Venedig im Nebel: Der Zauber der Lagunenstadt
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Wenn sich der Nebel über Venedig legt, dann mutet die Lagunenstadt an der Adria fast unwirklich an.
© Quelle: Peggychoucair/pixabay
Vor zwei Stunden erst hat Petrus den wolkigen Tag ausgeknipst und es Nacht über Venedig werden lassen. Kurz darauf hat irgendwer in Windeseile einen Vorhang vor die Palazzi an den Kanälen gezogen, vor die kleinen Handwerkerhäuser im Cannaregioviertel, die Kirchen, die Gondeln an den Kais.
Durch den Dunst glimmen nur noch matt die Positionslichter eines Linienschiffes auf dem Canal Grande. Immer wieder lässt der Kapitän das Nebelhorn tuten, während das Boot fast unsichtbar bleibt und bald ganz verschwindet. Es schrumpft zu einem leiser werdenden Motorengeräusch ohne Kontur.
Die Natur zieht den Vorhang zu
Irgendwo wehen derweil ein paar Strophen Musik aus einem offenen Fenster herüber. Der Wind greift sich die Töne, verteilt sie in der Nachbarschaft, wirft sie über eine dunkle Brücke auf die andere Seite eines kleinen Kanals. Und irgendwie ist es, als fiele immer mehr von diesem grauen, fast undurchsichtig gewebten Vorhang vom Himmel. Längst müsste er sich auf dem Pflaster der Gassen türmen, und immer noch senkt sich unaufhörlich mehr davon herab. Noch Stunden wird es so gehen, die ganze Nacht über.
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Auf den vielen Brücken von Venedig wird es im Nebel genauso einsam wie in den engen Gassen der Stadt.
© Quelle: venedig-im-nebel
Immer wieder holt sich der Nebel die Stadt
Die Kapitäne, die Gondolieri, die paar Menschen auf den Straßen, die anderen zu Hause: In Venedig kennen sie das, es ist ganz normal im Herbst und im Winter. Immer wieder holt sich der Nebel, der meist zuerst draußen auf See aufzieht, die Stelzenstadt in der Lagune an der Adria. Geheimnisvoll ist das, ein bisschen gruselig sogar. Und Zauber hat es: Es ist die schönste Zeit in Venedig, weil all die Effekte so gut zusammenpassen, die Mischung aus Lichtern und Schleier, die Melancholie zur Bausubstanz.
Was das Ereignis so besonders macht: Der Zeitpunkt lässt sich nicht vorherbestimmen, niemand garantiert eine Wetterlage. Für die, die den Nebel während ihres Aufenthalts erleben, ist er Belohnung. Er kaschiert viele Wunden dieser Stadt und scheint sogar die Grenze zwischen Gegenwart und Vergangenheit aufzuheben, macht Antennen und Reklamen unsichtbar.
Eben noch waren in der Abenddämmerung die letzten Gondeln mit Touristinnen und Touristen auf dem Canal Grande unterwegs, jetzt liegen sie fest vertäut an ihren Stegen und tragen blaue Plastikkapuzen als Schutz vor Feuchtigkeit und Regen und allem, was noch kommen mag.
Die Gondolieri haben Feierabend
Die Gondolieri, die den ganzen Tag in ihren klischeehaften Streifenpullis mit übergeworfenen dunkelblauen Daunenjacken an ihrer Straßenecke gewartet und jeden fragend mit „Gondola? Gondola?“ angesprochen hatten, haben Feierabend gemacht. Gegen Dämmerung haben sie nichts, gegen Romantik schon gar nichts – aber der Nebel ist nicht ihr Geschäft. Da lohnt es sich nicht, länger auf Kundschaft zu warten. Und da wäre es auch zu gefährlich, sich auf die breiteren Kanäle hinauszuwagen, auf denen noch immer Motorboote unterwegs sind.
Wer derweil essen gegangen ist, sitzt drinnen in den beleuchteten und geheizten Lokalen, bestellt Pizza oder Risotto, Pasta mit Filetspitzen oder gegrillten Fisch mit Blattspinat und Walnüssen. Gestern noch war draußen fürs Abendessen eingedeckt, über den Schoß gab es auf Wunsch eine Wolldecke. An diesem Abend will das keiner mehr. Trotzdem ist nicht viel los in den Restaurants. Hotelgäste sind in ihren Quartieren geblieben und essen dort.
