Elbphilharmonie: Hamburgs neues Wahrzeichen
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Die Elbphilharmonie überthront die alte Speicherstadt: Ein Wahrzeichen mit weltweitem Potenzial.
© Quelle: imago/Westend61
Das neue Wahrzeichen Hamburgs ist 866 Millionen Euro teuer, hat als Herz einen schwebenden Konzertsaal und kann sich vor Superlativen kaum retten. Hier gibt es den atemberaubendsten Blick über die Elbe, die teuersten Wohnungen der Stadt, das spektakulärste Hotel – und eines der weltweit eindrucksvollsten Klangerlebnisse.
Schon bei der ersten Akustikprobe im Großen Konzertsaal stellten die Musiker unisono fest: „Hier wollen wir nie wieder weg.“ Und bei allen waren die Tränen geflossen wegen des überwältigenden Klanges. Und Bürgermeister und Ohrenzeuge Olaf Scholz, sonst die staubtrocken-hanseatische Zurückhaltung in Person, stellte fest: „Das ist der helle Wahnsinn.“
Das kann man so sagen. Nach zehn statt drei Jahren Bauzeit und immer neuen Skandalen um die raketenartig steigenden Kosten (ursprünglich waren 186 Millionen Euro angesetzt) thront das Wunderwerk jetzt in seiner vollen Pracht 110 Meter über der Elbe. Am 11. Januar 2017 wurde es endlich offiziell eröffnet.
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Direkt an der Kehrwiederspitze im Hafen haben die Schweizer Stararchitekten Pierre de Meuron und Jacques Herzog den spektakulären Glasneubau wie eine riesige Welle auf einen alten denkmalgeschützten Backsteinspeicher gebaut. Und in Hamburg fragt kein Mensch mehr nach den Kosten – sondern nur noch: Wie kommen wir da rein?
Als der Vorverkauf ein halbes Jahr vor der Eröffnung begann, brachen unter der Nachfrage sofort die Server zusammen und vor den klassischen Verkaufsstellen stauten sich die Hanseaten in langen Warteschlangen wie früher DDR-Bürger, wenn es ausnahmsweise mal Bananen gab.
Anfang November 2016 wurde die Plaza eröffnet, das Panorama-Zwischendeck der Elbphilharmonie, das in 37 Meter Höhe auf dem alten Backsteinspeicher und unter dem spektakulären Glasaufbau liegt. Von hier hast du einen 360-Grad-Panoramablick auf die Kirchtürme der City, das Weltkulturerbe der Speicherstadt und den riesigen Containerhafen.
Eindrucksvoll ist bereits der Weg zur Aussichtsetage – wenn man die Rolltreppe statt einen der elf Aufzüge nimmt. Die „Tube“ hat die Rekordlänge von 80 Metern und ist weltweit die einzige Rolltreppe, die einen Bogen fährt.
Die riesigen Glaswände im Süden und Norden der Plaza dienen als Windschutz und können je nach Wetterlage geöffnet oder komplett geschlossen werden. „Die Menschen, die hier hoch kommen, stehen erst einmal mit offenem Mund da“, sagt Jack Kurfess, der kaufmännische Direktor der „Elphi“, wie die Hamburger ihr neues Wahrzeichen der Kürze halber nennen.
Dabei beginnt das eigentliche Spektakel erst oberhalb der Plaza. In dem gläsernen, 200 000 Tonnen schweren Neubau darüber, hängt der Konzertsaal mit 2100 Plätzen wie eine Bienenwabe. Um den Musikgenuss nicht von den Vibrationen der vorbeifahrenden Schiffe trüben zu lassen, wurde die Stahlträgerkonstruktion auf riesigen Federn gelagert – und damit vom Rest des Gebäudes abgekoppelt.
Wie in einem steilen Stadion sitzt das Publikum im Großen Saal rund um und über der zentralen Orchesterbühne. Höchstens 30 Meter ist jeder Zuschauer vom Dirigenten entfernt und damit den Musikern so nah wie in keinem anderen Konzerthaus der Welt.
Einer der international bekanntesten Akustiker, der Japaner Yasuhis Toyota, hat den Raumklang mit 3-D-Programmen am PC berechnet und den Großen Saal im Maßstab 1:10 als Modell bauen und mit Mikrophonen ausstatten lassen, um so den Klang zu perfektionieren. Als Resultat überzieht die mittlerweile berühmte „Weiße Haut“ das Innere des 30 Meter hohen Konzertsaals. Sie besteht aus rund 10 000 unterschiedlich großen und schweren Gipsfaserplatten, jede mit einer individuell am Computer berechneten und dann gefrästen Oberfläche, um den Schall optimal zu streuen. Dieser in Deutschland einzigartige Aufwand soll die Elbphilharmonie zu einem der zehn besten Konzerthäuser der Welt machen. Nun muss die Bühne der Superlative nur noch Weltklasse-Orchester und Spitzen-Dirigenten an die Elbe holen. Begeisterung und ein für klassische Musik beispielloser Andrang sind für die ersten Jahre jedenfalls garantiert.
Neben den beiden Konzertsälen beherbergt der glitzernde Glasgigant über der Elbe ein Hotel mit 244 Zimmern auf 19 Ebenen – wobei die oberen Räume und Suiten mit ihren bodentiefen Fenstern einmalige Ausblicke liefern. Das gilt auch für die 44 Wohnungen, die über den beiden Konzertsälen zwischen dem elften und 26. Stock liegen. Mit bis zu 35 000 Euro pro Quadratmeter sind es nicht nur die höchstgelegenen, sondern auch die teuersten Apartments der Metropole.
Nach ihrer Eröffnung soll die Elbphilharmonie zu Hamburgs größter Touristen-Attraktion werden. Die örtliche Kulturbehörde rechnet mit zwei Millionen Menschen, die jährlich die öffentlich zugängliche Plaza besichtigen werden, andere Schätzungen gehen von bis zu sieben Millionen Touristen aus.
Die „Elphi“, da ist sich Hamburgs Tourismus-Chef Michael Otremba sicher, wird dabei helfen, die Hansestadt auch weit über Deutschland hinaus bekannt zu machen. „In Asien oder den USA wissen viele gar nicht, wo Hamburg genau liegt“, sagt der 45-Jährige, „bislang fehlte der Stadt eine Strategie für internationale Touristen. Ich glaube, da wird uns die Elbphilharmonie wahnsinnig helfen. Das ist ein Motiv, das um die ganze Welt geht – genauso wie die berühmte Oper von Sydney.“
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