Weinberge am Nil: Ägyptens jüngste Weinkelterei
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/2J6RASATLCJ5L3CSH3Q7AU3RLQ.jpg)
Die reifen Reben in der Hand – endlich auch wieder in Ägypten.
© Quelle: unsplash.com/Maja Petric
Für Rania Kallas ist das Wetter jeden Tag aufs Neue eine Herausforderung. Der Himmel über El Gouna ist selbst im Winter makellos blau, das Thermometer zeigt angenehme 20 Grad Celsius, und für die kommende Woche ist kein einziger Regenschauer angekündigt.
Mag ja sein, dass das perfekte Bedingungen für all jene Sonnenanbeter sind, die gerade dem deutschen Winter für ein paar Tage entfliehen und am Roten Meer entspannen wollen. Rania Kallas aber möchte 2017 einen guten Wein produzieren – und dafür darf es Anfang Januar gern ein bisschen kühler und feuchter sein.
Es ist spät am Nachmittag, und Rania Kallas führt durch eine kleine Kellerei im ägyptischen Badeort El Gouna, 22 Kilometer nördlich von Hurghada. Die Libanesin ist Managerin des Weinguts Kouroum of the Nile. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Labib Kallas, einem Winzer, hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, „einen genießbaren ägyptischen Wein herzustellen“. Ausgerechnet am Roten Meer.
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Instagram, Inc., der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.
Aktuelle Deals
Lokale Weine bisher kaum genießbar
Zwar ist Ägypten das bevölkerungsreichste Land der arabischen Welt, doch ein Großteil der 85 Millionen Einwohner ist muslimisch – und im Islam ist der Konsum von Alkohol verboten. Es darf nicht einmal dafür geworben werden. „Alkohol ist hier immer noch ein Tabuthema“, sagt Rania Kallas. „Aber er ist auch nicht komplett verboten.“
Vor allem in den Touristenregionen am Roten Meer und in den internationalen Hotels in Kairo wird der Verkauf und Verzehr von Alkohol toleriert. Und auf eben jene Touristen, die jedes Jahr zu Millionen ins Land reisen, haben es die Kallas abgesehen.
Eine echte Marktnische, denn in der Vergangenheit waren lokale Weine in Ägypten kaum genießbar und internationale Weine kaum bezahlbar, bei einer Importsteuer von 3.000 Prozent. „Ich habe die Leute schreckliche Dinge über ägyptische Weine sagen hören“, erinnert sich Labib Kallas, der findet, „dass jedes Land einen guten eigenen Wein braucht“.
Einen, der auf heimischem Boden reift und nicht aus billigem, importierten Traubensaftkonzentrat zusammengepanscht wird, wie es in Ägypten noch bis vor ein paar Jahren üblich war. Dabei hatten schon die alten Ägypter Wein angebaut und zu besonderen Anlässen serviert.
Sandiger Boden: schwierige Voraussetzungen
An diese jahrtausendealte Tradition will Kouroum of the Nile anschließen. Hinter dem ehrgeizigen Projekt steckt der ägyptische Milliardär Samih Sawiris. Der 59-Jährige entstammt einer wohlhabenden koptischen Familie, die ein mächtiges Firmenimperium geschaffen hat. Sawiris hat Ende der Achtzigerjahre die künstliche Lagunenstadt El Gouna aus dem Wüstensand stampfen lassen, in der selbstverständlich auch die Kellerei steht. 2002 ließ er die ersten Weinreben pflanzen, drei Jahre später begann unter der Leitung von Rania und Labib Kallas die Weinproduktion am Roten Meer.
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Instagram, Inc., der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.
Die Weinberge selbst befinden sich allerdings einige Hundert Kilometer entfernt, am Nil. Einer im Norden des Landes, auf halber Strecke zwischen Kairo und Alexandria. Ein anderer im Zentrum des Landes, etwa 250 Kilometer südlich der Hauptstadt. Angebaut werden Petit Verdot, Cabernet Sauvignon, Merlot, Syrah, Pinot noir, Grenache, Vermentino und Chardonnay. Die Pflanzen wurden zum Teil extra aus Frankreich und Italien eingeflogen. „Das sind alles Versuche“, sagt Labib Kallas. „Wir müssen Weinberge an verschiedenen Orten mit verschiedenen Trauben bepflanzen, um herauszufinden, welche Rebsorte sich wo am besten kultivieren lässt.“
Eine knifflige Aufgabe, denn der sandige Boden bietet nirgends im Land optimale Voraussetzungen. „Außerdem ist es extrem heiß“, sagt Rania Kallas. Im Sommer steigen die Temperaturen auf weit über 40 Grad Celsius, das ganze Jahr über fällt kaum Regen. „Wir müssen die Reben also austricksen, damit der Wein ordentlich reift“, sagt Rania Kallas. Wie genau sie das machen, will die Managerin nicht verraten. Betriebsgeheimnis.
Der Staat kontrolliert die Weinproduktion
Auch bei der Verarbeitung der Trauben ist Kreativität gefragt, zum Beispiel beim Rotwein. Edle Tropfen lagern für gewöhnlich in Holzfässern, doch das ist in El Gouna nicht möglich. „Das Holz würde sich bei diesem Klima ausdehnen und Luft in die Fässer hineingelangen. Dann wäre der Wein ruiniert“, sagt Rania Kallas. Deshalb lagert Kouroum of the Nile seine Weine in Metallfässern und wirft Holzstücke hinein. So erhalten die Rotweine trotzdem ein holziges Aroma.
Und als wenn das alles nicht schon anspruchsvoll genug wäre, müssen Rania und Labib Kallas auch noch die strengen Regeln der ägyptischen Regierung befolgen. Der Staat kontrolliert die Weinproduktion ganz genau und legt sogar fest, wie viele Flaschen Kouroum of the Nile abfüllen darf – derzeit sind es vier Millionen pro Jahr.
Die tägliche Arbeit in der Kellerei wird deshalb von einem Staatsbediensteten beobachtet. Nur er darf morgens die Tür aufschließen, am Abend versiegelt er die Abfüllmaschinen. Rania Kallas lässt sich aber auch davon nicht entmutigen. „Wir kämpfen gegen die Sonne, den Sand und die Regierung“, sagt sie trotzig. „Deshalb ist unser Wein so stark.“
Tatsächlich hat Kouroum of the Nile zuletzt zahlreiche europäische Preise gewonnen, unter anderem bei den Decanter World Wine Awards in London und bei der Challenge Millésime Bio im französischen Montpellier. Mittelfristig will das Unternehmen auch im Ausland verkaufen. Vorerst aber, sagt Rania Kallas, haben sie in El Gouna ihr wichtigstes Ziel erreicht. „Wir haben Ägypten zurück auf die internationale Weinkarte gebracht.“
Wo liegt El Gouna eigentlich?
Reisereporter