Sanft gleitet der Ballon an diesem Abend im Mai über Mallorca – 500 Meter unter ihm breitet sich eine grüne Hügellandschaft aus, vereinzelt terracottafarbene Fincas, in der Ferne das Meer. Langsam versinkt die Sonne hinter der Gebirgskette Serra de Tramontana und taucht die Landschaft in rotes Licht.

Ballonfahrt über Mallorca im Sonnenuntergang

Wer Mallorca von oben gesehen hat, versteht spätestens dann, dass die Insel viel mehr zu bieten hat, als das Klischee ihr oftmals zusteht. 3.640 Quadratmeter misst sie – und ist damit etwa eineinhalb Mal so groß wie das Saarland. Begrenzter Platz, auf den 2017 mehr als 10 Millionen Touristen drängten, knapp die Hälfte davon (rund 4,5 Millionen) Deutsche.

Wer Mallorca von oben gesehen hat, sieht nie mehr „nur Ballermann“.

Die Mehrheit kommt, um Strandurlaub zu machen, entsprechend überfüllt sind die Badeorte. Doch während in El Arenal, Magaluf und am Ballermann die Partyurlauber feiern und die Sonnenanbeter in Peguera, Santa Ponca und Cala Millor im Schatten der Bettenburgen Handtuch an Handtuch in der Hitze brutzeln, finden Reisende vor allem im Norden und im Osten ursprüngliche Orte und atemberaubende Natur fernab des Massentourismus.

Aktuelle Deals

Urlaub in der Finca fernab der Küste Mallorcas

„Das ist das Schöne an Mallorca: Man hat hier alles“, findet Alexander Bock. Der 37-Jährige lebt seit 16 Jahren auf der Insel und hat zunächst für einen großen Reiseveranstalter gearbeitet. Doch mit der Zeit merkte er: Massentourismus, das ist nicht sein Ding. Und das ist auch nicht, was er sich für die Baleareninsel wünscht. „Mein Traum ist, dass sich der sanfte Tourismus immer mehr durchsetzt“, sagte er dem reisereporter im Jahr 2018.

Dazu trägt Bock selbst bei mit seinem kleinen Hotel „Lazy Finca“, das weit weg von Hektik und Hotelburgen im Osten der Insel steht. Ein mehrere Hundert Jahre altes Landhaus und dazu mehrere alte Bullis, die er und seine Lebensgefährtin Jill-Catrin Vinkmann an Urlauber vermieten.

Alexander und Jill-Catrin wollen Urlaubern das ursprüngliche Mallorca näherbringen.

Drumherum: Felder, ein Olivenhain, Orangenbäume und freilaufende Hühner. Und Stille. Wer hier den Blick schweifen lässt, kann sich nicht vorstellen, dass 45 Minuten Autofahrt weiter die Partyhorden im Bierkönig grölen. Mallorca hat zwei Gesichter.

„In der Landesmitte scheint die Zeit ein bisschen stehengeblieben. Hier finden Urlauber noch das ursprüngliche Mallorca“, sagt Bock. Das will er den Urlaubern näherbringen. Sie würden es nicht entdecken, indem sie Reiseführer lesen – „sondern, wenn sie sich ein Auto schnappen und die Inselmitte erkunden. Und wenn sie mit Mallorquinern ins Gespräch kommen.“

Weiterlesen nach der Anzeige

Anzeige

Mallorca: Einheimische auf der Feria treffen

Wo könnte das besser klappen als beim gemeinsamen Feiern? Auf Mallorca hat praktisch jeder Ort ein eigenes Fest, eine Feria. Viele sind einem lokalen Produkt gewidmet – so gibt es den Kürbismarkt in Muro, den Olivenmarkt in Caimari oder den Honigmarkt in Llubí.

Die Ferias wurden ursprünglich von Bauern und Hirten eingerichtet, um ihre Produkte zu verkaufen und neue Tiere, Maschinen und Werkzeuge anzuschaffen. Doch mit der Zeit haben sie sich zu einem Spektakel für die ganze Familie entwickelt mit Tier- und Fahrzeugschauen, Vorführungen von Traditionen und Karussells. Oftmals gibt’s für die Dorfbewohner vorab ein großes Essen.

Wer selbst einmal richtig authentisch essen möchte, sollte einen Stopp in einem der Großraumrestaurants an Autobahnen oder Schnellstraßen machen. Tatsächlich sind dort vor allem Mallorquiner selbst anzutreffen, um mit der ganzen Familie lecker und günstig, dafür in kantinenhafter Atmosphäre, Lammschulter, Schnecken oder Tintenfisch zu essen.

Auch auf den Wochenmärkten können sich Urlauber durch die lokale Küche probieren – zwei sehr schöne finden in Felanitx und in Sineu statt. Beides sind eigentlich kleine verschlafene Orte, doch an den Markttagen verwandeln sie sich in ein Wespennest.

