Auf Schneeschuhen durch das Riesengebirge
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Die Schneekoppe ist der höchste Berg im Riesengebirge. Auf dem Gipfel verläuft die Grenze zwischen Tschechien und Polen.
© Quelle: imago/NBL Bildarchiv
Wie lange ich noch als Hüttenwirtin arbeiten will?“ Die 64-jährige Grazyna Zalecka lächelt und sagt nach kurzem Zögern: „Wenn es die Gesundheit erlaubt, noch viele Jahre. Wissen Sie, ich stamme aus Stettin an der Ostsee, aber hier im polnischen Riesengebirge ist es doch so viel schöner.“ Verständnisvolles Nicken. Und wie zur Vergewisserung schweifen die Blicke hinaus aus den Fenstern der rustikalen kleinen Teichbaude.
Es hat wieder angefangen zu schneien. An den Fensterkreuzen beginnt sich die Flockenpracht aufzutürmen. Zeit, Abschied von der heimeligen Bergstation zu nehmen, die auf knapp 1.200 Meter Seehöhe so idyllisch an einem zugefrorenen Gletschersee liegt und von steilen Gebirgshängen umgeben ist. Hinter uns liegt ein anstrengender Tag.
Es ging hinauf auf die berühmte Schneekoppe, dem mit 1602 Metern höchsten Berg des Riesengebirges. Auf seiner Spitze markiert er die Grenze zwischen den historischen Regionen Schlesien und Böhmen und heute zwischen Polen und Tschechien.
Mit Schneeschuhen auf den Böhmersteig
Im Gegensatz zu vielen Regionen den Alpen gibt es hier keinen Skizirkus, keine lauten Hüttenbars und nur wenige Sessellifte. Ein noch wenig erschlossenes Dorado für Schneeschuhwanderer. Vor allem von Schreiberhau (polnisch Szklarska Poreba) und Krummhübel (Karpacz) aus ziehen sich die Wanderpfade hinauf auf den jahrhundertealten Böhmersteig.
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Unterwegs passierst du immer wieder urige Hütten, wie die Alte Schlesische Baude, die Hampelbaude oder eben die Hütte von Grazyna Zalecka. Sie locken mit leckeren regionalen Spezialitäten: etwa Bigos, dem polnischen Eintopf aus gedünstetem Kraut und verschiedenen Fleisch- und Wurstsorten, Buchweizengulasch, mit Pilzen gefüllte Piroggen, Palatschinken mit Apfelmus oder warmem Ingwerbier.
Im Riesengebirge herrscht Rübezahl
Als Schneeschuhwanderer bist du hier außerhalb der Ferien meist allein auf weiter Flur. Die fast sakrale Stille wird dann nur unterbrochen durch das monotone Klacken und Schlurfen der tennisschlägergroßen Plastiksohlen unter den Füßen. Die zum Nationalpark erklärte Landschaft hat etwas Zauberhaftes. Der Schnee glitzert jungfräulich in der Sonne. Der Pfad schlängelt sich vorbei an einem malerischen Bach.
Es ist das Reich von Rübezahl, dem legendären Berggeist, der der Sage nach launisch wie kein Zweiter ist, den Freundlichen und Ehrfürchtigen beschenkt und den Bösartigen und Spötter das Fürchten lehrt und in die Irre führt.
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Überhaupt ist das niederschlesische Riesengebirge eine einzigartige Kulturlandschaft. Rund um die gemütliche, rund 900 Jahre alte Kleinstadt Hirschberg (Jelenia Gora) mit ihren schmalen Gassen und mit Arkaden gesäumten Bürgerhäusern erstreckt sich eine Region, die langsam aus dem Dornröschenschlaf der jüngeren Geschichte erwacht. Das Hirschberger Tal mit seinen prächtigen Schlössern und Parks war nicht nur Treffpunkt des preußischen Hochadels und Zentrum der Bleikristallproduktion, an die noch heute die Glashütte Julia in Petersdorf erinnert. Sie war auch Elysium zahlreicher Künstler. Schreiberhau wurde als das „schlesische Worpswede“ bekannt.
Gerhart Hauptmann schrieb am Riesengebirge
Noch heute erinnert im nahen Agnetendorf die ansehnliche Jugendstilvilla Wiesenstein an den auf der Ostseeinsel Hiddensee begrabenen Literaturnobelpreisträger Gerhart Hauptmann (1862–1946). Dieser verfasste hier im Schatten des Riesengebirges weltberühmte sozialkritische Dramen wie „Die Weber“ oder „Der Biberpelz“, sein Bruder Carl das „Rübezahlbuch“.
Allein im Hirschberger Tal bieten von den 30 noch existierenden Schlössern wieder neun Kost und Logis. Zu den schönsten gehört zweifellos das von Stonsdorf – ein Ort, der vor allem durch den Kräuterlikör „Echt Stonsdorfer Bitter“ berühmt wurde.
Seit nunmehr fast 13 Jahren betreibt der polnische Hotelier Waclaw Dzida das barocke Schloss, das einst dem Grafen Reuß gehörte. Das stilvoll wie gemütlich möblierte Haus mit angrenzendem Lenné-Park atmet geradezu den Geist vergangener Jahrhunderte.
Rittergut erstrahlt im alten Glanz
Einen Geist, den auch Elisabeth von Küster verspürt. Die selbstbewusste 44-Jährige gehört zu den wenigen Deutschen, die nach der politischen Wende in Osteuropa zu den Wurzeln ihrer Familie zurückkehrten. Von Küster erwarb das verfallene Schloss Lomnitz, das bis 1945 mehr als hundert Jahre lang im Familienbesitz war. „Ohne Herzblut wäre ich gescheitert“, ist sie sich sicher.
Heute erstrahlt das einstige Rittergut im Hirschberger Tal wieder in altem Glanz – ist Hotel, Gutsmuseum und Kulturzentrum in einem und damit eine verbindende Brücke zwischen der reichen Vergangenheit und hoffnungsbeladenen Zukunft der Region am Riesengebirge.
Reisereporter