Der Whisky-Tourismus boomt, und für Liebhaber rauchiger Single Malts ist die Insel Islay so etwas wie Rom oder Lourdes für fromme Katholiken. Ihr Name ist heilig, viele träumen von ihr, nicht wenige pilgern irgendwann tatsächlich einmal dorthin. Denn auf Islay (sprich Ei–La) gibt es acht Destillerien, deren überwiegend torfige Whiskys weltweit geschätzt werden.

Die älteste ist Bowmore (sprich: Bomohr) in der Mitte der der Insel. Westlich davon befinden sich Bruichladdich (sprich Brukchladdie), wo neben dem ungetorften „Laddie“ auch die rauchigen Marken Port Charlotte und Octomore gebrannt werden, und Kilchoman, eine erst 2005 gegründete Farm-Distillery.

An der Südküste liegen nebeneinander Laphroaig (sprich: La–Froig), Lagavulin und Ardbeg, im Nordosten am Sound of Islay die Destillen Caol Ila (sprich: Koll–Ila) und Bunnahabhain (sprich: Bannahavan). Da oben geht in diesem Jahr als neunte Brennerei Ardnahoe in Betrieb. Und es gibt weitere Neuigkeiten auf Islay.

Baustelle Ardnahoe: Die neunte Brennerei geht bald in Betrieb

Tiefblau und kühl spiegelt sich der Himmel Islays im Wasser von Loch Ardnahoe. Der kleine See liegt an der Nordostküste der Insel – links der schmalen Straße zwischen Port Askaig und Bunnahabhain.

Rechterhand markiert ein Schild die Einfahrt zur Distillery. „Opening 2018“ steht darauf. Noch prägen Bauzäune und Bagger das Bild rund um die grauen Hallen, in deren Mitte ein Pagodenturm prangt. Arbeiter laufen geschäftig hin und her.

Schottisches Idyll am Sound of Islay: Die Destillerie Ardnahoe.

Der Blick über den schmalen Sound of Islay auf die Nachbarinsel Jura ist atemberaubend. Zehn Millionen Pfund investiert die familiengeführte Glasgower Edel-Abfüllerei Hunter Laing hier in ihre erste eigene Brennerei. Auf der Website werden zum Start exklusive Privat-Fässer angeboten – für 7.000 Pfund Sterling das Stück, inklusive zehn Jahre Lagerung. Dieser Tage soll das erste Destillat aus den brandneuen Brennblasen laufen.

„Fotos von der Baustelle sind leider nicht gestattet“, erklärt Fiona Mactaggart freundlich, aber bestimmt, während sie uns im Container-Büro mit Warnwesten und Helmen ausrüstet. Aber sie freut sich über das Interesse an ihrem neuen Arbeitsplatz und führt uns stolz durch die Distillery, in der überall noch Tischler, Installateure und Maler am Innenausbau werkeln.

Bar mit Aussicht auf die Paps of Jura

Der Rundgang beginnt und endet im künftigen Besucherzentrum und Shop, einem großen Raum mit Tresen und Regalen, die jetzt freilich noch leer sind. Ebenso wie das Fasslager, das an Ort und Stelle Platz für 400 bis 500 Privat-Casks bietet. Dazwischen gibt es viel Platz für Restaurant und Panorama-Bar.

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Wer hier zum Essen oder auf ein „Wee Dram“ (Gläschen) einkehrt, hat durch das raumhohe Fenster oder auf dem Balkon wieder die traumhafte Sicht auf die Paps of Jura.

Bei dem Blick auf die Paps of Jura schmeckt der Whisky noch besser.

Das spitze Pagodendach, das bei traditionellen schottischen Brennereien als Rauchabzug dient, ist hier allerdings reiner Zierrat – in Ardnahoe wird nicht gedarrt. Wie die meisten Islay-Distilleries heutzutage bezieht die Brennerei ihren wichtigsten Rohstoff aus der großen Industrie-Mälzerei aus Port Ellen.

„Anfang Oktober kam die erste Lieferung“, sagt Fiona. „Malz von schottischer Gerste, mit Torfrauch getrocknet, Phenolgehalt 40 ppm.“ Also ziemlich „peaty“ (torfig), wie man hier sagt.

