Pizza, Babys und Amore: 9 Irrtümer über Italien
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Wahrheit oder Klischee? Die Italiener untermalen ihre Argumente gerne mit Handbewegungen.
© Quelle: imago images/YAY Images
Von Pizza und Spahetti haben die meisten Deutschen bis zu den 50er-Jahren noch nie etwas gehört. Dann blühte der Tourismus auf und Italien etablierte sich zu einem der beliebtesten Reiseziele deutscher Urlauberinnen und Urlauber. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich dabei so manches Klischee über Italien festgesetzt. Der reisereporter entlarvt die größten Vorurteile und Irrtümer.
1. Die Pizza wurde in Italien erfunden
Einer italienischen Legende zufolge hat Pizzabäcker Raffaele Esposito 1889 die erste Pizza in Neapel gebacken – zu Ehren von Margherita, der Ehefrau von König Umberto I. Für den Belag soll er sich die italienischen Landesfarben zum Vorbild genommen haben: Basilikum (grün), Mozzarella (weiß) und Tomaten (rot). Scheinbar ein echtes Erfolgsrezept: „Pizza Margherita“ ist bis heute die weltweit bekannteste Pizza-Variante.
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Italienisches Handwerk: Der Beruf des Pizzaiolos hat eine jahrhundertealte Tradition.
© Quelle: PantherMedia/Arne Trautmann
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Tatsächlich wurde der italienische Hof aber schon zuvor mit Pizza beliefert, das belegen Recherchen von Historikern. Die Königsgattin hatte aus einer Liste mit 35 Belägen acht Favoriten ausgewählt, die dann von verschiedenen „Pizzaiolos“ gebacken wurden. Esposito war also nicht der erste Pizzabäcker – anders als die anderen Hoflieferanten konnte er lediglich eine Empfangsbestätigung vorweisen.
Die Ursprünge des belegten Teigrunds gehen aber noch viel weiter zurück. Die Assyrer hatten schon 2000 Jahre vor Christus einen Teig mit Fleischbelag gebacken. Im fernen Osten entwickelte sich daraus der heutige Lahmacun.
Die heutige Pizza war also schon erfunden, bevor sie die Italiener kultivierten. Ob sich die italienischen Köche die Urform der Pizza einst zum Vorbild nahmen, ist unklar. Nachgewiesen ist nur, dass schon im 18. Jahrhundert erste pizzaähnliche Gerichte mit Tomaten, Oregano und Basilikum in Italien gebacken wurden.
Trotzdem kann sich das Land etwas auf die Zubereitung des beliebten Gerichtes einbilden: Die „neapolitanische Kunst des Pizzabackens“ steht seit 2017 auf der Unesco-Liste des Immateriellen Kulturerbes.
2. Speiseeis wurde in Italien erfunden
Nein, wie die Pizza wurde das Speiseeis aber unter anderem in Italien kultiviert. Dort fanden Forscher ein Schriftstück von 1692 mit Eis-Rezepten. Zutaten: Zucker, Salz, Zitronensaft, Zimt, Schokolade, verschiedene Früchte – und Schnee. Knapp 100 Jahre später veröffentlichte der Neapolitaner Filippo Baldini das erste Eis-Rezeptbuch.
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Eisdiele in Venedig: Wo das Speiseeis erfunden wurde, ist noch immer ungeklärt.
© Quelle: imago images/Tom Norring / Danit
Belege für Eisrezepte im 18. Jahrhundert wurden aber auch in Frankreich und den USA gefunden. Das liegt möglicherweise an Weltentdecker Marco Polo, der die Eis-Herstellung mit Schnee und Salpeter bereits im 13. Jahrhundert in China beobachtet und niedergeschrieben hatte. Das asiatische Rezept könnte daraufhin in Europa die Runde gemacht haben.
Dagegen sprechen allerdings einige ältere Eisrezepte aus dem antiken Rom und dem arabischen Raum. Wo das Speiseeis genau erfunden wurde, lässt sich also nicht endgültig belegen.
3. Italienerinnen bekommen die meisten Kinder
Familientreffen in Italien wirken aus deutscher Sicht wie eine Großveranstaltung. Möglicherweise ist die Personenzahl, die sich in vielen italienischen Familien zu besonderen Anlässen um den Essenstisch versammelt, auch Ursprung dieses Klischees: Die Italienerinnen und Italiener bekommen die meisten Kinder.
Ein Blick in die Fertilitätsraten in der Europäischen Union widerlegt dieses Vorurteil jedoch. Laut der Datenplattform Statista bekam 2020 jede gebärfähige Italienerin im Durchschnitt 1,4 Kinder. Damit liegt Italien auf Platz 25. Spitzenreiter sind Frankreich (1,83 Kinder), Rumänien (1,8) und Tschechien (1,71). Sogar die deutsche Fertilitätsrate (1,53, Rang 15) liegt über der Geburtenzahl in Italien.
4. Amore! Italiener haben am häufigsten Sex
Das Klischee vom italienischen Macho, der beinahe jede Frau im Handumdrehen um den Finger wickelt, wurde möglicherweise von neidischen deutschen Männern verbreitet. Augenscheinlich tritt man(n) beim Flirten hierzulande jedenfalls deutlich weniger leidenschaftlich auf – oder ist das auch bloß ein Klischee?
