Lofoten im Winter – wenn der Himmel grün leuchtet
Wenn Nordlichter am Himmel flackern, der Skrei auf Wanderschaft geht und die Weißschwanz-Seeadler ihre Kreise ziehen, herrscht Winter auf den Lofoten. Eine Reise auf die Inselgruppe vor der Küste Nordnorwegens.
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Es ist kurz nach 23 Uhr, und wir liegen irgendwo zwischen dem 67. und 68. Breitengrad rund 100 Kilometer nördlich des Polarkreises auf dem Rücken im Schnee. Ellen Kachel, die in Nordnorwegen zu Hause ist und die Lofoten wie ihre Westentasche kennt, hatte beim Abendessen noch gesagt, man bräuchte vor allem Geduld, um die Polarlichter tanzen zu sehen.
Doch dann geht es plötzlich ganz schnell. Vor dem schwarzen Nachthimmel gleich hinter dem Leuchtturm von Henningsvaer erscheint zunächst ein grünes Flimmern, das sich kurze Zeit später wie ein Bogen über den nachtschwarzen Himmel spannt.
Es ist der Auftakt für ein Schauspiel, das seinesgleichen sucht und für das jedes Jahr im Winter Tausende in den eisigen Norden pilgern, um einmal im Leben das Nordlicht zu sehen.
Lichtexplosionen am arktischen Himmel
In dieser Nacht gibt sich der Himmel besondere Mühe. Grüne Spiralen drehen sich über uns, lila Wasserfälle stürzen vom Firmament herab. Wir haben Glück, denn ein Sonnensturm hatte am Wochenende zuvor so stark wie nur selten getobt und für die Lichtexplosion am arktischen Himmel drei Tage später gesorgt.
Ellen kennt das schon. Sie ist in Nordnorwegen groß geworden, lebt in Bodø, der Hauptstadt der Region Nordland, von wo aus die Schiffe der Hurtigruten auf die Lofoten übersetzen. Unzählige Male hat sie die Polarlichter gesehen.
Manchmal überraschen sie sie plötzlich auf dem Weg zum Supermarkt. „Und doch faszinieren sie uns hier oben immer noch“, sagt sie und zieht die Mütze noch ein bisschen enger über die Ohren. Aurora borealis hatte für kurze Zeit die Kälte vergessen lassen.
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Tagsüber ist die Sonne zwar nur kurz zu sehen, aber der Himmel über den kleinen roten Häusern von Henningsvaer erstrahlt dafür in hellstem Blau.
Im Frühjahr auf die Lofoten zu fahren, während man im grauen mitteleuropäischen Winter schon längst Sehnsucht nach Sonne hat, erschien zunächst wie eine Schnapsidee.
Kalt und vor allem dunkel ist es dort zu dieser Jahreszeit, wurden wir belehrt. Doch die Wirklichkeit sieht – wie so oft im Leben – anders aus.
Denn die Lofoten, die wie der rechte Arm Norwegens Richtung Süden zeigen, liegen direkt am Golfstrom, der dafür sorgt, dass die Temperaturen auch im arktischen Winter nicht ins Bodenlose fallen, sondern teilweise sogar über dem Nullpunkt liegen.
Wir sind alles andere als Maulwürfe, die den ganzen Tag vor der Tageslichtlampe sitzen.
Und auch das Licht ist gar nicht so dunkel, wie wir uns das vorgestellt hatten. „Wir sind alles andere als Maulwürfe, die den ganzen Tag vor der Tageslichtlampe sitzen“, klärt Ellen auf. Wer das behaupte, der sei noch nie hier gewesen.
Und sie hat recht. Vielmehr taucht die Sonne im Winter – auch wenn sie faktisch nur für wenige Stunden sichtbar am Himmel steht – die spektakuläre Bergkulisse und die zerklüfteten Fjorde der Lofoten in ein geradezu märchenhaftes Licht. Das Farbspiel reicht von Pink bis Dunkelblau.
