Weltreisender erzählt von den Gefahren des Reisens
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/3FBSVAFBP6JAZYYEO526DRL6UQ.jpg)
Ein toller Ausblick auf einen schönen Strand. So sehen viele Bilder von Reisenden aus. Aber Nick Martin spricht in seinem neuen Buch nun auch die dunkle Seite des Reisens an.
© Quelle: Nick Martin
Ein Muskelfaserriss im Nirgendwo, Lebensmittelvergiftungen, Verbrennungen zweiten Grades und ein Schuss mit der Harpune in die Brust – Nick Martin hat schon so einige gefährliche Dinge auf seinen Weltreisen erlebt und überlebt. Er weiß: Nicht immer gibt es auf Reisen Sonnenschein, Entspannung und großartige Abenteuer. Genau das thematisiert er in seinem neuen Buch „Die geilste Lücke im Lebenslauf – die dunkle Seite“, das am 7. September erscheint.
Statt wie einige Influencer nur die schönsten Strände, die tollsten Attraktionen und die besten Hotels zu präsentieren, spricht der Weltreisende nun auch über die Schattenseiten des Reisens. Er hat neun Monate in Mexiko und auf den Fidschis gewohnt, war ein Jahr lang in Australien, in der Schweiz und hatte eine Zeit lang seinen Lebensmittelpunkt in Ecuador – somit hat er insgesamt zehn Jahren Weltreiseerfahrung und über 80 Länder bereist. Dadurch kann er auf einige verrückte Erlebnisse zurückblicken. Im Interview mit dem reisereporter erzählt er davon.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/4ZS3B5AS7LIPNJHLEVOU6G7FTZ.jpg)
Nick in Indonesien. Auf seinen Reisen durch die Welt hat er bereits viele schöne Strände und gefährliche Situationen erlebt.
© Quelle: Nick Martin
In deinem Buch berichtest du von den dunklen Seite des Reisens. Was meinst du damit und warum schreibst du darüber?
Mein erstes Buch „Die geilste Lücke im Lebenslauf – 6 Jahre Weltreisen“ erzählt davon, was ich alles erlebt habe und wie ich zum Reisen gekommen bin. Schon da spreche ich über negative Dinge wie zum Beispiel, als ich auf den Fidschis angeschossen wurde oder mit ’nem Katamaran durch einen Hurrikan gesegelt bin.
Aktuelle Deals
Mit meinem neuen Buch möchte ich niemandem Angst machen, sondern Dinge thematisieren, über die Leute nicht so gern beim Reisen sprechen. Das sind Ereignisse, die jedem Reisenden passieren können. Zum Beispiel war ich in Brasilien, bin eine Düne hinuntergerollt und habe mir einen Muskelfaserriss zugezogen – in einem abgelegenen Fischerdorf, wo es kein Krankenhaus in der Nähe gab. Dort wurde ich notdürftig behandelt. Dann musste ich mir selbst Krücken bauen und war sechs Wochen an die Hängematte gebunden, damit ich noch einigermaßen laufen konnte.
Oder das eine Mal in Kenia, da wollte ich mir mal die Haare ausbleichen. Also habe ich mir etwas Limettensaft in die Haare geschmiert. Aber das ging voll nach hinten los. Zwei Tage später hatte ich Verbrennungen zweiten Grades auf 80 Prozent meines Rückens und fand mich im Krankenhaus wieder. Das waren die krassesten Schmerzen in meinem Leben. Außerdem thematisiere ich Drogen, Gewalt, Lebensmittelvergiftungen und kulturelle Missverständnisse im Ausland.
Noch mal kurz zum Anfang: Du wurdest angeschossen?
Tatsächlich ist mir das auf den Fidschi-Inseln passiert. Nach einem Volleyballspiel stand ich gerade unter der Stranddusche, als ein Fidschianer mich angrinste und mit einer geladenen Harpune in der Hand auf mich zielte. Da er nur Spaß gemacht hat, habe ich entsprechend reagiert und meine Hände hochgenommen. Und meinte nur: „Oh, du willst mich erschießen?“
Genau in diesem Moment merkte ich, wie sein Gesichtsausdruck von einem Lachen plötzlich in ein Erschrecken wechselte. Ich spürte einen dumpfen Schlag auf der rechten Seite meiner Brust. Als ich an mir heruntersah, ging die Harpune durch meinen Daumen durch in meine Brust hinein. Also mein Daumen war an die Brust genagelt.
