Wie ein zerstörter Neuseeland-Trip zum größten Glück wurde
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Weiter Blick: Timo lacht, im Hintergrund der Ozean.
© Quelle: Timo Wehrmann/privat
Reif wie eine weiche Kiwi war Timo Wehrmann nach abgeschlossener Ausbildung zum Elektroniker und anschließenden zwölf Monaten Arbeit im Schichtdienst.
Währenddessen träumte der 27 Jahre alte Niedersachse von einer Langzeitreise nach Neuseeland. 2020 packte er dann endlich seinen Rucksack und zog los, tauschte das alte Leben ein gegen eine andere Kultur, grün-wilde Natur und den Backpacker-Lebensstil.
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Beeindruckende Ansicht: Zwischen den Bergen türmt sich Nebel auf.
© Quelle: Timo Wehrmann/privat
Dem reisereporter hat er in einem Video-Interview von seinem besonderen Trip erzählt, der wegen des Corona-Lockdowns in Neuseeland allerdings einen ganz anderen Verlauf nahm, als ursprünglich geplant war – und zugleich sein Leben in eine ganz neue Richtung lenkte.
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Timo hatte ein ehrgeiziges Ziel: ganz Neuseeland auf dem Wanderweg Te Araroa durchqueren. 3000 Kilometer Fußmarsch vom Süd- bis zum Nordzipfel der zwei Inseln.
Niedersachse will Neuseeland durchwandern
Eine Traumreise für Outdoor-Fans! Der Weg führt durch dichten Dschungel, über die neuseeländischen Alpen und an beeindruckenden Seenlandschaften vorbei. Die Wanderunterkünfte liegen oft einsam auf weiter Strecke und bieten nachts dank der nahezu vollständigen Dunkelheit einen unverstellten Blick auf den Sternenhimmel. Anblicke, die Timo schon in den „Herr der Ringe“-Filmen bewundert hat.
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Timo genießt die Aussicht auf der Wanderung.
© Quelle: Timo Wehrmann/privat
Auf seiner Reise bestaunte er sie mit eigenen Augen. Timo fühlte sich frei, endlich hatte er sein Leben selbst in der Hand. Auch wenn der Alltag als Backpacker nicht ausnahmslos schön ist. „Ich habe diese Reise zu Hause von der Couch aus romantisiert“, sagt er rund zwei Jahre nach dem Start über seine Reisevorbereitung. „Ich habe viele inspirierende Reiseberichte darüber gelesen, doch niemand hat über die Blasen an den Füßen geschrieben.“
Plötzlich krabbelten Ratten über das Kopfkissen
Oder über das Ungeziefer, mit dem sich Reisende in der wilden Natur Neuseelands auseinandersetzen müssen. Schaurige Erinnerungen hat er an eine Nacht in einer Wanderhütte, die er nach einem Acht-Stunden-Marsch durch dichten Dschungel erreichte. „Ich legte mich mit anderen Wanderern schlafen und hörte dann die Ratten über mein Kopfkissen krabbeln“, sagt Timo mit einem Schaudern.
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Zelten mit Aussicht: Timo hat sein Bett direkt am Fluss aufgestellt.
© Quelle: Timo Wehrmann/privat
„Sie hatten unseren Proviant erschnüffelt, den wir mit Seilen an die Decke geknotet hatten.“ Bis heute zeugt ein Loch in seinem Rucksack davon, durch das die Nagetiere sich ein Festmahl organisieren wollten. Zwar hatte er wegen der Ratten in dieser Nacht eine gute Portion Schlaf eingebüßt, dafür aber einen guten Freund gewonnen: Julius, ein weiterer Wanderer, mit dem er die nächsten Wochen gemeinsam dem Te Araroa folgte.
Eine SMS ändert die komplette Reiseplanung
Doch rund sechs Wochen nach dem Start der Wanderung erhielt Timo eine folgenreiche SMS. Er war gerade allein bei Arthur’s Pass unterwegs, als er sich in der schneebedeckten Landschaft das Knie verknackste.
Er entschied sich, zum Ausgangspunkt zurückzuwandern, als sein Handy merkwürdig klingelte: Neuseeland hatte per SMS den Lockdown verkündet. „Alle Menschen im Land wurden aufgefordert, sich innerhalb von 24 Stunden in ihr Zuhause zu begeben“, sagt Timo. „Ich hatte ja nur mein Zelt dabei.“
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Beeindruckende Sicht in den Fjord. Am Horizont brauen sich Wolken zusammen.
© Quelle: Timo Wehrmann/privat
Kurz entschlossen fuhr er per Anhalter in die nächstgelegene Großstadt Christchurch. Fast alle Hotels dort waren bereits mit gestrandeten Reisenden belegt. Mit Glück fand Timo noch ein Bett in einem Hostel – sein Zuhause für die nächsten vier Monate.
„Ich fühlte mich erst total entfremdet. Während meiner Wanderung hatte ich nur die Vögel gehört, die Natur, das Wasser – und jetzt waren plötzlich 90 wildfremde Menschen um mich herum, die auch gestrandet waren.“
Viele von ihnen wollten so schnell wie möglich nach Hause, auch Timos Familie riet ihm zum Heimflug. Was tun? Für den Wanderer brachen schwierige Wochen an. „Wir wussten ja nicht, ob nicht alles in einem Monat vorbei wäre und wir weiterreisen könnten“, erinnert er sich. „Irgendwann kam die womöglich letzte Möglichkeit, einen Flieger nach Deutschland zu ergattern. Es war nicht leicht, aber ich entschied mich, zu bleiben.“
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Pause muss sein: Timo posiert auf einem Holzmotorrad.
