Sri Lanka: Erschaffe ein Paradies im Dschungel
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Der Blick aus der Lodge: Wer hier residiert, kann Natur pur genießen.
© Quelle: Friederike Ostermeyer
Paradies im Dschungel
Wann immer neue Gäste nach Singharaja Garden im Südwesten Sri Lankas kommen, ist es meist derselbe Satz, der sofort aus ihnen herausbricht: Was für ein Paradies! Dann lächeln Edna Möllers und Alfons Stücke. Denn ein Paradies, das ist ihre kleine auf einem Hügel gelegene Eco Lodge mitten im Dschungel, am Rande des letzten intakten Regenwalds von Sri Lanka wirklich. Wenn nach einem tropischen Gewitter der Nebel über die Millionen Nuancen des satten, von frischen Sonnenstrahlen erleuchteten Grüns emporsteigt oder Frösche, Grillen und Eulen nach Einbruch der Dunkelheit ihr lautes Konzert beginnen, wird einem plötzlich klar, warum dieses kleine Fleckchen Erde so vollkommen ist: es ist nahezu unberührt.
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Einfach mal die Seele baumeln lassen: Bei dieser Aussicht lässt es sich gut abhängen.
© Quelle: Friederike Ostermeyer
Der Blick über den Dschungel, der sich fast unwirklich sanft über die geschwungene Landschaft schmiegt, ist zweifellos die Hauptattraktion. Logenplätze für die Show sind zwei gemütliche Hänge-Stühle auf der überdachten Terrasse, worin du dich sanft hin und her schaukelnd dem Naturschauspiel hingeben kannst. Hier wirkt die Kitsch-Phrase „Seele baumeln lassen“ alles andere als abgedroschen. Im Gegenteil, eine bessere Beschreibung könnte es kaum geben.
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Aufgebaut aus Ruinen
Doch das Regenwald-Nest, in das sich Gäste aus aller Welt seit knapp sieben Jahren kuscheln können, war nicht immer so anheimelnd. Bis es entstehen konnte, waren da erst ein Tsunami, ein singhalesisches Patenkind und zwei ausgebrannte Menschen auf der Suche nach neuem Lebenssinn. Dazu etwas Glück und schließlich eine Vision: „Ende der 90er steckte ich in einer tiefen persönlichen Krise“, erinnert sich Alfons Stücke. Beruflicher Burn-Out, Klinik-Aufenthalt und ein zermürbender Scheidungskrieg hoben sein bisheriges Leben gehörig aus den Angeln. Auch Edna Möllers, seine neue Frau und Gefährtin erkannte, dass etwas passieren musste. Und es passierte etwas.
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Die Lodge integriert sich in ihre Umgebung, um nicht das Bild des Dschungels zu zerstören, der sie umgibt.
© Quelle: Friederike Ostermeyer
Nichts mehr zu verlieren
2004 rollte ein heftiger Tsunami über das ohnehin schon bürgerkriegsgeschüttelte Land. Dann war da noch ein Junge namens Anura, das Patenkind befreundeter Nachbarn, der einmal im Jahr aus Sri Lanka zu Besuch kam. Wann immer er von seiner Heimat erzählte, spürten Edna und Alfons sofort eine besondere Verbundenheit zu dem Land, ohne je dort gewesen zu sein. So ist es auch Anura zu verdanken, dass die Idee entstand, nach Sri Lanka zu gehen, um dort den Flutopfern zu helfen. Was gab es schon zu verlieren?
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Ein Naturbecken-Pool mitten im Dschungel: Wo im Sommer bis zu 30% Luftfeuchtigkeit herrschen, kommt eine Erfrischung gerade richtig.
© Quelle: Friederike Ostermeyer
Wenn Ressourcen heilig sind
Nachdem sie ihren kompletten Jahresurlaub dafür genutzt hatten, um bei verschiedenen Entwicklungshilfeprojekten mitzuarbeiten, entstand nach und nach der Traum von einer eigenen Öko-Lodge. Ein Ort, an dem die Dorfbewohner eingebunden und überdurchschnittlich bezahlt werden, wo Tourismus im Einklang mit der Natur stattfindet, wo der Anbau von Zimt, Tee, Passionsfrucht und Ananas ein kleines Extraeinkommen beschert, wo kein Raubbau betrieben wird und keine Ressourcen verschwendet werden. Ein Paradies eben.
