Wer Luxemburg verstehen will, was an sich gar nicht so schwer ist, geht am besten mitten hinein ins Großherzogtum, ins Zentrum der gleichnamigen Hauptstadt.

Guillaume Kaempff betreibt hier am Place Guillaume II einen landesweit bekannten Feinkostladen, dessen Hauptdelikatesse außerhalb des Landes aber kaum jemand kennen dürfte: die Rieslingpastete. Und die sagt im Grunde viel über dieses wunderbar eigenwillige Land aus, über Europas inoffizielles Zentrum. Aber fangen wir mit der Pastete an.

Warum Luxemburg für Pastete bekannt ist 

Fleisch wird dabei über viele Stunden mariniert, in eine Art Mürbeteig eingearbeitet und anschließend mit Gelee aus Rieslingwein aufgefüllt. Das wird nicht mal so eben nebenbei gemacht und ist unter anderem deswegen eine echte Delikatesse.

„Mein Großvater hat das Rezept im Jahr 1928 entwickelt“, sagt Guillaume Kaempff. Und entstanden sei die Pastete eigentlich nur, weil die wöchentliche Herrenrunde des Großvaters zum obligatorischen Wein ganz gern einen angemessenen Snack haben wollte.

Gesagt, getan – heute, 90 Jahre später, ist die Rieslingpastete längst das meistgefragte Produkt im Geschäft. „Wir verkaufen täglich 800 bis 1.200 Stück davon“, überschlägt Kaempff.

Guillaume Kaempff ist der Herr der Rieslingpastete.

Für Essen lässt man sich hier gern Zeit

Guter Wein, gutes Essen – das ist schon mal eine ganz passable Formel, um Luxemburg zu beschreiben. Fürs Essen lässt man sich hier im Großherzogtum gern Zeit und schaut dabei auch nicht unbedingt auf den Euro. Gut sollte es sein, und das ist es fast überall.

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Manche meinen, die Formel laute: Das Beste aus Frankreich, Deutschland und von den flämischen Nachbarn. Doch damit tut man Luxemburg unrecht.

Vieles mag zwar im Alltag vertraut vorkommen – die französischen Bäckereien, der Riesling, die deutschsprachigen Texte in der Tageszeitung oder das omnipräsente Tagesgericht Muscheln und Fritten –, doch geht Luxemburg bei alldem durchaus einen eigenen Weg.

Luxemburg: Der Nahverkehr wird für alle kostenlos

Während andere europäische Orte sparen, leistet sich das Großherzogtum etwa derzeit ein ganzes Straßenbahnnetz in seiner Hauptstadt, Klimaanlage inbegriffen.

Und als wäre es nicht schon sensationell, dass sonnabends jedermann kostenlos im ganzen Land Bus und Bahn fahren darf, will die Regierung beides von 2020 an komplett dauerhaft für alle kostenfrei anbieten. Jugendliche und Studenten fahren schon heute generell gratis. Aber sollte man ein ganzes Land über Essen, Wein und die Straßenbahn definieren?

Luxemburgisch ist die Nationalsprache

„Es gibt zwei identitätsstiftende Merkmale bei uns“, sagt Hans Fellner, Autor, Kurator und Buchhändler aus Luxemburg, „den Großherzog und die Sprache.“ Luxemburgisch ist seit 1984 Nationalsprache. Der moselfränkische Dialekt ist im Alltag oft zu hören, auf der Straße, im Radio, in Restaurants, jedoch nicht so oft zu lesen.

Obwohl die Schriftform auch in den Schulen unterrichtet wird, haben sich im Alltag in Zeitungen und Büchern Deutsch und Französisch durchgesetzt. Für Deutsche ist nicht unbedingt alles zu verstehen – vieles aber schon. Das beginnt schon mit der landesüblichen Begrüßung: Moien. Zwar anders geschrieben, aber im Prinzip bekannt aus dem Norddeutschen.

Es gibt zwei identitätsstiftende Merkmale bei uns: den Großherzog und die Sprache.

Hans Fellner, Autro, Kurator und Buchhändler aus Luxemburg

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Nur etwa drei, vier Minuten zu Fuß vom Feinkostladen Kaempff-Kohler residiert Großherzog Henri von Nassau. Der Wachwechsel vor dem Palast ist für Besucher ein ähnlich attraktives Fotomotiv wie der vor dem Buckingham Palace in London.

Ansonsten fügt sich der Amtssitz ganz in Luxemburger Art eher bescheiden in die Innenstadt ein. Besichtigen kann man ihn nur im Sommer, wenn die großherzogliche Familie außer Haus ist (Karten gibt es dann in der Touristeninformation).