© Quelle: Timo Wehrmann/privat
Letzte Möglichkeit zur Heimreise: Verstrichen
Die Unsicherheit blieb. Viel gegrübelt habe er in den nächsten Wochen. Als sich seine Ersparnisse langsam dem Ende neigten, musste Timo handeln. Gemeinsam mit anderen Gestrandeten aus dem Hostel mietete er eine günstige Wohnung bei Airbnb. Mit seinem neu gewonnenen Freund Santiago zog er auf der Suche nach einem Job durch die Geschäfte in der Stadt.
„Alle wiesen uns ab, zum Teil wurden wir ausgelacht“, sagt er. Auch Neuseeland hatte die Corona-Pandemie hart getroffen, die Touristinnen und Touristen blieben aus, die üblichen Work-and-Travel-Jobs in der Stadt waren Mangelware. Als er über ein Onlineportal endlich einen Job als Aushilfe im Supermarkt fand, konnte Timo erstmals wieder durchatmen und Christchurch zumindest ein Stück weit zur Heimat auf Zeit werden lassen.
Schicksalhafte Begegnung in Christchurch
Nicht zuletzt, weil sein Leben nach dem Corona-Lockdown dort zum zweiten Mal auf den Kopf gestellt wurde. Diesmal war allerdings nicht Corona der Grund dafür, sondern eine lebhafte Neuseeländerin: Harriet.
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Foto mit Aussicht: Einige Etappen des Te-Aroara-Trails ist Timo gemeinsam mit seiner Partnerin Harriet gelaufen.
© Quelle: Timo Wehrmann/privat
Die beiden dateten, verliebten sich – und setzen die Reise, die Timo einst nach Neuseeland geführt hat, nach dem Lockdown abschnittsweise gemeinsam fort. „Den Queen Charlotte Track haben wir gemeinsam gemacht. Eine wunderschöne Tour über 100 Kilometer im Norden der Südinsel. Ein tolles Erlebnis, das zusammenschweißt.“
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Auf den Spuren der Filmtrilogie „Der Herr der Ringe“: Auch die Kultur kam auf Timos Neuseeland-Trip nicht zu kurz, hier besucht er mit Harriet ein Museum.
© Quelle: Timo Wehrmann/privat
Dieses schicksalhafte Treffen ist inzwischen eineinhalb Jahre her. Es ist Frühling 2022, und Timo befindet sich noch immer in Neuseeland, Harriet noch immer an seiner Seite. Die Wanderschuhe haben sie inzwischen gegen einen Camper getauscht.
Gemeinsam bereisen sie jetzt das Land, genießen die Landschaft und arbeiten immer mal wieder auf Obstplantagen, um das Reisebudget wieder aufzustocken.
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Harriet wagt sich während der Wanderung einen Hügel hinunter. Unten wartet eine kühle Erfrischung.
© Quelle: Timo Wehrmann/privat
Im Mai 2022 pflückt das Paar gerade Kiwis von den Bäumen. Diesmal fiel es Timo deutlich leichter, einen Job zu finden: Es seien nur wenige Backpacker mit Work-and-Travel-Visum im Land, sagt Timo, die Plantagen suchten händeringend nach Mitarbeitenden. Deswegen habe die Regierung auch sein Visum bislang immer wieder problemlos verlängert.
Anfang Mai öffnete Neuseeland seine Grenze für Reisende, doch erst gegen Ende des Jahres rechnet die Regierung damit, dass die Tourismus-Zahlen auf ein normales Niveau zurückkehren.
So geht es für Timo und Harriet weiter
Eben zu dieser Zeit geht es für den Niedersachsen dann zurück nach Deutschland. Doch im Gegensatz zum Hinflug wird er nicht allein die halbe Welt umrunden. Neben ihm wird Harriet sitzen, die dann endlich seine Familie in Deutschland kennenlernen wird.
Bleiben wollen sie dort nicht, sie träumen von einer Reise durch Spanien, Italien und England. Vielleicht mit einem Van, vielleicht mit dem Flugzeug. Festlegen wollen sich die zwei noch nicht. „Eins ist allerdings schon sicher: Die Zeit in Deutschland wird nur ein Besuch.“
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Blauer Himmel: Er macht den Ausblick auf die neuseeländischen Alpen noch beeindruckender.
© Quelle: Timo Wehrmann/privat
Danach soll die Reise weitergehen. „Wir wollen langfristig unterwegs sein“, verrät Timo. Neuseeland reicht ihm nicht. Dort hatte er eine Auszeit vom Alltag gesucht. Gefunden hat er Harriet, Santiago und Julius, neue Eindrücke.
Und eine wichtige Erkenntnis: „Am Ende wünschen sich alle Menschen dieser Welt nur ein warmes Zuhause, genug zu essen und zu trinken auf dem Tisch und dass es der Familie gut geht.“ Dieses Zuhause ist für ihn nicht an einen Ort gebunden. Gemeinsam mit Harriet will er einmal um die Welt reisen – und zuletzt seinen Freund Santiago in dessen Heimatland Kolumbien besuchen.
Du willst mehr über Timos Abenteuer in Neuseeland erfahren? Auf seinem Blog teilt er seine Erlebnisse und nützliche Tipps, auch rund um den Te-Araroa-Trail.
Reisereporter