Aus Reflex habe ich mir das Ding herausgezogen, was man eigentlich nie machen sollte. Anschließend musste ich 45 Minuten auf einen Fischer warten, der mich mit seinem Boot auf eine andere Insel schipperte. In einer Bambushütte bekam ich nur etwas Schmerzmittel und ein bisschen Wund- und Heilsalbe auf meinen Daumen geschmiert. Die Wunde an der Brust wurde mit sechs Stichen ohne Narkose wieder zugenäht.
Ursprünglich wollte ich nur drei Wochen Insel-Hüpfen machen, war dann aber letztendlich für zwei Monate auf den Fidschis, weil ich keine Ahnung hatte, ob ich an der Lunge verletzt war oder nicht.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/7FU7JGKO4VJF3Z2OTLZTEOA7CD.jpg)
Nick mit einheimischen Freunden am Strand. Auf den Fidschi-Inseln wurde er mit einer Harpune angeschossen. Durch den Unfall blieb er länger dort als geplant.
© Quelle: Nick Martin
Was machen solche Erlebnisse mit dir?
Wenn ich nach solchen Geschichten in Deutschland unterwegs bin und sich dann Menschen darüber aufregen, dass der Bus fünf Minuten Verspätung hat, dann denke ich mir oft: „Seid ihr alle eigentlich bescheuert? Fahrt mal auf die Fidschi-Inseln und werdet von einer Harpune abgeschossen. Das ist ein Problem.“ Das heißt, durch Reiseerfahrungen gehe ich mit etwas gelasseneren Schultern durchs Leben, bin umweltbewusster und schätze kleine Dinge viel, viel mehr. Allein schon fließendes Wasser oder noch eine Stufe weiter: warmes, fließendes Wasser.
Oder dass man zu jeder Tages- und Nachtzeit etwas essen kann. Als ich damals in Kanada mit meinem Back-Pack unterwegs war, war ich dermaßen kaputt und hatte einen Bärenhunger, aber das Einzige, was ich dabeihatte, war eine halbe Zwiebel und ein drei Tage altes Brot. In solchen Momenten lernt man, kleine Dinge im Leben zu schätzen. Aber auch zu sehen, wie andere Menschen auf der Welt in niederen Verhältnissen leben, als man gewohnt ist, bewirkt dies.
Gibt es ein Land in dem du besonders vorsichtig sein musstest?
Eine Geschichte, wo ich dachte, hier muss ich vorsichtig sein, war in Kolumbien. Dort habe ich draußen vor einem Hostel geraucht und die Tür dabei offen gelassen. Eine Minute später kam der Hostelbesitzer raus und hat mich angeschrien, was mir einfällt, die Tür offen zu lassen. Danach hat er mir erklärt, dass es dort Kinder gibt, die durch die Straßen laufen und nach offenen Türen schauen. Mit ihren Mobiltelefonen rufen sie dann eine Gruppe von Jugendlichen an, die anschließend das jeweilige Haus oder Hostel auseinandernimmt und Dinge klaut.
Auch als ich dort durch die Gassen gelaufen bin, habe ich gemerkt, dass die Leute mich als groß gewachsenen Europäer mit langen Haaren komisch anschauen. Da habe ich auch für den Moment meinen Huddi aufgesetzt, um nicht zu sehr aufzufallen. Gefahrensituationen in solchen Ländern sind natürlich ein Risiko, dass man bewusst eingeht. Dadurch wird man auch Street-Smart. Du weißt also, was du wo tragen solltest. Doch grundsätzlich kann einem überall etwas passieren.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/ZHAJ6GPALJI7ZYTZDES2UAYJRW.jpg)
An manchen Orten musste sich Nick aus Sicherheitsgründen etwas mehr verhüllen, um nicht als Reisender aufzufallen.