Der Höhepunkt des Licht- und Farbspiels heißt im Winter Aurora borealis. Im Sommer ist es die Mitternachtssonne, die für schlaflose Nächte sorgt.
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Von Henningsvaer aus bietet sich ein beeindruckender Blick auf die Lofotenwand.
Das Licht ist auch ein Grund, warum die Inselgruppe trotz widrigster Bedingungen in der Vergangenheit immer wieder Künstler in ihren Bann gezogen hat. Jedes Fischerdorf hat hier seine eigene kleine Galerie. Die Vielfalt reicht von traditioneller Kunst bis zu zeitgenössischen Ausstellungen. Und die Szene wächst.
Alte Kaviarfabrik ist jetzt ein Kunstmuseum
Venke Hoff gehört dazu. Als die Kunstsammlerin 2006 aus Oslo nach Henningsvaer kam, entdeckte sie eine stillgelegte Kaviarfabrik. Hier, so dachte sich Hoff, die bereits kurz zuvor den Leuchtturm von Henningsvaer als zweiten Wohnsitz bezogen hatte, sei der perfekte Platz, um zeitgenössische Kunst in einer atemberaubenden Landschaft zu präsentieren.
Eine stillgelegte Kaviarfabrik ist heute in Henningsvaer eine Galerie für zeitgenössische Kunst.
Die Norwegerin und ihr Ehemann kauften die alte Fabrik und machten aus ihr eine international beachtete Galerie. Sogar Yoko Ono war schon da. Zwar nicht persönlich, „schließlich ist Ono mehr als 80 Jahre alt, und die Reise wäre wohl doch etwas beschwerlich“, sagt Hoff und lacht, aber die berühmte Künstlerin konnte für eine Lichtinstallation gewonnen werden.
Ein Jahr ist es nun her, dass der Leuchtturm von Henningsvaer „I Love You“ in die schwarze Nacht sendete. Die Skreifischer auf ihren kleinen Booten hatte man sicherheitshalber vorab informiert.
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Zum AngebotDer Skrei gilt als das Gold der Lofoten
Der Skrei, auch als Winterkabeljau oder Gold der Lofoten bekannt, ist die eigentliche Berühmtheit hier oben im Norden. Im Grunde dreht sich alles um den Fisch, und das seit Tausenden von Jahren.
Der Skrei ist der Wanderer unter den Meeresbewohnern. Jeden Winter um Weihnachten herum machen sich um die 70 Millionen geschlechtsreife Tiere von der arktischen Barentssee, wo sie leben, auf die Wanderschaft, um ihre Eier in den Gewässern rund um die Lofoten abzulegen.
Die sogenannte fünfte Jahreszeit, in der die Fischer der Lofoten zum Skreifang hinausfahren, dauert acht Wochen. Danach werden die Tiere zum Trocknen aufgehängt.
Die Lofoten sowie der angrenzende Vestfjord sind dank des Golfstroms angenehm warm. Geradezu perfekt zum Laichen. Wären da nicht die Lofoten-Fischer. Sobald der erste Skrei gesichtet ist, stechen sie in See. In früheren Zeiten nahm ein Viertel der Bevölkerung der Region Nordland an der Lofoten-Fischerei teil.
In ihren roten, blauen und honigfarbenen Nordlandbooten fuhren sie raus in die teils tobende See. Einige kamen nie zurück. Andere dagegen wurden schwerreich durch den Fisch, der noch heute zunächst über Monate im eisigen Wind getrocknet und anschließend als Stockfisch in die ganze Welt exportiert wird.
Kjerringøy, die alte Handelsstadt nördlich von Bodø, die einst wohlhabend wurde durch die Lofoten-Fischerei und dann, als die Einnahmen plötzlich einbrachen, zu verfallen drohte, ist heute eines der wohl schönsten Freilichtmuseen Norwegens und ein wunderbarer Platz, um sich in jene Zeit zurückversetzen zu lassen, als die Fischer abends in ihren Mannschaftsräumen beisammensaßen und sich ihre Abenteuergeschichten erzählten.