Die Produktionshalle ist barrierefrei für Besucher

Und dann führt sie durch die Produktionshallen: Maische-Bottich, vier hölzerne 250.00-Liter Washbacks (Gärbottiche), Brennraum – alles auf einer Ebene. Keine Treppen, keine Stufen, überall genug Platz zum Gucken. „Unser Wasser kommt vom Loch Ardnahoe“, erklärt sie, „das Malz wird in einer soliden alten Bobby-Mill gemahlen. Alle Wasserklappen werden von Hand bedient. Es gibt keine Computer. Langsame Destillation. Klasse statt Masse. Nur erfahrene Leute von der Insel.“

Kein Wunder: Für ihr Ardnahoe-Projekt konnten die Laings als Berater den legendären Master–Distiller Jim McEwan gewinnen, der Jahrzehnte lang in Bowmore und Bruichladdich gewirkt hatte.

„Jim hat unseren Jungs eine Menge Input gegeben“, sagt Fiona und strahlt über das ganze runde Gesicht. „Wir sind hier auf Islay alle eine große Familie. Alle helfen einander mit Rat und Tat. Die Ardnahoe–Leute haben sich in allen anderen Distilleries umgeschaut.“

Zwischen der großen Besucherplattform und dem Panoramafenster im Still Room stehen zwei hohe kupferne Brennblasen. Durch lange Röhren gelangt der Alkoholdampf zu den außen liegenden Kondensern, den einzigen traditionellen „worm tubs“ auf Islay, die – wegen der schöneren Anmutung – mit Holz ummantelt sind. Sehr eindrucksvoll.

Während Besucher in den alten Brennereien oft über winklige Eisentreppen und schmale Flure geführt werden, ist Ardnahoe offensichtlich von vornherein komplett auf den Whisky–Tourismus ausgerichtet. „Alles geht hier um das Erlebnis der Besucher“, erklärt Fiona. „Wir möchten, dass sie mit mit einem einzigartigen Gefühl wieder gehen.“ Und selbstverständlich freut sie sich, eine von 20 Ileachs zu sein, die in der neuen Distillery Arbeit gefunden haben.

500.000 Liter klassisch getorfter „new-make“ sollen hier jährlich gebrannt werden. Scott Laing, Juniorchef von Hunter Laing, geht davon aus, dass Ardnahoe ein unverwechselbarer Islay Malt Whisky wird. „Jetzt geht es darum, den Alkohol langsam und sorgfältig zu destillieren, und ihn lange genug in gutem Holz reifen zu lassen“, sagt er. „Wir müssen uns Zeit nehmen und nicht die Kurven schneiden, und dann wir sind überzeugt, mit ausgezeichnetem Whisky belohnt zu werden.“.

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Port Ellen: Kult und Kohle

Hinter einem vergitterten Fensterchen des Lochside Hotels in Bowmore stehen drei Flaschen Port Ellen, im Regal der bestens sortierten Bar noch ein paar mehr. Ein Dram dieses raren Single Malts kostet hier zwischen 160 und 265 Pfund, und es gibt durchaus Leute, die das gern bezahlen.

Die 1825 gegründete Brennerei im Nachbarort Port Ellen war schon zwischen 1929 und 1966 geschlossen gewesen. 1983 wurde sie in einer Überproduktionskrise der schottischen Whiskyindustrie abermals dichtgemacht, 2003 sogar großenteils abgerissen.

Was jedoch aus alten Port–Ellen–Fässern noch auf den Markt kommt, hat unter Whisky-Enthusiasten längst Kult-Status erlangt und wird daher teuer gehandelt. So ging es sicher nicht nur um Traditionsbewußtssein, als der multinationale Alkohol-Konzern Diageo (Johnnie Walker, Smirnoff, Guinness) vor einem Jahr ankündigte, seine stillgelegte „ikonische“ Distillery auf Islay wieder in Betrieb zu nehmen.

Industrie und Manufaktur

Zu sehen ist davon noch nichts, aber der Standort ist schon von Bord der Fähre beim Einlaufen in Port Ellen gut zu erkennen. Der Name steht – wie auf Islay üblich – in großen schwarzen Lettern an einem der langgestreckten weißen Lagerhäuser direkt an der Bucht.

Dahinter erheben sich grau und riesig die mit Blech verkleideten Fabrikgebäude und Getreidesilos der Port Ellen Maltings. Vor dieser Kulisse dürfte es schwierig werden, Manufaktur-Romantik zu beschwören.

Nicht zu übersehen: Die schwarzen Letter der Destillerie "Port Ellen".

Projektmanagerin Georgette Crawford, die von Diageo damit betraut wurde, die Brennerei wieder in Betrieb zu nehmen, spricht denn auf youtube auch von einer „spannenden Mixtur von Tradition und Innovation“. Auf Interview-Anfragen reagiert der Konzern derzeit nicht.

