Singapur

Singapur: Ein Ausflug ins Unbekannte

Marina Bay in Singapur, ein künstlich erschaffenes Stadtviertel.

Marina Bay in Singapur, ein künstlich erschaffenes Stadtviertel.

Wenn Randall Ee von Singapur erzählt, klingt das angenehm unaufgeregt. Die Alleen voller Hochhäuser, die vollautomatische U-Bahn, das weltgrößte Riesenrad – all die Innovationen, mit denen sich der südasiatische Stadtstaat so gern brüstet, spielen in einer Unterhaltung mit dem Stadtführer Ee keine wesentliche Rolle. Denn er befasst sich mit der Vergangenheit – mit seiner eigenen.

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Stadtführung zu den Wurzeln der Peranakan

Der Mann ist Stadtführer. Und er gehört zu den Peranakan, einer ethnischen Gruppe, die sich vor Jahrhunderten aus der Heirat zwischen Malaien und Chinesen entwickelt hat. Das führt dazu, dass sich seine Stadtführungen abseits der Touristenplätze abspielen – in den Randgebieten, in denen die Tradition der Peranakan noch heute deutlich sichtbar ist. In Singapur spielten sie seit der Kolonialzeit Ende des 19. Jahrhunderts eine bedeutende Rolle im Alltag. Das zeigt sich bis heute – vor allem in der Architektur und beim Essen.

An der East Coast Road im Stadtteil Katong beginnt Randall Ee eine seiner insgesamt drei Touren zu den Wurzeln der Peranakan. Es sind vor allem die Gebäude, die hier von alten Zeiten zeugen. Zweistöckige helle Steinhäuser stehen in Reihe, optisch eine Mischung aus Kolonialbau mit traditionellen chinesisch-malaiischen Elementen. 

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„Früher lebten hier überwiegend reiche Menschen“, sagt Ee. Der Fluss Katong sei eine natürliche Barriere zum alten Stadtzentrum hin gewesen. Erst um 1900 habe es die erste Brücke gegeben, zuvor benötigte man ein Boot – das zog reiche Leute an, die an diesem Südostende der Insel ihre Ruhe haben wollten.

Davon zeugen bis heute die für Singapurer Verhältnisse sehr großen Grundstücke mit Auffahrt und Vorgarten. Nach wie vor ist dieser Teil des Stadtstaates nicht gerade für Sozialwohnungen bekannt – auf den Grundstücken reihen sich stattdessen große Modelle von europäischen Autoherstellern wie BMW und Mercedes-Benz aneinander.

Singapurs neues Land: Marina Bay

Die frühere Strandlage trug ihren Teil zur Popularität von Katong bei. Doch an das Meer erinnern heute nur noch Straßennamen: Von der früheren East Coast Road bis zum Wasser sind es inzwischen gut 700 Meter, vorbei an mehreren Straßenzügen und einer Autobahn. „Hier wurde im Laufe der Jahre immer wieder Land aufgeschüttet“, erklärt Ee die Verlagerung. Ein beliebtes Prinzip in Singapur, um dem immer knapper werdenden Platz zu begegnen.

So wuchs die Insel von einst 580 Quadratkilometern Mitte des 20. Jahrhunderts auf heute 710 Quadratkilometer. Weitere 100 Quadratkilometer an neuer Landfläche sind bis zum Jahr 2030 in Planung. Prominentestes Beispiel der Aufschüttungen ist das Gebiet Marina Bay im Zentrum von Singapur: Hier entstand in den vergangenen Jahren etwa ein Komplex mit dem ersten Spielkasino, einem Einkaufszentrum der Superlative und einem 2.500-Betten-Hotel.

Neue Gebäude und Einkaufszentren werden auf der Insel im dichten Takt gebaut. Singapurs Wirtschaft boomt – das war auch schon vor 100 Jahren so. „Peranakan-Familien waren seit jeher wohlhabend“, sagt Ee. „Sie sind im Handel mit den Briten zu Wohlstand gelangt.“ Nicht nur in Singapur, auch im malaiischen Malakka dominierten sie die Geschäftswelt. Sie fühlten sich den Briten verbunden und konvertierten oft sogar zum Christentum. Randall Ee hat dafür eine einfache Erklärung: Die Christen ließen der Bevölkerung im Unterschied zu anderen Religionen die Freiheit, weiterhin ihre Traditionen zu pflegen.

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Später zog es viele Peranakan in alle Welt, um dort Geschäften nachzugehen. Auch Randall Ee hat eine Zeit lang in Europa gelebt, in der Schweiz, Österreich und den Niederlanden. Das sichtbarste Zeichen des wirtschaftlichen Erfolges der Bewohner ist heute an jeder Ecke Singapurs zu sehen: Die Oversea-Chinese Banking Corporation (OCBC) wurde in den frühen 1930er Jahren von ihnen gegründet.

Singapurs Tradition im Peranakan-Museum

Es sind Informationen wie diese, die Besuchern ein anderes Bild von der Stadt vermitteln, eines abseits der üblichen Touristenattraktionen. Ee hat sich darauf spezialisiert, das Historische zu bewahren. Er hat es zu seinem Beruf gemacht – aus Leidenschaft: „Es wäre doch schade, wenn wir an einen Punkt kommen, an dem wir unsere Kultur nur noch im Museum betrachten können.“

Gleichwohl hat der Stadtführer selbst eine Ausstellung mitbegründet: Seit 2008 gibt es das Peranakan-Museum in einer alten chinesischen Schule in der Armenian Street. Randall Ee gehört zu den Initiatoren. In dem modernen Museum erinnern unter anderem Bekleidung und Alltagsgegenstände an das Leben im Singapur vergangener Tage. Und an die Wurzeln vieler Singapurer, wenn etwa gleich im Erdgeschoss Porträts von Einwohnern verdeutlichen, dass in vielen Menschen die Peranakan-Kultur steckt.

Wie viele Singapurer zu dieser ethnischen Gruppe gehören, ist nicht ganz klar. Sie zählt inzwischen statistisch zu den 76,8 Prozent der chinesischen Bevölkerung. Der letzte Zensus, der sie ausdrücklich als eigenständige Gruppe berücksichtigte, habe 1901 stattgefunden, sagt Ee. Damals seien rund zehn Prozent der Singapurer Peranakan gewesen.

Die Küche der Paranakan

Bis heute wurde vor allem eines bewahrt: die Küche der Peranakan. In mehreren Restaurants, etwa im beliebten „Blue Ginger“  in der Tanjong Pagar Road, wird nach alter Tradition gekocht. „Fusion-Kultur“ nennt Ee die Küche, was bedeutet, dass sie keine eigenständige Richtung, sondern eine Mischung aus malaiischer Küche mit chinesischen Elementen darstellt. Was sich vor allem bei Gewürzen und Zutaten wie Tamarinden zeigt. Eine Portion Schweinefleisch ist fast immer mit auf dem Teller – das präge die Küche der Peranakan, sagt Ee.

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Auch die Küche müsse bewahrt werden, findet Randall Ee. Deswegen unterhält er mit vier Mitstreitern eine Kochgruppe, die traditionelle Rezepte nach heutiger Methode kocht. Ziel soll ein Kochbuch sein, mit dem so manches Rezept für weitere Generationen gesichert wird. Damit der Hang des Stadtstaates zu immer internationaleren Restaurants nicht irgendwann die eigene Tradition verschwinden lässt.

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