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Hölzer und Naturstein dominieren die Räumlichkeiten der Lodge und sorgen für ein naturnahes Wohnerlebnis.
© Quelle: Friederike Ostermeyer
Von der Straße zur Lodge-Managerin
Beide waren damals Mitte 40, als sie ihre wagemutige Vision anpackten. Ein Alter, wo andere beginnen sich langsam zurückzulehnen, weil die Kind-Haus-Karriere-Aufgaben bereits erledigt sind. Nicht bei Edna und Alfons. Sie konnten zwischen Zusammenbruch oder Neuanfang entscheiden. Sie wählten den Neuanfang und legten einfach los. Langsam verwandelte sich das Gefühl des Ausgebrannt-seins in neue Energie. Wenig später lernten sie durch Anura Kamani Lasanthi Jayasinghe, eine verstoßene, obdachlose Witwe und ihre drei Kinder kennen.
Der Wunsch, dieser Familie zu helfen und einige Zufälle brachten sie schließlich zu dem drei Hektar großen Grundstück, wo heute die 2010 eröffnete Lodge steht. Kamani ist heute eingetragene Geschäftspartnerin und Besitzerin. Eine der Töchter, die mittlerweile 21-jährige Shashika, soll die Lodge in ein paar Jahren komplett managen. Damit wird das Projekt in der Hand jener Familie liegen, die noch bis vor wenigen Jahren ohne Dach über dem Kopf am Straßenrand ihr Leben fristete. Und zwar ganz bewusst unter weiblicher Führung.
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Kamani und ihre Kinder waren einst obdachlos. Bei Edna und Alfons haben sie ein neues Zuhause gefunden.
© Quelle: Friederike Ostermeyer
Ökostrom und handgefertige Möbel
„Endlich hat sich so etwas wie Routine eingestellt und ja, wir sind glücklich, auch wenn nicht immer alles einfach war“, erzählt Edna. Bis zu acht Gäste haben in ihrer Lodge Platz, in großzügigen Einzelbungalows mit Naturpool oder im Gästezimmer des Haupthauses. Eingerichtet mit handgefertigten, traditionellen Möbeln aus der Werkstatt eines umliegenden Dorfes, der Strom kommt von der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach, einen Fernseher suchst du vergeblich, wenn du ihn denn überhaupt vermisst.
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Ohne die Natur des Dschungels zu beeinflussen, schmiegt sich die Lodge an ihre Umgebung.
© Quelle: Friederike Ostermeyer
Frühstück und Abendessen werden gemeinsam eingenommen. Dann erzählen Edna und Alfons, mittlerweile Anfang 50, von ihrer Zeit vor und nach Sri Lanka und ihrem kleinen Paradies. Dabei werden sie nicht müde, bei jedem Gast von vorne zu beginnen. „Wie hatten beiden unsere tiefen Krisen“, erzählen sie. „Heute sind wir hier und das ist gut so. Wir lieben, was wir tun.“
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Entspanntes Yoga in der Morgensonne: Edna bietet täglich mehrere Kurse an.
© Quelle: Friederike Ostermeyer
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Yoga geht auch weniger entspannt, dafür mehr sportlich: Edna weiss was sie tut!
© Quelle: Friederike Ostermeyer
Morgen-Yoga und Urwald-Exkursionen
Es gibt Gäste, die wollen einfach nur ihre Ruhe, machen es sich in ihrem Bungalow gemütlich, lauschen den Stimmen des Dschungels, nehmen an Yoga-Stunden mit Edna teil oder gönnen sich eine ihrer angebotenen Ayurveda-Behandlungen. Andere wiederum wollen durch den Urwald streifen oder mit dem Kajak über den Bentota-Fluss paddeln; das Land erleben, wie es ist. Dann nimmt Alfons sie mit auf eine Trekking-Tour durch den Singharaja-Regenwald. Alfons hat als ausgebildeter Naturführer die Genehmigung das Schutzgebiet, welches seit 1988 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, mit seinen Gästen zu betreten. Wie an kaum einem anderen Ort leben und gedeihen hier unzählige einheimische Tiere und Pflanzen, nichts ahnend, dass ihr Platz auf wenige Tausend Hektar geschrumpft ist.