In der Altstadt ist der Großherzogliche Palast ein besonders beliebtes Fotomotiv.


Die Stadt Luxemburg galt über viele Jahrhunderte als Festung Europas, als „Gibraltar des Nordens“. Dank ihrer Lage auf einem Hochplateau, umgeben von weitläufigen Festungsanlagen, war sie de facto unerreichbar für jeglichen Feind. Was nicht bedeutet, dass es nicht der eine oder andere versucht hätte.

Ein Gefühl dafür geben heute vor allem die Kasematten nicht weit vom Palast. Von 1644 an erbaut, diente das dichte Tunnelsystem der bestmöglichen Sicherheit. Zu Höchstzeiten war Luxemburg auf mehreren Ebenen von Tunneln in einer Gesamtlänge von 23 Kilometern umgeben.

Von den Kasematten aus bietet sich der beste Blick auf die Stadt

Für viele Besucher heute weitaus wichtiger: Von den Kasematten im Bockfelsen aus bietet sich geradezu ein Postkartenblick auf die Stadt – auf die Altstadt, den unteren Stadtteil Grund und das Europaviertel auf dem Kirchberg. Die Unesco stellte die Altstadt 1994 unter den besonderen Schutz des Welterbes.

Das ursprünglich ländliche Hochplateau Kirchberg wurde von den Sechzigerjahren an kontinuierlich zum EU- und Bankenviertel ausgebaut. Hier hat das Generalsekretariat des Europäischen Parlaments seinen Sitz, auch wenn die Sitzungen selbst in Straßburg und Brüssel abgehalten werden.

Der Europäische Gerichtshof erhält gerade einen dritten Turm, der die Skyline des von modernen Hochhäusern geprägten Europaviertels einmal mehr verändert. Weitere Institutionen der EU sind hier ansässig, außerdem etliche Banken und die Zentrale des Medienunternehmens RTL. So international ist der 600.000-Einwohner-Staat sonst an keiner Stelle.

Hier in der Hauptstadt des Großherzogtums beträgt der Ausländeranteil laut offiziellen Statistiken beachtliche 70 Prozent. „Und das mit null Problemen“, betont Autor Hans Fellner. Vielleicht färbt die freundliche Gelassenheit der Luxemburger automatisch auf alle fremden Menschen ab?

Das Großherzogtum mag von außen wegen seiner geringen Größe mitunter nicht so recht wahrgenommen werden. Es ist aber längst so etwas wie das inoffizielle Zentrum der Europäischen Union geworden. Nicht nur wegen der vielen Behörden – die Stadt bietet im Alltag einen Querschnitt durch die Nationen Europas und hat einen Weg gefunden, dabei alle friedlich zusammenleben zu lassen.

Belval: Ein ehemaliges Stahlwerk wurde zu einer neuen kleinen Stadt

Das aktuell wirklich große städtebauliche Projekt aber befindet sich ein ganzes Stück weit ab vom Zentrum. In Belval rund 20 Kilometer südlich ist ein früheres Stahlwerk in eine neue kleine Stadt verwandelt worden. Rund um die Überreste zweier Hochöfen hat sich unter anderem die Universität von Luxemburg einen zentralen Campus geleistet.

Unternehmen sind hierhergezogen, Restaurants, Läden und die Rockhal – ein Veranstaltungszentrum. 2002 begann die Umwandlung des 170 Fußballfelder großen Gebiets vor den Toren des Ortes Esch-sur-Alzette, nachdem das Stahlwerk dort massiv verkleinert worden war. Heute arbeiten, forschen und studieren hier mehr als 20.000 Menschen.

Im früheren Stahlwerk hat nun die Uni Luxemburg ihren Sitz. Eine neue Stadt ist entstanden.


Auch Corinne Kox forscht in gewisser Weise – allerdings daheim im elterlichen Betrieb. Das Weingut ihrer Eltern Laurent und Rita Kox in Remich an der Mosel bringt, wie viele der insgesamt rund 150 Winzer im Großherzogtum, vor allem allerlei gute Weißweine hervor. Außer Sorten wie Riesling, Rivaner, Pinot gris ist es aber speziell der Crémant, der typisch für diese Gegend ist.

Nun versucht sich die Familie an einer neuen Methode der Herstellung. Oder genauer: einer sehr alten. In zwei in der Erde vergrabenen Amphoren stellen die Kox Wein so her, wie es bereits die Römer vor 2.000 Jahren getan haben: indem sie die Trauben für eine Zeit sich selbst überlassen. „Bei dieser Methode müssen wir nur minimale Dosen Sulfur beisetzen“, sagt Corinne Kox, und das kommt bei vielen Weintrinkern gemeinhin gut an.

