Kambodscha: Urlaub zwischen Armut und Glücksgefühl
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Der Sonnenuntergang, vom Pyramidentempel Pre Rup aus gesehen.
© Quelle: Nadine Wolter
Eigentlich hatte Vibol* die Tour gar nicht machen sollen, aber sein Kollege ist krank. Deswegen wartet er jetzt an einem Januarmorgen vor unserem Hotel, um uns drei Tage lang durch die Tempel von Angkor zu führen. Für den 31-Jährigen sind die Monate um den Jahreswechsel die wichtigsten im Jahr – in diesen verdient er sein Geld.
Ab März wird es sehr heiß in Kambodscha, spätestens ab Juni setzt die Regenzeit ein und nur wenige Touristen haben Lust, sich bei heißem und feuchtem Klima durch die riesigen Tempelanlagen im Regenwald zu schieben. Dann wird es ruhiger in Siem Reap.
Kamboscha: Zwischen historischem Reichtum und bitterer Armut
Vibol führt durch Bayon, Angkor Thom, Angkor Wat und Ta Prohm, macht Fotos von uns, beantwortet Fragen. Am Abend sitzen wir vor Pre Rup, einem Pyramidentempel, von dem aus man den Sonnenuntergang sehen kann. Bis dahin dauert es noch ein bisschen, wir sitzen im Gras vor dem Tempel mit den fünf Türmen und reden.
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Mit Zitronengras gefüllte Frösche, die in den Tümpeln um die Anlagen gefangen worden, werden in Siem Reap oft am Straßenrand angeboten. Vibol zeigt uns, wie man sie isst.
© Quelle: Nadine Wolter
Vibol hat den ganzen Tag gesprochen, über das Khmer-Reich, Hinduismus, Buddhismus. Umfassend, aber unaufgeregt. Jetzt rupft er an einen vertrockneten Grashalm – sein Sprechtempo hat sich verdoppelt – und scheint fast froh, nach einer Frage endlich über das Kambodscha von heute sprechen zu können.
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Unzählige Apsaras, in der buddhistischen und hinduistischen Mythologie halb Gott, halb Frau, finden sich an den Tempelwänden.
© Quelle: Nadine Wolter
Glück im Unglück des Landes
Vibol ist glücklich, aber nicht mit seinem Land. Er ist bei seiner Mutter in einem Dorf aufgewachsen, erzählt er. Er weiß, wie man Aale mit Bambusrohren fängt, und hat erst spät Englisch gelernt. Heute lebt Vibol in Siem Reap, seit ein paar Monaten hat er eine Tochter. Er ist 30 Jahre alt und hätte gern schon früher Kinder gehabt, konnte es sich aber nicht leisten.
In ein paar Monaten sind Wahlen, Vibol weiß noch nicht, ob er hingehen soll. Es gibt niemanden, den er wählen wollen würde. Die größte Oppositionspartei ist vor Kurzem vom Obersten Gerichtshof quasi aufgelöst worden. Dessen Präsident ist ein Parteimitglied der Kambodschanischen Volkspartei (CPP), die seit 1981 ununterbrochen an der Macht ist. Ministerpräsident Hui Sen hat also keinen nennenswerten Konkurrenten, und ihm will Vibol seine Stimme nicht geben. „Er kümmert sich nicht um uns“, sagt er.
Ein paar Cent machen in Kambodscha einen gewaltigen Unterschied
Auch 26 Jahre nach Ende des zweiten Bürgerkriegs sollen noch sechs Millionen Landminen unentdeckt im kambodschanischen Boden liegen. Ein großer Teil der Bevölkerung lebt in Armut. Verlässliche Zahlen, wie viele Einheimische unter der nationalen Armutsgrenze des ohnehin schwach entwickelten Landes leben, gibt es nicht.
Laut einer Untersuchung der UN sollen es 13,5 Prozent sein, allerdings können schon ein paar Cent weniger am Tag die Zahl der armen Kambodschaner von drei auf sechs Millionen steigen lassen.
Sollte man in Kamboscha Urlaub machen? Ja!
Der Tourismus ist einer der wenigen stetig wachsenden Industriezweige. Die Frage, ob man in Kambodscha einfach so Urlaub machen sollte, würde Vidol daher mit Ja beantworten. Das Land braucht Touristen. Diese sollten sich allerdings bewusst sein, dass sie in ein Land fahren, in dem es sehr vielen Menschen schlichtweg schlecht geht. Daran wird ein einzelner Gast nichts ändern können, aber er könnte sich auch mit dem heutigen Kambodscha auseinandersetzen, wenn er nach Siem Reap fährt, um die 1000 Jahre alten Tempelanlagen zu besuchen.
Tourguides wie Vibol geben über beides gern Auskunft – wenn du sie fragst. Im, zugegeben, nicht sonderlich spektakulär ausgebauten Kriegsmuseum führen außerdem ehemalige Soldaten und Opfer der Roten Khmer durch die Ausstellung und erzählen von ihren Erlebnissen, die mit der jüngeren Geschichte Kambodschas verknüpft sind.
Wer beim Restaurantbesuch sichergehen will, dass die Angestellten fair bezahlt werden, kann ins Footprint-Café gehen. Das Café ermöglicht den Angestellten Weiterbildungen und investiert seinen Ertrag in lokale Projekte – in etwa für mehr Bildung oder die Verbesserung der Krankenversorgung.
Freundschaft mit Bewertung
Nach drei Tagen verabschieden wir uns schließlich von Vibol, es bleibt eine Facebook-Freundschaft mit gelegentlichen Nachrichten und einer Bitte um eine gute Bewertung der Tour bei Tripadvisor. Bezahlt werden möchte er, genau wie die Kellnerin im Footprint-Cafe, in US-Dollar. Ihrer eigenen Währung, dem kambodschanischen Riel, vertrauen die Kambodschaner nicht.
*Name geändert
Reisereporter