Reisen zwischen den Welten
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La Coupée: Der schmale Grat verbindet die Insel Sark mit Little Sark.
© Quelle: Getty Images/iStockphoto
Weiße Sandstrände, ein Meer an Blüten und sogar Palmen: Um dies zu erleben, muss niemand in die Karibik fliegen. All das bieten auch die Kanalinseln. Im Ärmelkanal, kurz vor der französischen Küste nahe St. Malo, beschert der milde Golfstrom den Inseln Guernsey, Jersey, Sark, Herm und Alderney eine üppige Pflanzenpracht.
Sonne und Regen gehen hier, unterstützt vom milden Winter, eine vegetationsfreundliche Symbiose ein. Die Wassertemperatur ist allerdings doch eher unkaribisch …
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Die gerade mal zwei Quadratkilometer kleine Insel Herm ist ein wahres Strandparadies: Mittelmeerflair im Ärmelkanal.
© Quelle: Anja Bieler-Barth
Inseln gehören der Queen
Es sind vom Pauschaltourismus noch weitgehend verschont gebliebene Kronjuwelen, die auf geschichtsträchtigem Boden französische Lebensart mit britischem Flair verbinden: Die Kanalinseln gehören weder zu Großbritannien noch zur EU, sondern der Queen.
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Wanderungen entlang der Küsten, Radtouren über kleine Straßen und Wege durch das Landesinnere (Obacht: Linksverkehr!), Strände, St. Peter Port, die lebendige Hauptstadt von Guernsey, (museale) Exkurse in die Historie, ein britischer Cream Tea im Schatten von Palmen, ein Kaffee im französisch anmutenden Straßencafé: Wer von Guernsey nach Herm und Sark hüpft, sollte Zeit mitbringen. Um entspannt zu entschleunigen.
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St. Peter Port, die lebendige Hafenstadt auf Guernsey, ist ein guter Ankerpunkt, um auch Sark und Herm von dort aus zu erobern.
© Quelle: Anja Bieler-Barth
Englische und französische Einflüsse
„Ein Stück Frankreich, das ins Meer gefallen ist und von England aufgesammelt wurde“: So umschrieb der Dichter Victor Hugo seine Exilheimat im Ärmelkanal, während Napoleon in Frankreich regierte. Beide Kulturen haben Spuren hinterlassen. Die deutschen Besatzer von 1940 bis 1945 leider auch: Unglaubliche Mengen Beton wurden zu Wällen, Türmen und Bunkern verbaut.
Exil von Victor Hugo
Auch Hugo verewigte sich, deutlich ansprechender allerdings: Sein Hauteville House, in dem der Verbannte von 1856 bis 1870 lebte, ist ein verblüffender Hingucker. Er baute das Domizil in St. Peter Port jahrelang üppig dekoriert aus. Der Gang durch die Geschosse gleicht einer Reise von der Dunkelheit ans Licht. Im wahrsten Sinne des Wortes, aber auch metaphorisch. Wer das opulent-exzentrisch gestaltete Ensemble verstehen möchte, sollte sich unbedingt eine geführte Tour gönnen.
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Der französische Dichter Victor Hugo lebte im Exil auf Guernsey seine Kreativität nicht nur in Worten aus, sondern auch in seinem Hauteville House in St. Peter Port.
© Quelle: Anja Bieler-Barth
Mit der Fähre nach Sark
Rund 50 Minuten dauert die Fährreise von St. Peter Port nach Sark. Einmal im Jahr zahlt Christopher Beaumont von dort 1,79 Pfund an Queen Elizabeth im fernen London. „Ganz unromantisch, per elektronischem Banktransfer“, erzählt er, als er an einem Samstagmorgen seinen Rasenmäher ruhen lässt und sich Zeit für den Besuch aus Deutschland nimmt. Der 65-Jährige ist der 23. Seigneur und somit das Oberhaupt von Sark mit seinen rund 600 Einwohnern. Hier ticken die Uhren anders. Grundbesitz gibt es nicht. Hier gilt das Lehnswesen.
