Es ist Nacht. Der Nebel an der Lichtung im Wald zieht in Kniehöhe langsam vorbei. Es ist kalt, und nur die Kohle an der Feuerstelle glüht noch. Die Toilette? Ist ein Plumpsklo direkt am Fluss Lögdeälven, das etwa 250 Meter von der alten Scheune, in der sich die Schlafräume befinden, entfernt liegt.

Hektik gibt es auf der Farm bei Tjärn in Schweden nicht

Auf dem Weg dorthin hörst du nur das Wasser des Flusses plätschern, sonst nichts. Gar nichts. Stille. „The Sound of Silence“, den Klang der Stille, so nennt es Bengt-Erik Hesse, wenn er in der Nacht auf seiner mehr als zweihundert Jahre alten Farm den Weg zur Toilette geht. Und nicht nur in der Nacht. Denn sein Hof liegt mitten im Nirgendwo.

Auf der Farm von Bengt-Erik Hesse wärmt man sich am Lagerfeuer, und auch die auf der Holzbank ausgelegten weichen Felle aus Rentier helfen gegen kühle Temperaturen.

Laute Geräusche? Hektik? Das gibt es hier nicht. Auch nicht am Tag. Und es ist genau diese Stille, die das Leben hier, etwas außerhalb der schwedischen Kleinstadt Tjärn, ausmacht. Kein Fernseher, kein Handyempfang, keine Straßen. Der Hof liegt mitten in der Natur. Eine Viehscheune, die alte Bäckerei, das Haupthaus. Mehr nicht.

Die Farm von Hesse mit den für Schweden typischen rot angestrichenen Holzhäusern steht stellvertretend für das Leben in Südlappland in der Provinz Västerbotten. Hier ist es manchmal einsam, aber niemals langweilig. Denn die Natur macht den Reiz aus.

Typisch schwedisch ist das rot angestrichene Haus der Farm von Hesse. Früher war es eine Bäckerei, heute können dort Gäste übernachten.

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Auf einer Fläche von 16.331 Quadratkilometern leben in Västerbotten nur etwa 209.000 Menschen. Zum Vergleich: Das Bundesland Thüringen ist in etwa genauso groß wie Västerbotten, doch dort leben knapp zehnmal so viele Menschen. „Ich liebe gerade diese Ruhe hier“, erklärt Hesse, der den Hof in Eigenregie betreibt und die Gästezimmer in den drei Häusern vermietet.

„Doch es geht noch einsamer und ruhiger in Lappland“, sagt er. Hesse behält recht. In Västerbotten kannst du stundenlang mit dem Auto über die meist gut ausgebauten Landstraßen fahren, ohne auch nur einen einzigen Menschen zu treffen. Für meist gestresste Mitteleuropäer ist das wie eine andere Welt.

Mit dem Auto geht es von der alten Farm in der Nähe von Tjärn aus weiter in Richtung Norden zur Wilderness Road. Die berühmte Straße führt quer durch Südlappland, durch die Natur. Mit etwas Glück kannst du auf der Strecke Elche, Rentiere und Wildvögel bewundern.

Spektakulärster Teil der Wilderness Road ist der Hällingsafallet

Die Straße führt durch typische schwedische Dörfer und über das mächtige Hochplateau Stekenjokk. Wunderschöne Wasserläufe liegen entlang der Straße und ziehen Angler aus aller Welt an.

Einen besonderen Höhepunkt gibt es etwa dreieinhalb Autostunden westlich von Tjärn, dicht an der Grenze zu Norwegen: den Wasserfall Hällingsafallet – Schwedens Grand Canyon.

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Der spektakulärste Teil der Wilderness Road: der Wasserfall Hällingsafallet.

Der Hällingsafallet stürzt einen 45 Meter hohen Abgrund hinunter und ist damit der höchste Wasserfall Nordeuropas. Der spektakulärste Teil der Wilderness Road über das Hochplateau Stekenjokk ist mit dem Auto nur von Juni bis Mitte Oktober erreichbar. Denn während des restlichen Jahres ist die Schneedecke dort zu tief, um die Straße öffnen zu können. Sechs Meter Schnee sind hier keine Seltenheit. 

In Schweden leben die Nachfahren der Ureinwohner Europas 

Willst du etwas über einen ganz besonderen Teil der Kultur Västerbottens erfahren, fährst du am besten in das knapp anderthalb Autostunden nordwestlich von Tjärn gelegene Vilhelmina.

Die 3.500-Einwohner-Stadt ist bekannt für die Sami-Kultur. Die Samen sind die europäischen Ureinwohner, ein indigenes Volk, das in Nordeuropa zu Hause ist. Die rund 90.000 bis 140.000 Samen leben im Norden Schwedens sowie in Teilen Norwegens, Finnlands und Russlands.

Früher waren sie vor allem Rentierzüchter. Heute versuchen viele ihrer Nachfahren, die fast vergessene Kultur am Leben zu erhalten. So wie das Ehepaar Risfjells, das gern in sein eigenes Haus in Vilhelmina am See Malgomaj einlädt und Besuchern seine Kultur näherbringt.

