Sächsische Schweiz: Entschleunigung im Winterdorf
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Auch in kalten Jahreszeiten sehenswert: Das Winterdorf in Schmilka.
© Quelle: Lisa Neumann
Die Stimme von Frank Sinatra schallt durch den Innenhof. Die Beleuchtung und die großen Herrnhuter Sterne tauchen den kleinen Platz in ein warmes gelbbraunes Licht. Ein Paar sitzt aneinandergeschmiegt am Feuer, unterhält sich in gedämpfter Lautstärke, andere trinken einen Glühwein. Plötzlich wird die heimelige Stimmung von einem gedämpften Aufschrei unterbrochen.
Eine prickelig erfrischende Dusche
Der Laut kommt von einem der Badezuber, in dem eine junge Frau eine kalte Dusche abbekommt – freiwillig. Dan Herning (32) nimmt den zweiten großen Tonkrug und gießt den Inhalt der jungen Frau auch über den Rücken. Sie zuckt kurz zusammen, genießt aber die kühle, prickelnde Bierdusche. „Ja, das ist Bier“, bestätigt Herning.
Er ist Bademeister des malerischen Winterdorfes im Ortsteil Schmilka im sächsischen Bad Schandau, an der Grenze zu Tschechien. Mitten im Nationalpark Sächsische Schweiz gelegen, bietet das mystisch wirkende Dorf in der kalten Jahreszeit einen Ort zum Entspannen, Wandern und Abschalten.
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Eine etwas andere Art der Entspannung ist die kühle und erfrischende Bierdusche.
© Quelle: Lisa Neumann
Herning kümmert sich in dem kleinen verschlafenen Dorf um die Sauna, die Freiluft-Badezuber und steht manchmal hinter der Theke und zapft das selbst gebraute Bier aus der Brauerei gegenüber. Er arbeitet erst seit ein paar Wochen im Winterdorf, ist aber schon voll in seinem Element. „Das ist doch toll hier“, sagt er. Der 32-Jährige, in beigefarbener Leinenhose, weitem dunkelbraunem Hemd und mit kleiner Zipfelmütze auf dem Kopf fügt sich gut in das urige Ambiente des Dorfes ein.
Herning ist gelernter Metallbauer, absolvierte aber vor einigen Jahren die Umschulung zum historischen Bademeister, angelehnt an die Bademänner aus dem Mittelalter. Der Vater von zwei Kindern hat auch daheim einen eigenen Badezuber. Bier, wie im Winterdorf, kommt aber nicht ins heimische Badewasser.
„Das prickelt aber so herrlich“, sagt Hannah Clever. Der Frau aus Wuppertal gefällt es im Dorf. „Schön, wenn man den Tag über wandern und sich abends entspannen kann“, sagt sie.
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Dan Herning sorgt als historischer Bademeister dafür, dass sich Gäste entspannen – zum Beispiel bei einer Bierdusche im Freiluft-Badezuber.
© Quelle: Lisa Neumann
Eine Wanderung zum Genießen
Am Tag hat die 26-Jährige mit Nationalparkführerin Alrun Flechsig eine Wanderung durch das Elbsandsteingebirge unternommen. Charakteristisch für das Gebirge sind seine steilen Anstiege. „Weil das alles Steinbrüche waren, sind die Bruchkanten so hart“, erklärt Flechsig zum Auftakt der Wanderung. Hat man die Steigung aber erst einmal hinter sich gebracht, „ist der Weg danach überwiegend flach“. Und richtig: Der Großteil der folgenden zwölf Kilometer langen Strecke hat wenig Steigungen.
Die Wanderung endet mitten im Wald an einer Boofe, einem Felsvorsprung, der den Wanderern Schutz bieten soll. Alrun Flechsig setzt ihren Rucksack ab und packt einen Campingkocher, einen Topf und Weißwein aus. „Wer möchte einen Glühwein?“, fragt sie. Mittlerweile ist es dämmrig geworden und die Hände sind ein wenig kalt geworden. Ein Glühwein kommt den Wanderern gerade recht. Mit Zimt, Sternanis und Orangensaft peppt die 52-Jährige den warmen Wein auf. „Lecker“, befindet Hannah Clever und nippt an dem Becher.
Alrun Flechsig reicht noch eine Brotdose mit selbst gebackenem Stollen herum. „Könnte nicht besser sein“, sagt Clever und lächelt. Am Feuer erzählt Flechsig vom Wald um sie herum: Wanderfalken, Schwarzstörche und Luchse leben dort. Auch ein seltenes gelbes Veilchen habe die Nationalparkführerin schon entdeckt. Flechsig ist seit 15 Jahren Nationalparkführerin. Sie wandert schon seit ihrer Kindheit. Die Sächsische Schweiz lernte sie bei einem Urlaub mit ihren Eltern kennen – und lieben. „Es ist hier so abwechslungsreich“, erklärt sie.
