Der Boxhotel-Test: Schlafen im Mini-Zimmer ohne Fenster
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Wie schläft es sich in einer fünf Quadratmeter großen Box ohne Fenster? reisereporterin Maike testet das Boxhotel in Hannover.
© Quelle: Nils Peuse
Ich wache auf, es ist stockdunkel. Wie viel Uhr ist es? Mitten in der Nacht oder 9 Uhr morgens? Beides möglich, denn ich liege in einem Zimmer ohne Fenster. Ein Blick auf die Uhr, 3.45 Uhr. Schnell aufs Klo und noch mal umdrehen. Zu Hause würde ich schlaftrunken lostapsen, jetzt denke ich krampfhaft: „Bloß das Handy nicht vergessen!“ Sonst käme ich nicht zurück ins Zimmer, denn in dieser Unterkunft funktioniert alles per App, selbst das Zimmerschloss. Willkommen im Boxhotel Hannover!
Wellnessbereich, Pool, opulentes Frühstücksbuffet, Roomservice, Minibar im Zimmer – was in anderen Unterkünften Standard ist, suchen Gäste hier vergebens. Hier geht es einzig und allein um eines: einen Platz zum Schlafen.
Video: So schläft es sich im Boxhotel ohne Fenster
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Wer eincheckt, den erwartet Minimalismus: kein Fenster, keine Toilette, kein Schrank, dafür zwei Betten, ein Waschbecken und sogar eine Dusche. Und das alles in einer aus Spanplatten (OSB) gefertigten Box, die gerade einmal 1,50 Meter breit und 2,80 Meter lang, dafür aber knappe 4,20 Meter hoch ist.
Um meine Box zu öffnen – Nummer 99, erster Flur rechts –, muss ich das Handy ganz nah an einen Sensor halten, dann surrt es und die Tür geht auf. Die Wände im Raum sind mit dunklem Stoff verkleidet, das schluckt den Schall. Eine enge Treppe führt in den oberen Bereich mit einer Dusche und einem 1,20 Meter breiten Bett. Von dort blicke ich auf eine Skyline – das große, hinterleuchtete Bild sorgt für Tiefe.
Sauerstoffmangel kommt auch ohne Fenster nicht auf, über ein Belüftungssystem werden täglich etwa 1,4 Millionen Liter Frischluft in die Räume gepumpt, sagt Geschäftsführer Oliver Blume.
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Zwei Etagen auf fünf Quadratmetern: Das Zimmer im Boxhotel wirkt größer, als es der Name vermuten lässt.
© Quelle: Nils Peuse
Im unteren Bereich des Raumes gibt’s ein weiteres schmaleres Bett, unter dem Taschen verstaut werden können, und ein Waschbecken. That’s it. 104 dieser Räume (zwischen 4,2 und fünf Quadratmetern groß) gibt es in dem Hotel in Hannover, in einem Gebäude in der Nähe des Hauptbahnhofes. Die Preise für eine Nacht in der Box beginnen bei knapp 25 Euro pro Nacht.
Zusätzlichen Aufenthaltsraum gibt es in der Lobby, zwei Sessel stehen vor einer Wand mit großem Kamintransparent – das ist Minimalismus-Romantik –, eine zweite Sitzecke ist wie eine Tribüne aufgebaut. Gegenüber steht ein Automat, an dem sich Gäste Getränke, Duschgel und Zahnpasta ziehen können. Kaffee, Tee und Wasser gibt’s gratis an einem kleinen Tresen.
Boxhotel: Keine Rezeption, eingecheckt wird per App
Eine Rezeption gibt es nicht, stattdessen einen Stehtisch, an dem sich Gäste mit einem Mitarbeiter unterhalten können. Check-in und Check-out findet per App auf dem Smartphone statt. Alles im Hotel ist so minimalistisch wie möglich gehalten.
Viele Urlauber setzen heutzutage auf Individualität, sind Städtereisende da überhaupt die Hauptzielgruppe? „Unbedingt“, sagt Geschäftsführer Oliver Blume. „Das ist meine Vision, wie Städtereisen in der Zukunft sind. Wo die Leute die Stadt als Location nehmen und nur noch einen Platz suchen, an dem sie gut schlafen können.“ Angebote wie Frühstück, Dinner, Spa, Sauna oder Pools gebe es in Innenstädten genug – „das brauche ich im Hotel nicht“.
Hannover erlaubt nur drei Nächte im Boxhotel
In Göttingen eröffnete er das erste Boxhotel, dort machte das Konzept keine Probleme – und auch die weiteren fürs Jahr 2020 geplanten Eröffnungen in Leipzig, Hamburg und Bielefeld laufen glatt, sagt Blume.
Hannover hingegen sorgt sich um die psychische und physische Gesundheit seiner Gäste – und hat die maximale Aufenthaltsdauer auf drei Nächte beschränkt. Das geht aus einem Gerichtsurteil hervor.
Blume ist empört und hat Widerspruch eingelegt, er betrachtet das als Wettbewerbsverzerrung. „Da könnte ich genauso sagen: Wenn andere Hotels schlechte Matratzen haben, darf man da nur noch zwei Nächte schlafen, sonst kriegen sie vielleicht einen Bandscheibenvorfall.“
Neu ist das Prinzip des Schlafens in der Box übrigens nicht – die ersten Schlafkapsel-Hotels eröffneten in den 70er-Jahren in Japan in der Nähe von Bahnhöfen und Bars. Zielgruppe: Geschäftsleute, die den letzten Zug des Tages nach Hause verpasst haben. Die Kapseln sind aber mit nur 1,20 Metern Höhe deutlich niedriger als die des Boxhotels. Zur Erinnerung: Die Raumhöhe beträgt hier etwa vier Meter.
In Blumes Boxen kann ich in beiden Ebenen locker stehen – beengt fühle ich mich in keiner Minute des Aufenthaltes. Ich schlafe nach meinem nächtlichen Klogang so lange weiter, bis ich morgens vom Türenschlagen der Nachbarn wach werde. Dunkel ist es in meiner Box immer noch.
So richtig wach werde ich erst, als ich aus dem Zimmer trete und mir Tageslicht ins Gesicht scheint. Mein Magen knurrt. Fürs Frühstück muss ich das Hotel dann aber verlassen.
Reisereporter