Im Grunde hat sich seitdem nicht viel geändert. Sogar die Fangquoten sind mittlerweile wieder einigermaßen stabil. Das Einzige, was den Fischern Sorgen bereitet, ist die europäische Konkurrenz, die die Tiere abfangen könnte, bevor sie die Lofoten überhaupt erreichen.
„Das ist ein Grund, warum viele nicht in der Europäischen Union sein wollen“, sagt Ellen. Denn die anderen großen Fischereinationen, so sorgen sich die Lofoten-Fischer, würden möglicherweise teilhaben wollen an der goldenen fünften Jahreszeit, wenn der Skrei wieder auf Wanderschaft geht.
Vor den Fischerhütten in Svolvaer wird an großen Holzgestängen der Skrei getrocknet, den die Fischer zwischen Januar und April in den Fjorden fangen.
Wir dagegen dürfen sogar wohnen wie die Lofoten-Fischer und beziehen in Svinøya jeder ein eigenes kleines Rorbu, eine kleine rote Fischerhütte, die auf Stelzen direkt am Hafen gebaut wurde. Unmittelbar vor unserer Tür wird der Skrei getrocknet, als die Dämmerung anbricht, zieht noch kurz ein Seeadler am Fenster unserer Hütte vorbei und erinnert uns daran, dass wir uns am nächsten Tag warm anziehen sollten. Und zwar im doppelten Sinn.
Im Schlauchboot geht es auf Seeadlersafari
Denn das Meer ist kalt und die Wassertemperatur liegt – trotz wärmenden Golfstroms – bei nicht mehr als vier bis sechs Grad um diese Jahreszeit. „Es ist noch nie etwas passiert“, beruhigt uns Ellen, noch bevor wir in das Schlauchboot steigen, um auf Seeadlersafari zu gehen.
Nirgendwo auf der Welt leben so viele Weißschwanz-Seeadler wie rund um Bodø. Und weil man die Tiere am besten vom Meer aus beobachten kann, haben wir wetter- und wasserfeste Ganzkörperanzüge bekommen, die uns wie die Teletubbies aussehen lassen. Die Hände stecken in Fäustlingen, die Augen sind mit Brillen vor Kälte und Gegenwind geschützt. Sicher ist sicher, denn von vorn peitscht die eiskalte Gischt, während hinten im Boot der Guide Heringe in die Luft wirft.
Der Seeadler, der schon seit geraumer Zeit über uns kreist, nimmt den Fisch ins Visier und stürzt Richtung Wasseroberfläche. Mit seinen Krallen greift er die Beute. Wir greifen nach den Kameras. Ohne Handschuhe muss man schnell sein, um das Tier im Bild einzufangen. Aber das Motiv ist perfekt und die Kälte schon wieder vergessen. Doch die Eindrücke, die bleiben.
Tipps für deine Reise nach Norwegen
Anreise: Der nächste Flughafen liegt in Bodø. Er wird täglich von den Fluggesellschaften SAS und Norwegian von Oslo aus angeflogen. Natürlich kann man auch die Fähre nehmen beziehungsweise das Postschiff. Die Autofähre legt täglich in Bodø ab.
Wissenswertes: Norwegen ist kein Mitglied der Europäischen Union, deshalb sollte man sich bei der Ein- und Ausfuhr von Waren über die Zollbestimmungen informieren. Alkohol ist teilweise extrem teuer. Ein Glas Wein oder Bier kann im Restaurant mit mehr als 10 Euro zu Buche schlagen.
Die beste Zeit für Nordlichter: Aurora borealis ist von Ende September bis Ende März in Nordnorwegen zu beobachten. Es gibt Apps, die den Polarlichtjäger darauf hinweisen, wann und wo man die Lichter am besten beobachten kann. Einfach im App Store oder Google Play Store nach Norway Lights suchen.
Die Reise wurde unterstützt von Visit Norway und der Region Nordnorwegen. Über Auswahl und Ausrichtung der Inhalte entscheidet allein die Redaktion.