In den schmalen Gassen reiht sich dann Verkaufstand an Verkaufsstand – angeboten werden Lederwaren, Kunsthandwerk, Schmuck, Anziehsachen und traditionell auch lebendige Tiere. Zur Stärkung gibt’s frisches Weißbrot mit mallorquinischem Schinken, Bunyols – frittierte Kartoffelteigkrapfen – und Empanadas. Dazu gibt’s Wein für einen Euro pro Becher. Allerdings stehen die Wochenmärkte auch in allen Reiseführern, entsprechend überlaufen sind sie in der Hauptsaison.

Auf den Märkten, zum Beispiel hier in Sineu, kannst du dich durch die lokale Küche futtern.

Stille finden Urlauber hingegen in den Tramuntana-Bergen im Nordwesten der Insel bei einer Wanderung. Hier begegnen sie wilder Schönheit, aber kaum Menschen. Das Gebiet ist Unesco-Welterbe und steht unter Naturschutz, wie rund ein Fünftel der Inselfläche. Im Schatten des Puig Major, der mit 1.445 Metern höchste Berg der Insel, leben sogar noch Mönchsgeier. Fast überall auf der Welt sind sie ausgestorben, doch hier – nur zwei Autostunden entfernt von der Hektik in Palma – ziehen die majestätischen Vögel ihre Bahnen.

Fornalutx: Ein ursprüngliches Dorf auf Mallorca

Mitten in diese Berge schmiegen sich auch die ockerfarbenen Häuser des Dorfes Fornalutx. Es spiegelt den traditionellen rustikalen und auch ein wenig romantischen Charme des ursprünglichen Mallorcas wieder: Die idyllische Lage im Tal von Sóller mit den Orangen- und Olivenhainen, kleine Gässchen und Steingebäude mit rotgedeckten Dächern. Es ist der vermutlich einzige Ort auf der Insel, der noch den traditionellen Stierlauf Correbou veranstaltet – Tierschützer protestieren dagegen.

Orangenbäume, so weit das Auge reicht: Das Sóller-Tal auf Mallorca. Hier liegt das Dorf Fornalutx.

Das Dorf mit nur gut 600 Einwohnern liegt abseits der großen Straße nach Sóller. Es gibt kein öffentliches WLAN. Keine bunten Tourishops. Und keinen Dreck. Tatsächlich hast du an manchen Plätzen eher das Gefühl, dass die Bodenplatten mit einer Zahnbürste poliert statt mit einem Besen gefegt wurden. Die gut 600 Bewohner halten den Ort in Schuss, das hat ihm den offiziellen Titel „Zweitschönstes Dorf in Spanien“ eingebracht.

Zwar kommen auch hier in der Sommersaison Touristenmengen – völlige Einsamkeit ist auf Mallorca tatsächlich schwierig zu finden –, aber sie sind auch schnell wieder weg. Denn: Viel machen kann man in Fornalutx nicht, das Dorf selbst ist die Attraktion. Einmal durch die engen Gassen schlendern, vielleicht noch einen Cafe con leché im Café trinken, das war‘s. Spätestens am Abend ist es wieder ruhig und die Bewohner können am Fenster lehnen und den Duft der Orangen genießen.

Geheimspots sind kaum noch vorhanden.

Alexander Bock

Ganz anders sieht es in den Küstengebieten aus: „Wenn man nicht in einem Naturschutzgebiet unterwegs ist, ist es dort meistens modern, laut und voll“, sagt Alexander Bock. Die Veränderung der Insel durch den Tourismus zeige sich hier am deutlichsten. „Geheimspots sind kaum noch vorhanden. Während Es Trenc beispielsweise vor 20 Jahren noch fast unbekannt war, ist er inzwischen völlig überlaufen.“

Und auch die wunderschönen Buchten im Süden, in der Nähe von Santanyí, sind nicht mehr unentdeckt. Und doch lohnt ein Besuch dort: Urlauber finden dort Meer und felsige Steilküste, soweit das Auge reicht. Darin eingebettet liegen lauschige Orte wie die Bucht Cala s’Almunia und Caló des Moro – die sind zwar kein Geheimtipp mehr, für viele Touristen aber trotzdem eine schöne Entdeckung. Und im Frühling und Herbst sind sie auch noch nicht überlaufen.

Im Südosten von Mallorca gibt's Steilküste, so weit du schauen kannst.

Das sei ohnehin die schönste Zeit auf der Insel, finden viele Mallorquiner, auch Ballonfahrer Jordi Aracil von „IB Ballooning“. „Im Frühling ist Mallorca von oben am schönsten – mit der Mandelblüte und dem satten Grün – die Farben leuchten viel kräftiger, fast magisch“, sagt er.

Ja, es scheint sie noch zu geben, die Magie von Mallorca. Urlauber müssen nur ein bisschen nach ihr suchen, fernab der Bettenburgen...

Diese Reise wurde unterstützt von Getyourguide und Sunny Cars. Der Text ist ursprünglich aus Mai 2018 – wir haben ihn aktualisiert.