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Der Pfad wirkt ausgetreten und sicher. Trotzdem empfiehlt sich ein Führer durch den Wald.
© Quelle: Friederike Ostermeyer
Unterwegs auf wilden Pfaden
Hinein geht es über eine wackelige Holzbrücke, die über einen Fluss mitten in den Urwald führt – Indiana Jones-Feeling inklusive. Es dauert nicht lange, bis Alfons die ersten Entdeckungen macht. Er deutet auf ein Loch im Baum: „Hier wohnt die seltene Baumvogelspinne“, erklärt er. „Allerdings nur das Weibchen. Mehr als ein paar Zentimeter wagt es sich nachts nicht raus. Die Männchen haben es da schon schwerer, die müssen auf der Suche nach ihren Partnerinnen den halben Dschungel durchqueren.“ Er entdeckt ein totes Männchen, nur ein paar Meter von seiner vermuteten Angebeteten entfernt. Es hat es nicht zu ihr geschafft. Ein kleines Drama im Regenwald. Vorbei geht es an plätschernden Wasserläufen und von Lianen umschlungenen Bäumen – ein Dschungel wie im Bilderbuch. Und immer wieder musst du dir Blutegel aus den Socken klauben: „Sie nerven, aber sind die beste Regenwald-Polizei die es gibt“, sagt Alfons.
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Der Dschungelpfad wird stellenweise abenteuerlich: Auf Baumstamm-Brücken geht es über Wildwasserflüsse.
© Quelle: Friederike Ostermeyer
Der Bürgerkieg sitzt tief
Der Rückweg führt durch ein kleines Dschungeldorf, in dem einige Familien nahezu abgeschirmt von der Moderne leben. Als sie Alfons sehen, erhellen sich ihre Gesichter. „Ayoubowan“, rufen sie. Willkommen. Natürlich kennen sie ihn, den freundlichen Weißen, der immer wieder mit neuen Begleitern vorbeischaut und ein paar Worte mit ihnen wechselt. Erst scheu, dann von ihrer Neugier getrieben, wagen sich auch die Kinder hervor. Mit ihren großen dunklen Augen beobachten sie die Szenerie, dann winken sie , lächeln und posieren keck für ein gemeinsames Foto zum Abschied. „Tschüß, bis bald!“.
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Erst skeptisch, jetzt vertrauensvoll: Der Kontakt und Umgang mit den Dorfbewohnern der Umgebung fällt immer leichter.
© Quelle: Friederike Ostermeyer
Wieder draußen sagt Alfons: „Es ist so wichtig, die Menschen spüren zu lassen, dass wir an ihrem Leben teilhaben. Sie haben lange im Krieg gelebt, ihre Angst ist noch immer groß. Wenn ich etwas in den letzten Jahren gelernt habe, dann ist es, dass wir alle Anerkennung brauchen."
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Der Kontakt zu den Dorfbewohnern wird immer besser. Nach dem Bürgerkrieg ist es wichtig, das Vertrauen zu stärken.
© Quelle: Friederike Ostermeyer
Gegenmodell zum zerstörerischen Massentourismus
Als Edna und Alfons ihr Leben in Münster aufgegeben und ihr gesamtes Hab und Gut verkauf habten, sind sie mit einem unerschütterlichen Glauben an ihre Vision herangegangen. Keine leichte Aufgabe, denn der stark wachsende Massentourismus seit dem Kriegsende 2009 droht das Land eher zu verschmutzen und auszubeuten statt nach vorne zu bringen. Zertifikate wie das CSR-Siegel (Corperate Social Responsibility) sind das eine, Vertrauen in die Menschen ist das andere. Mit ihrer Lodge geben Alfons und Edna zehn Dorfbewohnern und einer einst heimatlosen Mutter mit ihren Kindern eine Perspektive. „Luxus ist eben auch“, sagt Edna, „zu verstehen, dass nicht immer alles da ist. Aber, dass alles, was da ist, völlig genügt.“
Vielleicht ist es dieses bekannte persische Sprichwort, welches am besten zu ihrer Geschichte passt: „Man muss nicht erst sterben, um ins Paradies zu gelangen – solange man einen Garten hat“.
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