Ramborn braut luxemburgischen Cider

Familie Kox ist nicht die Einzige, die sich im Markt durch neue Produkte abzugrenzen versucht. Ramborn heißt ein noch relativ junges Unternehmen aus Born am äußersten westlichen Zipfel des Großherzogtums, das auf ein für diese Gegend eher ungewöhnliches Getränk baut: Cider. „Die Idee kam uns bei einer Reise nach Großbritannien“, sagt Mitbegründer und Geschäftsführer Carlo Hein.

Das noch relativ junge Unternehmen Ramborn stellt Cider aus Luxemburger Äpfeln und Birnen her, aber nach alter britischer Tradition. Paul Jeitz zeigt Besuchern, wie das funktioniert.

Cider ist nicht nur in Großbritannien ein beliebtes Getränk, sondern zunehmend auch im übrigen Europa. Und daheim in Luxemburg hätten zu dieser Zeit viele Obstwiesen brachgelegen. Hein und zwei Freunde schlossen sich zusammen und gründeten Ramborn, einen Ciderhersteller nach britischem Vorbild.

2014 kamen die ersten Flaschen auf den Markt, heute vertreibt das Unternehmen eine ganze Reihe von Sorten – vom sortenreinen Erbachhofer Apfel bis zur Birne. Wie das alles funktioniert, können Besucher vor Ort in Born sehen.

Wer nicht so weit fahren möchte, kann ihn aber auch in Luxemburgs Altstadt trinken. Viele Kneipen und Restaurants bieten nicht nur Moselweine an, sondern inzwischen auch den Cider made in Luxemburg. Und eines ist sicher: Das passende Gericht gibt es ohnehin dazu – vielleicht ja sogar eine Rieslingpastete. Die soll inzwischen nicht nur Herrenrunden schmecken.

Tipps für deine Reise nach Luxemburg

Anreise: Mit dem Flugzeug direkt ab Hamburg, Berlin, Frankfurt am Main, München und Düsseldorf nach Luxemburg. Umsteigeverbindungen gibt es ab vielen anderen Flughäfen (Luxair, Lufthansa, Easyjet, Swiss, KLM). Mit dem Zug führen die Verbindungen über Trier, allerdings muss man von fast überall mehrfach umsteigen.

Beste Reisezeit: Am schönsten ist die Zeit von Frühjahr bis Herbst, aber auch im Winter kann man in Luxemburg gut essen.

Unterkünfte: Zentral und gemütlich: Hotel Simoncini, 6 Rue Notre-Dame, Luxemburg.
Modern, im Europaviertel: Novotel Suites, 13 Avenue J. F. Kennedy, Quartier Europeen, Luxemburg.
Nobel, mit schönem Blick auf die Altstadt: Sofitel, 40 Boulevard d’Avranches, 1160 Luxembourg.
Tipp: Während Hotels in Luxemburg wochentags wegen der vielen Banken und EU-Mitarbeiter oft teuer sind, sinken die Preise an den Wochenenden und in Ferienzeiten häufig drastisch.

Wandern: Der Norden von Luxemburg ist ein Paradies für Wanderer. Der Mullerthal Trail bei Echternach führt beispielsweise auf 112 Kilometer Länge durch die Luxemburger Schweiz vorbei an vielen Schluchten und bizarren Felsen.

Auf dem Mullerthal Trail wandert man durch Wald und Felsschluchten – und genießt tolle Ausblicke.

Wein: Von mehreren Orten aus, unter anderem ab Remich und Schengen, gibt es Moselrundfahrten entlang der Weinberge – zum Beispiel von Navitours. Viele der ansässigen Winzer verkaufen direkt auf ihren Weingütern und bieten auch Weinproben an.

Kunst: Luxemburg hat auch einige Künstler hervorgebracht – neben dem nationalen Filmarchiv in Düdelingen ist in einem alten Wasserturm eine Dauerausstellung des früheren Kurators Edward Steichen („The Bitter Years“) zu sehen. Das Pumphaus daneben widmet sich weiteren Künstlern, zuletzt etwa dem Luxemburger Schauspieler Thierry van Werveke, der auch in Deutschland bekannt war.
1b Rue du Centenaire, Düdelingen.

Die Reise wurde unterstützt von Luxair und Visit Luxembourg. Über Auswahl und Ausrichtung der Inhalte entscheidet allein die Redaktion.