Am See Malogmaj wohnt auch das Ehepaar Risfjells, das gern in sein einlädt und Besuchern seine Kultur näherbringt.

„Vieles von unserem Wissen ist über die Jahrhunderte verloren gegangen“, sagt Doris Risfjells. Doch das, was noch da ist, möchte sie zusammen mit ihrem Mann Sven-Åke zum Teil schwedischer Geschichte machen. Ihr Mann erzählt den Gästen gern von seinen neuesten Entdeckungen im Wald.

In Lappland essen die Menschen, was die Natur hergibt

Erst vor Kurzem fand er eine alte Feuerstelle seiner Vorfahren. Seine Frau singt gern die alten Sami-Lieder und teilt ihren Gästen Übersetzungsschriften alter Sami-Begriffe aus. „Äjbaahlrajgie“ ist so ein Wort, das zum Wortschatz der Sami zählt. Übersetzt bedeutet es: „Die Stelle am Nacken eines Rentiers, an der man es mit dem Messer ersticht.“

Es lohnt sich, die fast vergessene Kultur im Norden Schwedens kennenzulernen. Von Rentieren über Elche, Lachse und Pfifferlingen bis hin zu Moltebeeren und Preiselbeeren: In Lappland wird gegessen, was die Natur hergibt. Die Landschaft von Västerbotten ist voller Zutaten, die Generationen von schwedischen Köchen auf dem Esstisch in Köstlichkeiten verwandelt haben.

Es gibt eine Reihe von ausgezeichneten Restaurants, die von Umeå und Skelleftea an der Küste bis nach Ammarnäs, Hemavan, Tärnaby, Saxnäs und Borgafjäll in den Bergen stehen. Ein Restaurant aus Vilhelmina ist inzwischen über die Landesgrenzen hinweg bekannt: Bergmans fisk.

Im Bergmans fisk gibt es Elch-, Bären- und Rentierfleisch

Fischliebhaber sollten dringend einen kurzen Stopp dort einlegen, um den preisgekrönten geräucherten Fisch zu testen. Ein Geheimtipp: Der heiß geräucherte Pfefferlachs mit leichter Zitronennote. Aber auch Fleisch vom Elch, vom Bären oder vom Rentier ist im hauseigenen Shop zu bekommen.

Die Stadt Umeå an der Ume ist eine alte Seefahrerstadt.

Wer will, kann in Südlappland auch das komplette Kontrastprogramm zur Natur der Wilderness Road erleben. Das geht in Umeå. Die Studentenstadt ist mit ihren 83.000 Einwohnern die dreizehntgrößte Stadt Schwedens. Es ist eine junge Stadt, denn die 37.000 Studenten machen fast die Hälfte der Gesamtbevölkerung Umeås aus.

Unzählige gemütliche, kleine Cafés prägen das Bild der Innenstadt, die direkt an der Mündung des Flusses Ume älv liegt. Ein besonderer Höhepunkt: das Hotel Stora Hotellet nahe dem Fluss. Umeå ist eine alte Seefahrerstadt. Im 19. Jahrhundert waren hier Schiffbau und Seereisen ein großes Geschäft, viele Seemannsmissionen wurden errichtet.

So auch das Stora Hotellet, das bereits im Jahr 1895 eröffnete. Das Gebäude hat trotz einiger Renovierungen seinen alten Seefahrercharme bewahrt. Jedes der 82 Zimmer hat ein eigenes Seefahrtsmotto – beispielsweise „Sturm“ oder „Fischfang“ –, das sich in verschiedenen Formen im Zimmer widerspiegelt.

Tipps für deine Reise nach Nordschweden

Anreise: Direktflüge nach Stockholm gibt es von vielen deutschen Flughäfen aus. Von der schwedischen Hauptstadt geht es weiter mit dem Flugzeug ins nordschwedische Umeå. Die Reisezeit bei direktem Anschluss beträgt etwa vier Stunden.

Achtung: Das Gepäck wird am Stockholmer Arlanda-Airport nicht immer automatisch zum Anschlussflugzeug durchgecheckt. Beim Umsteigen am besten ein Auge auf das Gepäckband haben.

Einreise: Ein Visum ist für die Einreise nach Schweden nicht notwendig.

Beste Reisezeit: Südlappland ist ganzjährig eine Reise wert. Doch vor allem der Herbst und der Winter sind empfehlenswert. Im Herbst erstrahlen die Laubwälder in wunderschönen Farben, im Winter hingegen kann man in Südlappland hervorragend Ski fahren. Die Winter können allerdings sehr kalt sein.

Unterkünfte: Unterkünfte in Südlappland sind etwas teurer als in Deutschland. Allerdings gibt es während der Sommerferien Preisnachlässe.

Ein Tipp für Naturverbundene: Das schwedische Jedermannsrecht erlaubt den freien Zugang zur Natur, sodass es erlaubt ist, auf nicht privatem Grund für eine Nacht ein Zelt aufzuschlagen. Auf privatem Grund sollte der Besitzer um Erlaubnis gebeten werden.