Georgie Crawford ist in Port Ellen aufgewachsen und hat für Diageo schon siebeneinhalb Jahre lang erfolgreich die renommierte Lagavulin-Distillery geführt. Nun wühlt sie sich durch die Archive, um, wie sie betont, „die Persönlichkeit von Port Ellen“ herauszuarbeiten. Sie möchte auch „ein Hofgefühl schaffen, das künftigen Besuchern einen wundervollen Distillery-Tag beschert.“

Diageo-Konzern betreibt 30 Whisky-Destillerien

Das passt jedenfalls zum Marketing-Konzept des Diageo-Konzerns, der in Schottland knapp 30 Whisky–Destillerien betreibt und in den nächsten drei Jahren 150 Millionen Pfund allein in seine dortigen Besucherzentren investieren will. Kernstück soll ein neues hochmodernes Johnnie-Walker-Erlebnis-Centre in Edinburgh werden, das direkt mit vier Brennereien in den verschiedenen Regionen Schottlands verbunden sein wird.

Darunter auch mit Caol Ila auf Islay, deren Jahresproduktion von bis zu 3,5 Millionen Litern Alkohol übrigens nicht auf der Insel gelagert und größtenteils nicht als Single Malt vermarktet wird, sondern in gängige Marken-Blends fließt – von Johnnie Walker über Bells bis zur eher dubiosen „Black Bottle“.

Port Ellen dagegen wird mit einer jährlichen Kapazität von 800.000 Litern Alkohol laut Cristina Diezhandino, Diageos Global Scotch Category Director, zu den kleinsten Distillerien des Konzerns gehören. Die Investition liegt bei 16 Millionen Pfund, der Produktionsstart ist für 2020 geplant.

Traditionsmarke Port Charlotte

Ein Whisky namens Port Charlotte wird dagegen schon länger wieder auf Islay gebrannt, gelagert und abgefüllt, obwohl die Destillerie des kleinen Ortes im Inselwesten seit 1929 geschlossen ist.

Diverse Varianten dieses eleganten, torfigen Malts gehören zum Programm der Brennerei Bruichladdich, zwei Meilen weiter nördlich, die erst im Jahr 2001 unter Jim McEwan wieder in Betrieb gegangen war.

Die Brennerei Bruichladdich produziert drei Marken: der normale Bruichladdich, der getorfte Port Charlotte und der Single Malt Scotch Whisky Octomore.

Gerade hat die seit sechs Jahren zu Rémy-Cointreau gehörende „Progressive Hebridean Distillery“ einen Relaunch der Marke hingelegt – mit einem zehnjährigen Port Charlotte und einem ausschließlich mit Islay-Gerste von 2011 gebrannten Whisky als Basis-Abfüllungen.

Pläne liegen auf Eis

Und was ist – angesichts der Entwicklungen in Ardnahoe und Port Ellen mit der schon 2007 angekündigten Wiedereröffnung der Brennerei in Port Charlotte?

„Das war eine große Idee“, erzählt Produktionsdirektor Allan Logan, „aber die Pläne liegen derzeit auf Eis. Tatsächlich gehören uns die alten Lagerhäuser und Grundstücke in Port Charlotte. Wir hatten sogar schon das ganze Equipment – günstig erworben, als 2003 die Distillery Inverleven in Dumbarton abgerissen wurde. Eigentlich wollten wir da nur ein Ersatzrohr für unsere alte Maischetonne holen. Und dann bot uns das Abrissunternehmen die ganze Brennerei-Ausrüstung zum Schrottpreis an: Brennblasen, Maischetonnen, Washbacks, Leitungen! Also fuhren wir mit einer kleinen Truppe hin, bauten alles ab und brachten es nach Islay.“

Produktionsdirektor Allan Logan schnuppert an einem Whisky.

Aber dann kam die Finanzkrise 2007/2008, und es wurde entschieden, lieber in Bruichladdich selbst zu investieren. „Also machen wir den Port Charlotte weiter hier. Unsere Produktionskapazität von 1,5 Millionen Litern jährlich ist längst noch nicht ausgereizt, und deshalb gibt es im Moment keine Notwendigkeit, eine neue Distillerie zu bauen“, erklärt Allen Logan.

Derzeit werden lediglich die alten Warehouses in Port Charlotte benutzt. Damit der Whisky in der salzigen Luft am Ufer nur einen Steinwurf vom Ufer des Loch Indaal entfernt reifen kann.

Alles auf Islay

Das ist wichtig für die Bruichladdich-Leute. Sie glauben – nicht erst seit der Verbindung mit dem französischen Spirituosen-Konzern – an die Bedeutsamkeit des Terroir-Gedankens, also daran, dass Besonderheiten und Klima eines bestimmten Standortes entscheidend sind für die Qualität der dort erzeugten Produkte.

