Colorado: Ganz oben in den Rocky Mountains
Der Wintersportort Breckenridge im US-Bundesstaat Colorado setzt vermehrt auf Ganzjahresangebote. Nicht nur mit Bergtouren: Vom Ziplining bis zum Fliegenfischen gibt es in der Kleinstadt viel zu erleben.
Ein Touristenort ganz ohne Burgerketten, dafür mit viel viktorianischer Architektur und Wildlife-Feeling: Das ist Breckenridge in Colorado, knapp zwei Autostunden von Denver entfernt. Noch bevor es in Deutschland Denkmalschutzgesetze gab, haben sie in dem Bergort eine gute Idee gehabt.
An der Hauptstraße und im „historic village“ sollten Neubauten nur erlaubt sein, wenn sie in historisch stimmiger Architektur errichtet werden, beschloss der Rat Anfang der 70er-Jahre.
So hat sich die Kleinstadt ihre malerische Kulisse erhalten, die heute ein Anziehungspunkt für Touristen aus der ganzen Welt ist. Nicht nur im Saloon mit dem schweren Banktresor und lauter Countrymusik fühlt sich der Besucher ein bisschen wie in Cowboyzeiten.
13,9 Pfund schwer war der Goldnugget, den Tom Groves am 23. Juli 1887 in Breckenridge barg - daran erinnert eine Statue in der Stadtmitte.
In Breckenridge wurde der größte Goldnugget Amerikas gefunden
Breckenridge ist der Ort, in dem der größte Goldnugget in Amerikas Geschichte gefunden wurde: Mehr als 13 Pfund schwer soll „Tom’s Baby“ gewesen sein. Tom Groves hat ihn 1887 geborgen; ein Denkmal in der Stadtmitte erinnert an ihn, das Kleinstadtmuseum widmet der wahren Legende einen wichtigen Teil seiner Ausstellung.
Während aber viele andere Goldgräberstädte nach Abklingen des Rausches in die Bedeutungslosigkeit fielen, hat Breckenridge nicht nur optisch die Verlängerung in die Zukunft geschafft. Zwei Norweger haben 1956 den Impuls gegeben, hier Wintersport anzubieten. Heute steht hier der höchste Skilift Nordamerikas, im Winter ist Breckenridge das Mekka der Ski- und Après-Ski-Fans.
In den Bergen leben Elche, Kojoten und Murmeltiere
Wir aber sind im Sommer angereist. Vom Schnee, der im Winter mit bis zu acht Metern Höhe fällt, ist kaum etwas geblieben. Einige weiße Flecken flimmern auf den nahen Gipfeln, ansonsten: grüne Wildnis. Die Baumgrenze ist hier etwas höher als in Europa. Elche, Kojoten, Murmeltiere und Stachelschweine leben in den Bergen – und echte Männer, trinkfest und outdoorgestählt.
Justin Beer etwa, der in dieser Saison einen Elch mit Pfeil und Bogen erlegt hat. Vier Mann seien nötig gewesen, um ihn abzutransportieren, sagt der bärtige 38-Jährige, und seine Augen leuchten. Getrocknetes Elchfleisch gibt es in den Rocky Mountains in fast jedem Supermarkt, und, ja: Es schmeckt gut bei einer Bergwanderung.
In Breckenridge ist an vielen Orten Aktionskunst zu sehen – so wie dieser große Holztroll im Wald.
Breckenridge tut viel, um sich auch für den Sommertourismus fein zu machen. Kulturfestivals locken in der warmen Jahreszeit Touristen an. Kunstinstallationen bereichern Wanderwege im Wald, Konzerte erklingen in der Town Hall, kunstvolle Walking Acts flanieren an lauen Sommerabenden durch den Ort: Die Kunstförderer der Kleinstadt rund um Robb Woulfe und seinen Verein Breckenridge Creative Arts stellen allerhand auf die Beine – und fast alles ist kostenlos.
Sommerrodeltouren und Kletterevents bieten Abwechslung
Geld genug ist dank des boomenden Wintersports vorhanden: Alle Stadtbusse sind gratis, und auch die Auffahrt zum Freizeitgelände Epic-Discovery-Park mit der Gondelbahn ist kostenlos. Dort oben bieten sie Sommerrodeltouren an und Kletterevents und Mountainbiking und seit 2018 auch einen Zipline-Trail der Extraklasse.
Zehn Stationen lang ist die Tour am Stahlseil durch Baumwipfel und darüber hinweg, von schweren Stahlkarabinern gesichert in Bergsteigergeschirr, denn es geht rasant talwärts. Bis zu 70 Kilometer in der Stunde soll man schnell werden – und tatsächlich tränten die Augen nach bestandener Tour nicht nur vor Glück.
Wer Action sucht, wird im nahen Epic-Discovery-Park fündig, der mit Sommerattraktionen wie dem Zipline-Trail und einer hohen Hängebrücke lockt.
Wer statt des Freizeitparks die Natur genießen will, packt am besten den Rucksack und wandert zu einer der Berghütten. Unser Guide Paul Georg Schmidt, Sohn deutscher Einwanderer, führt uns über den Wheeler-Trail zu Francie’s Cabin auf 3.950 Metern Höhe.
Einsam liegt die geräumige Blockhütte im Wald. Trinkwasser muss mit einer Filterpumpe aus dem nahen Bach geschöpft werden. Für etwas Strom sorgt neuerdings ein Solarpanel.
Auf dem Weg zum Peak 10 steht auf 3.500 Metern Höhe Francie's Cabin.