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Christopher Beaumont ist der 23. Seigneur von Sark.
© Quelle: Anja Bieler-Barth
Der Titel wird vererbt, seit Hélier de Carteret Mitte des 16. Jahrhunderts mit Queen Elizabeth I. einen Deal aushandelte: Er durfte das 5,5 Quadratkilometer kleine Sark besiedeln. Die Gegenleistung: besagte Lehngebühr und eine wehrhafte Bürgermiliz. 40 Familien teilten sich das Miniaturreich auf und stellten das Parlament, den Chief Pleas. Hélier war der erste Seigneur.
2008 waren die Tage der letzten europäischen Feudalherrschaft gezählt. Das Sarker Erbrecht sei diskriminierend, befand der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Der autarke Ministaat stand vor seinen ersten demokratischen Wahlen.
Christopher Beaumont lebt in der Seigneurie: Das ist seit 1730 der Amtssitz, umgeben von einem wunderschönen, ummauerten Garten, der besichtigt werden kann. Er verbindet Historie und Moderne, möchte die Einwohnerzahl im Steuerparadies ohne Gesundheitsfürsorge, Sozialamt oder Arbeitslosenhilfe verdoppeln. Das Ziel: mehr Kompetenzen und Leben, eine größere Unabhängigkeit vom Tourismus.
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La Seigneurie ist seit 1730 Amtssitz des Seigneurs von Sark und umgeben von einem wunderbaren Garten.
© Quelle: Anja Bieler-Barth
Sark: Lichtverschmutzung gibt es nicht
Leise ist es auf Sark. Die unbeleuchteten Straßen sind nicht befestigt. Lichtverschmutzung ist ein Fremdwort. Autos rollen keine über das Eiland. Nur Traktoren, Kutschen, Fahrräder. Und der Toast Rack, also Toastständer, der treckergezogene Anhänger, der alle Besucherinnen und Besucher, ob arm oder reich, eng an eng sitzend vom Hafen hoch aufs Plateau ruckelt. So fängt Entspannung an.
Ein paar Lädchen gibt es, eine Handvoll Hotels/Gästehäuser, eine Pralinenmanufaktur, in der die goldgelbe Milch der Guernsey-Kühe zartschmelzend veredelt wird. Ein Muss: der Besuch der etwa 80 Meter hohen Landzunge hinüber zu Little Sark. La Coupée, ein schmaler Naturdamm, bietet atemberaubende Ausblicke auf die Natur. Hat Beaumont 2016 kurz überlegt, das Seigneurerbe seines Vaters nicht anzutreten? Er schüttelt besonnen lächelnd den Kopf. „You do your duty“, sagt er. Die Pflicht ruft.
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Die Milch der berühmten Guernsey-Kühe sorgt für die goldgelbe Butter.
© Quelle: Anja Bieler-Barth
Das Sarker Gefängnis bietet Platz für zwei Inhaftierte; in der Theorie. Im Mikrokosmos geht es aber friedlich zu. Das freut Reg Guille, Sprecher des Inselparlaments, der etliche Jahre auch Seneschal, der oberste Richter, war. In den Siebzigerjahren, so erinnert er sich, wurde ein bewaffneter Franzose überwältigt: „Er wollte die Insel übernehmen. Unser Constable bewunderte sein Gewehr und bezwang ihn mit diesem Trick. Sieben Jahre Haft in Frankreich und ein Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik folgten“ und bescherten der Insel wieder Sicherheit und eine Anekdote mehr.
Herm: Miniknast am Hafen
Noch kleiner ist der Knast auf der Nachbarinsel Herm, der geradezu einladend einen grandiosen Ausblick auf die Bucht bietet. Zuletzt nächtigte hier dem Vernehmen nach ein Tagesgast, der zu tief ins Glas geschaut und die letzte Fähre verpasst hatte.
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Das winzige Gefängnis auf Herm bietet gerade einmal Platz für eine Person.
