Overtourism: Instagram zerstört diese Orte komplett
Schlange stehen für ein Foto, das bereits Tausende vor dir gepostet haben: Vor allem junge Reisende pilgern zu Orten, die als vermeintliche Geheimtipps gelten. Doch die kommen mit dem Ansturm nicht klar.
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Ein einsamer Pfad führt zum Roys Peak in Wanaka, Neuseeland, dahinter Berge und Fjorde, so weit das Auge reicht. Nur ein einzelner Mensch steht auf dem Gipfel und blickt triumphierend in die Ferne.
Instagram-Idyll existiert nur auf Fotos
Dieses Bild siehst du, wenn du durch deinen Instagram-Feed scrollst. Vielleicht denkst du: „Wow, da muss ich auch hin!“ Was das Foto auf Instagram aber nicht zeigt, sind die Menschenmassen, die hinter dem Fotografen für genau das gleiche Bild anstehen. Und die offenbar dasselbe gedacht haben wie du.
Orte wie der Roys Peak werden als vermeintliche Geheimtipps angepriesen (psssst!), doch vor Ort entpuppen sich die Berge/Strände/Seen/Dörfer oftmals als völlig überlaufen.
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Denn nicht nur du hast traumhafte Fotos von ihnen auf Instagram gesehen und dich inspiririeren lassen, sondern Tausende andere auch. Die Orte müssen mit den Konsequenzen leben.
Ob Berghütten oder Nationalparks: Schöne Orte werden von Touristen überrannt
Eine Sonnenblumenfarm in Kanada musste schließen, weil sie von Menschen im Selfie-Wahn geradezu überrannt wurde. Auch die Betreiber einer Berghütte in den Schweizer Alpen gaben auf – der Massenansturm war nach Tweets, Insta-Fotos und Facebook-Posts einfach zu groß geworden.
Und der „Guardian“ hat jüngst in einem Artikel eine Krise für die Nationalparks der USA verkündet: Immer mehr Menschen reisen an Orte wie den Horseshoe Bend in Arizona oder den Yellowstone-Nationalpark in Wyoming. Mit sich bringen sie Müll, überlastete Toiletten und niedergetrampelte Natur.
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Dank Instagram vermüllen einstige Naturparadiese
Auch das kleine Verzascatal im Schweizer Kanton Tessin hat es im vergangenen Jahr hart getroffen. Dort fließt jadefarbenes Wasser durch eine Felsenlandschaft und unter einer malerischen Doppelbrücke hindurch, dazwischen natürliche Whirlpools. Klingt romantisch, oder? Ist es aber nicht mehr.
Nachdem ein italienischer Blogger das Tal in einem Facebook-Video als „Malediven Mailands“ anpries, kamen die Massen. Das Video wurde mehr als 3,5 Millionen Mal geklickt, und bei gutem Wetter liegen die Urlauber Handtuch an Handtuch am Ufer des Flusses.
Die kleine und enge Talschaft quillt bei schönem Wetter am Wochenende über – wild geparkte Fahrzeuge und Abfallberge sind die Folge. Einheimische machten ihrem Ärger Luft, zumal die vielen Tagesgäste praktisch keinen Mehrwert generieren.
Die meisten bringen ihr Picknick mit. Inzwischen wurden etliche Ordnungshüter eingestellt. Zudem wurden zusätzliche Schilder mit Verkehrsanweisungen installiert.
Die Liste der völlig überlaufenen Orte, die dank Instagram berühmt wurden, lässt sich fast endlos fortsetzen. Warum hat Instagram so einen Einfluss auf Reiseentscheidungen?
Ein (Reise-)Leben für die Likes
Eine Umfrage im vergangenen Jahr hat gezeigt, dass 34 Prozent der jungen Deutschen (18 bis 34 Jahre) nur verreisen, um Fotos davon in sozialen Netzwerken zu teilen. Die Instagram-Tauglichkeit der Reiseziele spielt für viele eine große Rolle. Sie reisen an Orte, die besonders „instagramable“ sind, also auf Fotos gut wirken und die Follower neidisch machen.
Und die Macht der sozialen Medien wird sogar noch potenziert: Regelmäßig küren Portale die beliebtesten Strände, Städte oder Restaurants auf Instagram.
Geotagging aus: Posten, ohne zu schaden
Gibt’s eine Lösung? Um besondere Orte zu schützen, greifen manche zu außergewöhnlichen Maßnahmen. So berichtet die „New York Times“, dass einige Fremdenverkehrsämter ihre Besucher dazu aufrufen, das Geotagging auf Instagram beim Posten der Bilder zu deaktivieren.
So sollen beispielsweise Urlauber, die den Delta Lake besuchen, Fotos ohne Geotag posten. Das dafür zuständige Jackson Hole Travel and Tourism Board gab an, dass mittlerweile mehr als 100 Touristen pro Tag die 14 Kilometer lange Wanderung zum See auf sich nehmen. Früher waren es gerade mal ein oder zwei am Tag.
Hashtag #nogeotag
Auch in einigen Gebieten in Südafrika weisen Schilder an Zäunen beliebter Safarirouten darauf hin, beim Posten von Nashornfotos keinen Geotag zu verwenden: Die Instagrammer verraten Wilderern dadurch nämlich, wo sich die Tiere aufhalten.
Aus diesen Bewegungen ist mittlerweile sogar ein eigener Hashtag entstanden: Unter #nogeotag wurden bisher immerhin mehr als 1.000 Posts hochgeladen.
Und mal ehrlich – in welchem Moment schlägt dein Herz schneller: Wenn du spontan einen wunderschönen Ort entdeckst – oder wenn du mit Dutzenden anderer Urlauber Schlange stehst für einen gehetzten Schnappschuss? Eben.