Die Cabin ist eine von rund drei Dutzend Holzhütten im Summit County, die von Mitgliedern der 10th Mountain Division errichtet wurden. Die Soldaten haben im Zweiten Weltkrieg in den Rocky Mountains für einen Kriegseinsatz in den Alpen trainiert. Zugang zu ihren Cabins gibt es – im Gegensatz zu den meisten europäischen Berghütten – nur nach Buchung und mit Code.
Dann aber finden 15 Personen in Francie’s Cabin Nachtruhe – und einen großen Aufenthaltsraum, stilecht mit Kamin und Küche, Gesellschaftsspielen und einer Gitarre. Draußen wartet eine Sauna darauf, befeuert zu werden: Eigentlich ist alles da, was es zum Leben braucht.
Doch der Berg ruft – und wir folgen enthusiastisch. Anfangs. Francie’s Cabin steht auf etwa 3.500 Metern Höhe, der Weg aus Breckenridge (2.926 Meter) über den Spruce Creek war noch bequem. Auf einem Hochplateau liegt malerisch der Crystal Lake, doch ringsherum ragen schroffe Gipfel in den Himmel. Da wollen wir hoch?
Ein Teil unserer Gruppe kehrt gleich um, einige machen etwas später schlapp, doch zu fünft kommen wir schließlich erschöpft auf der Spitze von Peak 10 in 4.157 Metern Höhe an. In der Gipfelbox, einer kleinen Blechkiste, liegen ein paar Gegenstände, die von unseren Vorgängern zurückgelassen wurden.
Dabei auch der Zettel „Kyle + Brit: Never again“. Wir fühlen in unseren Beinen, was sie meinen, und müssen trotzdem lachen.
Guide Paul Georg Schmidt führt regelmäßig Besucher auf die Spitze von Peak 10.
Weit schweift der Blick von diesem höchsten Punkt, neben uns flattert die US-Fahne, und dann sagt unser Guide Paul diesen Satz: „To go up is an option, to go down is a mandatory.“ Hochzusteigen war eine freie Wahl – der Weg hinab aber ist nun Pflicht. Wir verpassen den richtigen Pfad, kraxeln über Geröllhalden und durch Buschwerk, am Ende schmerzen nicht nur die Waden. Aber: was für ein Erlebnis, was für ein Stolz am Abend in der Hütte, Auf- und Abstieg geschafft zu haben.
Man kann zwar viele Strecken ohne Guide gehen, aber die meisten überschätzen ihre Kräfte.
Guide Paul ist eigentlich Mitglied der Bergwacht. Mindestens einmal im Monat, sagt er, müsse er Personen retten, die „cliffed out“ sind, die sich verlaufen haben, erschöpft oder in Bergnot sind.
Und immer wieder gebe es schwere Stürze und auch Todesfälle in den Mountains. „Man kann zwar viele Strecken ohne Guide gehen“, sagt er, „aber die meisten überschätzen ihre Kräfte.“
Fliegen fischen zum Entspannen
Was macht der Amerikaner nach einem so anstrengenden Tag? Er geht fischen. Natürlich: Fliegen fischen, die feinste Art, auf Raubfischpirsch zu gehen. Wobei wir in Mitteleuropa mit seinen überfischten Flüssen zuweilen witzeln, Fliegenfischen sei die sportlichste Art, keinen Fisch zu fangen.
Aber hier, in den Rocky Mountains mit ihren klaren und sauerstoffreichen Bergflüssen, da kann man die Forellen im Wasser sehen, wie sie an Strömungskanten auf Beute lauern und dann blitzschnell die zierliche Fliegenimitation an der feinen Angelschnur schnappen.
"Wo Forellen sind, kann kein schlechter Platz zum Leben sein": Der Blue River ist ein beliebter Platz zum Fliegenfischen.
„Trouts never live at ugly places“, sinniert unser Guide Keith McHugh. In der weiten Berglandschaft der Rocky Mountains klingt der Satz sehr weise, wie eine Antwort auf all die Probleme der Zivilisation: Wo Forellen sind, kann kein schlechter Platz zum Leben sein.
Tipps für deine Reise nach Colorado
Anreise: Per Direktflug etwa von Frankfurt am Main aus geht es zunächst zum internationalen Flughafen in Denver. Breckenridge ist von hier aus mit dem Auto oder mit regelmäßig verkehrenden Shuttlebussen in etwa zwei Stunden Fahrtzeit zu erreichen. Mit dem täglich mehrfach verkehrenden Zug dauert es 4,5 Stunden.
Kulturspektakel: Vom 9. bis 18. August 2019 findet das große Breckenridge International Festival of Arts mit vielen spektakulären Aktionen statt. Bereits vom 30. Mai bis 2. Juni erleben Besucher das Festival „Light + Water + Sounds“ mit vielen Illuminationen am Fluss, der sich in der Stadt zum See weitet.
Und am 31. Oktober steht der dreitägige „Día de los Muertos“ auf dem Programm. Er ist angelehnt an das mexikanische Totenfest, aber ungemein fröhlich, mit viel Musik, Tanz und natürlich Kleinkunst.
Weitere Informationen: Das Welcome-Center an der 203 S. Main Street ist zentral gelegen. Dort befindet sich auch das kleine Museum. Einige Hundert Meter weiter gibt Austyn Dineen im Tourismusbüro an der 111 Ski Hill Road bereitwillig und geduldig Auskünfte. Man kann die Mitarbeiter des Büros auch per Mail unter welcomecenter@gobreck.com erreichen.
Die Reise wurde unterstützt vom Breckenridge Tourism Office. Über Auswahl und Ausrichtung der Inhalte entscheidet allein die Redaktion.