© Quelle: Nick Martin
Jetzt mal zu etwas Lustigem. Gibt es auch eine Situation, die dir superpeinlich war?
Ja, da gibt es so einiges. Als ich beispielsweise einmal in Australien in einem thailändischen Restaurant gearbeitet habe, gab es ein kleines Kommunikationsproblem. Ich hatte zwei Däninnen als Kundinnen im Laden. Da wir uns gut verstanden haben, habe ich mich mit ihnen nach der Schicht unterhalten und ihnen erzählt, dass ich gern Shisha, also Wasserpfeife, rauche. Auf Englisch heißt das „hookah“. Also habe ich gesagt: „Ich gönne mir öfter mal ’ne Hookah. Die entspannt mich, ist schön billig und schmeckt gut.“
Die beiden Mädels guckten mich daraufhin mit einem riesigen Fragezeichen im Gesicht an und fragten: „Du machst bitte was?“ Ich hatte einfach gedacht, dass die nicht wissen, was eine Wasserpfeife ist, und meinte: „Ja, manchmal gönn ich mir auch zwei Stück hintereinander.“ Dann sind die aufgestanden und weggelaufen. Bis ich Trottel dann irgendwann gemerkt habe, dass „hookah“ zwar die Wasserpfeife ist, aber „hooker“ Prostituierte bedeutet.
Gibt es ein Erlebnis, dass dich am nachhaltigsten verändert hat?
Es gibt viele. Aber tatsächlich haben mir meine Weltreisen im Allgemeinen gezeigt, dass ich für alles in meinem Leben zu 100 Prozent selbst verantwortlich bin – ob positiv oder negativ. Viele Menschen denken ja, es ist einfach, die Schuld an jemand anderes abzugeben. Mit dem, was ich alles erlebt habe, weiß ich aber, dass ich auch die Konsequenzen trage. Das Schöne dabei ist: Egal, von wo der Wind kommt, ich weiß, ich bin der Kapitän meines eigenen Segelboots und bestimme, wohin es geht. Das ist eine der größten Lehren, die ich mitgenommen habe.
Doch auch die Erfahrungen mit Menschen aus ärmeren Ländern haben mich verändert. Deren Armut, aber auch ihre Lebenseinstellung. Denn egal, in welchen Verhältnissen sie leben, wissen sie, wie man Spaß haben kann und das Leben zelebriert. Auch ihre Gastfreundschaft hat mich beeindruckt.
Ich habe zum Beispiel einen sehr guten Freund in El Salvador, der ist Zahnarzt. Dort verdient er aber nur rund 350 US-Dollar im Monat. Als ich bei ihm das erste Mal zum Couch-Surfing war, war er derjenige, der mir sein Bett angeboten hat. Er meinte nur: „Nick, du bist Gast bei mir und in meinem Land.“ Deshalb durfte ich partout nicht auf der Couch schlafen. Das sind solche Dinge, die einen einfach verändern. Dadurch hast du andere Prioritäten.
In deinem Buch steht es im Titel. Aber hat es denn eine Konsequenz für deinen Lebenslauf, dass du so viel am Reisen bist?
Ne, für mich nicht. Da ich mich selbstständig gemacht habe und meine Berufung für mich gefunden habe – auch mit meiner Show. Daher habe ich ganz lange auch keinen Lebenslauf mehr verschicken müssen.
Aber ich bin davon überzeugt, wenn jemand durch die Welt reist, sich selbst besser kennenlernt, andere Sprachen lernt und sich in fremden Ländern zurechtfindet, ist das die beste Ausbildung. Hinzu kommt der organisatorische Aufwand einer Weltreise. Du wirst disziplinierter, geduldiger, lernst, außerhalb dieser Box zu denken – das sind letztendlich Vorteile. Und wer dann vor einem Arbeitgeber steht, der dann behauptet, dass Reisen eine Lücke im Lebenslauf sind, dann bin ich der Überzeugung, dass es nicht der richtige Arbeitgeber ist.
Reisereporter