Ein Striptease im Strahlenanzug, ein romantisches Schaukelbild auf einem verlassenen Spielplatz, ein Turnfoto vor einem zerfallenen Riesenrad – die Geschmacklosigkeit der Tschernobyl-Selfies in Prypjat kennt keine Grenzen. 

Das Atomkraftwerk Tschernobyl ist der Schauplatz einer der größten Katastrophen des 20. Jahrhunderts. Am 26. April 1986 explodierte der Kernreaktor in Block 4, es kam zur Kernschmelze. Die Stadt Prypjat wurde evakuiert.

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So wurde Tschernobyl zum Selfie-Reiseziel

Früher war das ein Arbeiterort mit 50.000 Einwohnern, die Atom-Katastrophe machte ihn zur Geisterstadt. Seit 2011 ist Prypjat wieder offiziell für Touristen zugänglich, ein Besuch ist mit geführten Touren möglich. Die Drama-Serie von HBO sorgt in diesem Jahr für einen regelrechten Boom. 

Für viele Instagrammer ist die Gegend um das ehemalige Atomkraftwerk vor allem eines: DAS neue Selfie-Reiseziel. Etliche der Fotos auf Instagram zeigen, wie wenig Respekt sie vor der Katastrophe, die Tausende Menschenleben forderte, haben. 

Striptease-Foto im Strahlenanzug in Prypjat

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Vor allem das Striptease-Foto von Instgrammerin „nz.nik“ (12.600 Follower), die mit nacktem Oberkörper, in Tanga und mit heruntergelassenem Strahlenanzug in der verseuchten Stadt posiert, sorgt für heftige Reaktionen. 

„Ich werde echt wütend, wenn ich so was sehe“, „Du solltest dich schämen“, „Vielleicht gehst du das nächste Mal halb nackt nach Auschwitz“ und „Du weißt schon, dass da Tausende Menschen gestorben sind“ sind nur einige von Hunderten kritischen Kommentaren. 

HBO-Serienmacher fordert Respekt von Tschernobyl-Touristen

Sogar Craig Mazin, Drehbuchautor für die HBO-Serie „Chernobyl“, hat sich eingeschaltet. Er fordert die Touristen vor Ort auf, „Respekt“ zu zeigen.

„Es ist wunderbar, dass #ChernobylHBO eine Tourismuswelle in die Sperrzone gebracht hat. Aber ja, ich habe die Fotos gesehen, die rumgehen“, twitterte er. „Wenn ihr den Ort besucht, denkt daran, dass sich dort eine schreckliche Tragödie ereignet hat. Zeigt Respekt für all diejenigen, die gelitten und sich geopfert haben.“

Der Tourismus in der verseuchten ukrainischen Stadt hat um 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zugenommen, sagt Sergiy Ivanchuk, Direktor von Solo-East-Tours, der Nachrichtenagentur Reuters. Für den Sommer werden noch mehr Touristen erwartet. 

Katastrophen-Tourismus: Besucher benehmen sich immer wieder daneben

Dass sich Touristen an Katastrophenorten oder Gedenkstätten danebenbenehmen, ist leider nicht neu. Im einstigen KZ Auschwitz etwa wurden mehr als eine Million Menschen ermordet.

Doch statt der Opfer zu gedenken, posieren viele Besucher auf den Gleisen. Auch vor dem Holocaust-Mahnmal in Berlin posieren immer wieder Touristen lachend für Selfies.