Fest steht: „Flirt-Erfolgsquoten“ sind naturgemäß nur schwer zu ermitteln. Eine Datengrundlage lieferte 2006 aber eine Umfrage des Kondomherstellers Durex, in der rund 22.000 Menschen weltweit zu ihrem Sexualverhalten befragt wurden.
Ergebnis: Die Griechen haben pro Woche durchschnittlich 3,2-mal Sex und stehen damit an der Spitze der Statistik. Danach folgen die Brasilianer (2,8-mal pro Woche) und die Russen (2,7). Italien belegt mit 2,3 Akten pro Woche nur Rang zehn – liegt aber immerhin vier Plätze vor den Deutschen (2,2).
5. Italiener sprechen nur Italienisch
Ähnlich wie in Deuschland unterscheiden sich die italienischen Dialekte auch im Norden, in der Mitte und im Süden Italiens. Besonders deutlich heben sich die sizilianischen und neapolitanischen Formen vom Standarditalienisch ab, weshalb sie als eigene Regionalsprache gelten.
Im hohen Norden Italiens ist auch Deutsch als Landessprache staatlich anerkannt – ebenso wie Französisch im Westen und Slowenisch im Nordosten. In den italienischen Schulen wird standardmäßig Englisch und Französisch unterrichtet.
6. Rom ist die größte Stadt in Italien
Anders, als viele Menschen vermuten, ist die italienische Hauptstadt nicht die größte Stadt in Italien. Rom zählt inklusive Umland vier Millionen Einwohnerinnen und Einwohner und ist zahlenmäßig damit kleiner als die Metropolregionen von Mailand (7,4 Millionen Einwohnerinnen une Einwohner) und Neapel (4,4 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner). Rom belegt also nur den dritten Platz.
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Abendlicher Blick über Rom: Ist die Hauptstadt auch die größte Metropole Italiens?
© Quelle: imago images/Bilddirekt
7. Venedig hat die meisten Brücken
Eigentlich liegt es auf der Hand: In Venedig muss es weltweit die meisten Brücken geben. Wie sonst sollten die Bewohnerinnen und Bewohner der berühmtem Wasserstadt Einkäufe erledigen, zur Arbeit fahren oder Freunde besuchen?
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Der Canale Grande in Venedig: Ohne die vielen Brücken könnten sich die Menschen nur auf Booten fortbewegen.
© Quelle: imago images/robertharding
Das scheinbar Offensichtliche ist allerdings ein Irrtum: Viel mehr Brücken gibt es zum Beispiel in Amsterdam. Über die niederländischen Kanäle führen dort 1400 Brücken. Noch mehr Brücken wurden in der österreichischen Hauptstadt gebaut: Wien zählt 1716 Brücken. Die meisten Brücken weltweit gibt es aber hierzulande. Hamburg hat nach eigenen Angaben 2500 Brücken. Genau genommen trifft der nicht ganz ernst gemeinte Spitzname „Venedig des Nordens“ also gar nicht auf die Hansestadt zu – vielmehr müsste sich Venedig als das „Hamburg des Südens“ bezeichnen.
8. Pisa hat den schiefsten Turm
Der schiefe Turm von Pisa ist sicherlich das berühmteste geneigte Gebäude der Welt. Doch der schiefste Turm der Welt ist er mit einer Neigung von 3,97 Grad bei Weitem nicht, der steht nämlich in Rheinland-Pfalz: Durch die Neigung von 5,4277 Grad geht der Rekord an die Gemeinde Gau-Weinheim im Landkreis Alzey-Worms.
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Der Schiefe Turm von Pisa ist zwar schief, aber da geht noch mehr. Eine Frau bestaunt den hübschen weißen Turm.
© Quelle: imago images/lightpoet
Und auch neben dem Rekordhalter gibt es in Europa noch so einige Türme, die schiefer sind als der in Pisa. Nur vielleicht nicht ganz so prachtvoll dabei.
9. Italien ist das liebste Urlaubsland der Deutschen
Dieser Fakt ist schon seit den späten 60er-Jahren überholt. Auf ihren ersten Urlaubsreisen in den 50er-Jahren zog es deutsche Touristinnen und Touristen – abgesehen von Zielen in Deutschland – zunächst nach Österreich. Danach wurde Italien tatsächlich für einige Jahre zum größten Sehnsuchtsziel der Deutschen. Doch in den späten 60er-Jahren wurde der Spitzenreiter von Spanien abgelöst. Das lag vor allem am Neckermann-Katalog, in dem günstige Pauschalreisen nach Mallorca angeboten wurden – der Beginn des Massentourismus.
Eine Tourismusanalyse der „Stiftung für Zukunftsfragen“ für 2022 zeigt ähnliche Verhältnisse. Demnach planten oder planen in diesem Jahr 7 Prozent aller Deutschen eine Reise nach Spanien – Italien liegt mit 5,6 Prozent dahinter. Das beliebteste Reiseland ist aber weiterhin die Heimat: 30 Prozent der Befragten gaben an, innerhalb Deutschlands verreisen zu wollen.
Reisereporter