Traditionelle Backstuben
Für Hannah Clever und ihre Mitwanderer geht es zurück ins Dorf. Doch bevor sie am Abend ihre müden Füße in die Badezuber hängen, kehren sie in der alten Mühle ein. In der hellen Holzstube, die mit ihren karierten Tischdecken, den leuchtenden Sternen und der leisen Musik einer Almhütte gleicht, warten wagenradgroße Kuchen auf die Wanderer. Wie das Bier kommen auch die Kuchen und die Brote vom Frühstück aus der eigenen Backstube von gegenüber.
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In der Backstube von Lutz Philipp läuft es auch ohne die modernsten Techniken.
© Quelle: Lisa Neumann
Wenn die Wanderer Mohn- und Streuselkuchen essen, hat Bäcker Lutz Philipp schon Feierabend. Um fünf Uhr morgens beginnt sein Arbeitstag. Im Dorf ist es zu dieser Zeit noch dunkel. Nur durch die Fenster der Backstube fällt dann ein fahles Licht auf die Pflasterwege. Die Stube selbst ist dagegen hell erleuchtet und im Gegensatz zur morgendlichen Kälte angenehm warm. Der Duft von frisch gebackenem Brot hängt in der Luft. „Ich habe gerade die ersten Laibe fürs Frühstück rausgeholt“, erklärt Philipp, öffnet den Holzofen und lockert die Holzscheite auf.
Die kleine Backstube mit ihren massiven, ockerfarbenen Steinwänden erinnert an eine andere Zeit – eine Zeit ohne Technik, ohne Autos und ohne Hektik. Auf Holzregalen warten die Brotformen auf den frischen Teig, die Kuchen ruhen auf Holzplatten und die Brötchen verschwinden hinter den eisernen Ofentoren. Nur die Knetmaschine in der Ecke deutet auf das 21. Jahrhundert hin. Das gesamte Dorf wirkt wie ein kleiner, in sich geschlossener Kosmos. Auch die Geschichten der Bewohner wirken wie aus der Zeit gefallen.
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Zu den Spezialitäten der Gegend gehören die riesigen Kuchen aus der Backstube von Lutz Philipp.
© Quelle: Lisa Neumann
Gern erzählen die Dorfbewohner, dass die Männer bei der Arbeit im Steinbruch oder später bei der Holzarbeit sechs bis acht Liter Bier trinken mussten. Damals, etwa um 1900, bemerkten die Menschen, dass sie dank des Bieres weniger krank wurden. Erst später fand man heraus, dass durch das Bierbrauen viele Keime im Wasser abgetötet wurden. Doch der Alkoholgehalt ist durch die kürzere Gärung nicht mit dem heutigen vergleichbar.
Aus den Gesteinsbrocken der Sächsischen Schweiz wurden viele bedeutende Gebäude errichtet: Das Hamburger Rathaus zählt dazu, ebenso wie das Brandenburger Tor in Berlin. Den Namen bekam die Region übrigens durch zwei Schweizer Maler, die sich durch die Landschaft an ihre Heimat erinnert fühlten. Hannah Clever dagegen hat ihre Heimat für einen Moment vergessen und möchte lieber im Hier und Jetzt leben: „Die Badezuber sind einfach toll“, sagt sie mit einem Lächeln und gleitet in das warme Wasser.
Tipps für deine nächste Reise in die Sächsische Schweiz:
Anreise: Mit dem Zug nach Pirna. Von dort geht es mit der S-Bahn nach Schmilka-Hirschmühle. Dann setzen Reisende mit der Fähre über die Elbe, linker Hand geht es zum Winterdorf. Mit dem Auto fährt man über die A 17 in Richtung Pirna. Auf der B 172 der Ausschilderung bis Bad Schandau, Ortsteil Schmilka folgen.
Beste Reisezeit: Das Winterdorf in Schmilka ist von Mitte Oktober bis Mitte März geöffnet.
Ausflüge: Für Abenteurer empfiehlt sich die fünfstündige Winterwanderung begleitet von Nationalparkführern. Unterwegs wird Glühwein oder Punsch serviert. Weil die Wanderung in der Abenddämmerung stattfindet, werden Stirnlampen ausgeteilt. Weitere Informationen gibt es im Aktiv-Zentrum in Bad Schandau.
Auch die Festung Königstein ist einen Besuch wert. Sie ist die einzige in Sachsen, die wegen ihrer hervorragenden Verteidigungslinie nie angegriffen wurde.
Sonstiges: Bei einer Buchung von sieben Tagen werden die Kosten für die An-und Abreise mit der Deutschen Bahn aus der gesamten Bundesrepublik vom Winterdorf übernommen.
Veranstalter: Sechs Orte in der Sächsischen Schweiz (Bad Schandau, Rathen, Bad Gottleuba-Berggießhübel, Pirna, Königstein und Schmilka) bieten ein thematisch aufeinander abgestimmtes Programm an – die Wintertraumorte. Das Winterdorf Schmilka bietet auch Pauschalangebote an. Ein Aufenthalt am Wochenende für zwei Personen ist ab etwa 300 Euro buchbar.
Reisereporter