Wer eine der vielen Ferienwohnungen gemietet hat, hat am Nachmittag schnell eingekauft und kocht nun selbst im Quartier auf Zeit, hört Musik, knipst ab und zu alle Lichter aus, um aus dem Fenster hinaus in Nacht und Nebel zu schauen, diese Stimmung aufzusaugen, und sieht doch nur die Straßenlaterne vor der Haustür, die halb von Dunst und Schwaden verschluckt ist. Schritte hallen durch die Gasse, erst Stöckelschuhe in kurzen Abständen, dann der harte Klang glatter Ledersohlen. Irgendwo fällt eine Tür ins Schloss, von anderswo hallt der Neun-Uhr-Glockenschlag einer Kirche.
Leben auf dem Festland ist bequemer
Nur noch gut 58.000 Einwohnerinnen und Einwohner leben heute im historischen Zentrum, Gäste in den zahlreichen Hotels nicht mitgezählt. Noch vor wenigen Jahrzehnten waren es dreimal so viele. Sie haben ihrer Heimat den Rücken gekehrt, sind oft einfach in den Stadtteil Mestre auf dem Festland umgezogen, der häufig sogar als eigene Stadt bezeichnet wird. Das Leben ist dort bequemer, sie können mit dem Auto vor der Haustür parken, müssen Pastapackungen und Getränkekisten nicht Hunderte Meter weit schleppen. Neblig kann es auch dort mal sein. Nur der Zauber fehlt. Der ist der Altstadt in der Lagune vorbehalten.
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Wenn sich der Nebel in den Kanälen von Venedig ausbreitet, ist oft nur noch der schwache Schein der Lampen zu sehen.
© Quelle: Remi22/pixabay
Wer spätabends noch durch diesen Dunst spaziert, der setzt mancherorts die Schritte wie ins Nichts, kommt an dunkleren Ecken nur langsam voran und muss immer wieder herausfinden, ob er den Fuß wieder aufs Pflaster platziert oder schon daneben ins Wasser. Kommt ihm ein Spaziergänger mit Hund entgegen, kann er anhand des Basses oder Baritons beim Wuffen raten, was für ein Exemplar sich da denn wohl gleich in nächster Nähe offenbaren werde. Und lichtete sich jetzt der Schleier plötzlich um einen Menschen mit dunklem Umhang und venezianischer Maske: Alles würde zusammenpassen.
Schon am nächsten Morgen ist alles vorbei
Am nächsten Morgen scheint die Kirchenglocke anders zu klingen: irgendwie leichter, heller, beschwingter. Alles Einbildung. Aber der Nebel ist weg und es ist wie so oft: Er war das Phänomen eines Abends, einer Nacht, dann ist der Vorhang verschwunden, die Sonne wieder da – oder wenigstens eine Wolkendecke.
Die Kirche von nebenan spiegelt sich wieder in der Pfütze vor der Haustür, und zwei Straßenecken weiter liegen die Gondeln abfahrbereit ohne die blauen Kapuzen vom Vorabend am Kai. Irgendwer ruft „Gondola? Gondola?“, jemand anders antwortet „si“ und „prego“ und versucht noch kurz, beim Preis etwas zu machen. Der ganz normale Alltag hat Venedig wieder.
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Anreise: Von verschiedenen deutschen Flughäfen gibt es Direktflüge nach Venedig. Direkt vom Marco-Polo-Airport aus setzen private Wassertaxis und Linienschiffe ins historische Zentrum über. Die Anreise per Zug gestaltet sich aus Deutschland noch recht kompliziert und ist mit vielen Umstiegen verbunden. Es gibt aber ab Verona Porta Nuova eine Verbindung nach Venedig.
Unterkünfte: Verschiedene Anbieter haben Ferienwohnungen in historischen Gebäuden in Venedig im Programm. Die Preise schwanken stark je nach Größe, Lage, Ausstattung und Reisezeit und beginnen bei etwa 450 Euro pro Woche. Hotelübernachtungen im Doppelzimmer gibt es in der Nebensaison ab unter 70 Euro pro Nacht.
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