© Quelle: Anja Bieler-Barth
Die Zahl der Betten ist überschaubar auf der zwei Quadratkilometer kleinen Insel, die man nach 20 Minuten Schifffahrt von St. Peter Port aus erreicht. The White House ist das einzige Hotel, rund 60 Menschen leben und arbeiten auf Herm. Man kennt und vertraut sich. Wer hinter sich die Tür abschließt, ist Touristin oder Tourist.
Strandparadies und Surferziel
Herm ist ebenfalls autofrei und ein wahres Strandparadies, lässt sich an einem Nachmittag zu Fuß umrunden und besitzt einen Campingplatz mit Weitblick. Belvoir Bay mit seinem feinen Sand und der benachbarte Shell Beach, bestehend aus Millionen kleiner Muschelfragmente, laden am Rand des bei Sonnenschein türkisblauen Wassers zum Entspannen ein.
In Guernseys 19.000-Einwohner-Metropole St. Peter Port geht es quirliger zu. Hier lebt die gebürtige Pinnebergerin Gaby Betley, die vor mehr als 30 Jahren als Au-pair nach Guernsey kam, sich verliebte, blieb und Touren anbietet. Durch die Gassen der Hafenstadt zum Beispiel.
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Die Deutsche Gaby Betley lebt seit mehr als 30 Jahren auf Guernsey und bietet hier Touren an.
© Quelle: Anja Bieler-Barth
Zu den putzigen Ladenlokalen, in denen sich Mitbringsel wie der legendäre Guernsey-Pulli gegen das Guernsey-Pound eintauschen lassen. Zu den Restaurants, in denen Fangfrisches die Speisekarten dominiert. Was sie hier fasziniert? „Die Offenheit der Menschen, das Gefühl von Sicherheit, die unendliche Schönheit der Natur“, sagt Gaby Betley und lächelt glücklich.
Zum Bingospiel ins Pub
Mit den Guernseyanern in Kontakt zu treten fällt in der Tat nicht schwer. Eine wunderbare Gelegenheit bietet ein Besuch im Pub. Hier wird eine witzige Form des Bingo kultiviert: Beim Meat Draw gibt es (unter anderem fangfrische) Lebensmittel zu gewinnen. Das ist eine Riesengaudi, bringt die Menschen ins Gespräch und sichert vielleicht sogar den Sonntagsbraten. Dabei ist sie deutlich spürbar, die englische DNA der Insel, die wie ihre Nachbarn doch auch im Rufe steht, not quite British, nicht ganz britisch, zu sein.
Tipps für deine Reise auf die Kanalinseln
Anreise: Aktuell gibt es noch nicht allzu viele Direktflüge von Deutschland nach Guernsey– meistens ist das Umsteigen in London nötig (Reisepass nicht vergessen!). Eine Alternative sind die Fährverbindungen ab England oder Frankreich.
Beste Reisezeit: Von Ostern bis Oktober bewegen sich die Temperaturen zwischen 13 und 21 Grad Celsius, Frühling und Herbst sind touristenärmer als der Hochsommer.
Attraktionen: Hauteville House, 38 Hauteville, St. Peter Port. Geöffnet: donnerstags bis dienstags 10 bis 16 Uhr (April bis September). Eintritt: Erwachsene zahlen 12 Pfund, also etwa 14 Euro, für Minderjährige ist der Eintritt frei.
Bei Ebbe empfiehlt sich eine Wanderung nach Lihou Island im Westen Guernseys, erreichbar über einen befestigten Pfad.
Im Frühling sollte Bluebell Wood auf Guernsey besucht werden, wo blaue Maiglöckchen den Boden nahezu flächendeckend überziehen.
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Im Frühjahr ein Traum in Blau: der Bluebell Wood auf Guernsey.
© Quelle: Anja Bieler-Barth
Little Chapel im Landesinneren von Guernsey ist gerade einmal knapp fünf mal drei Meter groß, geschmückt mit Muscheln und Scherben.
Die Reise wurde unterstützt von Visit Guernsey. Über Auswahl und Ausrichtung der Inhalte entscheidet allein die Redaktion.
Reisereporter