Schon Mark Reynier und Simon Coughlin, die 2001 die Wiedereröffnung finanzierten, brachten als Weinhändler diese in Frankreich gängige Philosophie mit auf die Insel.

Seit diesen Tagen ist Bruichladdich die erste und einzige große Distillery, die (bis auf das Mälzen) tatsächlich alles auf Islay macht – von der Planung über das Brennen und die Reifung des Whiskys bis zum Füllen der Flaschen. Dass dies Arbeitsplätze schafft, gehört zur Philosophie des Unternehmens.

„Uns geht es nicht nur um Zahlen“, erklärt Allan Logan. „Unser Fokus liegt auf Qualität und Gemeinschaft. Jeder hier ist wichtig. Wir sind wie eine große Familie.“ 

Seit 1881 wird hier in Bruichladdich feiner Whisky gebrannt.

Nicht ohne Stolz erwähnt er, dass Bruichladdich inzwischen der größte Arbeitgeber auf Islay ist. 102 Frauen und Männer gehören zu der eingeschworenen Truppe, die Hälfte davon unter 40. Ashley Jade McGregor zum Beispiel, eine junge Frau von der Insel, arbeitet als Tourguide, hilft aber auch beim Etikettieren, wenn’s nötig ist, und spricht beim Rundgang so begeistert und kompetent von Bruichladdich, als ob es ihr eigener Laden wäre.

Der Chef erkennt darin seinen eigenen Weg wieder: „Jim gab mir eine Chance, da war ich 19.“ Jetzt bestimmt Allen Logan über die Geschicke der Brennerei.

Gerste von der Insel

Dazu gehören auch Gespräche mit Farmern der Umgebung. Inzwischen bauen schon 18 von ihnen auf 1.000 Acres Gerste eigens für Bruichladdich an. „Als wir anfingen, war das neu, da staunten sie noch, dass wir es wichtig fanden, Gerste von der Insel für unseren Whisky zu kaufen“, erinnert sich der Manager.

„Inzwischen sind sie einbezogen in die Produktion. Das ist eine Sache der Qualität, nicht der Quantität. In den letzten 18 Jahren haben wir sehr viel mit verschiedenen Sorten und Fässern experimentiert, jeden Tag lernen wir etwas dazu und entdecken etwas Neues.“

Schon bezieht Bruichladdich 30 Prozent der benötigten Gerste von Islay, der Rest kommt aus der Gegend von Inverness, wo die Brennerei auch mälzen lässt. Noch. Denn nachdem Rémy-Cointreau in neue Lagerhäuser und die Flaschenabfüllung investiert hat, soll als nächstes eine eigene Mälzerei gebaut werden.

Damit auch die Gerste für die drei Marken Bruichladdich, Octomore und Port Charlotte auf Islay gemälzt und getrocknet werden kann – mit Torf von der Insel. „Vieles muss sich entwickeln. Wir glauben an Karma“, sagt Allen Logan nachdenklich und fügt hinzu: „Port Charlotte wieder aufmachen? Sag niemals nie. Aber eine eigene Mälzerei ist jetzt wichtiger.“

Reisetipps für die Insel Islay

Die Insel Islay gehört zu den inneren Hebriden an der Westküste Schottlands und kann nur per Schiff oder Flugzeug erreicht werden. Von Glasgow aus fliegt Loganair den kleinen Inselflugplatz an.

Romantischer ist es, etwa zweieinhalb Stunden mit Mietwagen oder Bus die landschaftlich schöne Strecke nach Kennacraig zu fahren und dort eine Fähre der Reederei Caledonian MacBrayne nach Port Ellen oder Port Askaig zu nehmen. Tickets kannst du im Internet ohne Probleme im voraus buchen.

Auf Islay selbst verkehren Busse, aber mit einem Mietwagen kommst du besser an die schönsten Plätze. Es gibt eine Reihe Hotels und viele Privatunterkünfte in verschiedenen Preisklassen – B&B, Apartments und Cottages. In Restaurants und Pubs werden frischer Fisch, Hummer und Krabben, Jakobsmuscheln und Austern sowie Lamm und Wild von der Insel serviert.

Und selbstverständlich Islay Malt. Alle Destillerien auf Islay bieten Führungen und Verkostungen an. In der Hauptsaison sind telefonische Voranmeldungen für bestimmte Touren ratsam. Die Touristeninformation findest du in Bowmore nahe der Brennerei.