„Ich war noch niemals in Paris“ – meist reißt mein Gegenüber auf diesen Satz hin verständnislos die Augen weit auf oder reagiert mit Kopfschütteln. So geht’s nicht weiter und ich verlängere meine Kreuzfahrt auf der Seine um zwei Paris-im-Winter-Tage.

Früh morgens legt unser Schiff in Paris an. Eine letzte Nacht werden wir noch vor Anker in Paris auf der Seine verbringen, sodass wir diesen Tag nutzen können, um die Stadt zu erkunden. Die Reederei bietet eine Stadttour per Bus an. Das ist normalerweise nicht mein Fall, aber für einen ersten Überblick kann es nicht schaden. Noch im Morgengrauen huschen wir in den Bus. Es ist bitterkalt, aber sonnig. 

Schnee am Ufer der Seine im Winter.

Wir fahren erst durch die industriell anmutenden Straßenzüge der äußeren Arrondissements. Je näher wir dem Zentrum kommen, desto schöner und pompöser werden die Gebäude. Wundervolle Altbauten säumen die Alleen.

Unser erster Halt ist der Place du Trocadéro. Die Terrasse und die Stufen des Palais de Chaillot sind mit einer dünnen Eisschicht vom Morgentau überzogen. Die Menschen gehen nicht, sie schlittern voran; alle mit dem einen Ziel vor Augen: den besten Blick auf den Eiffelturm zu erhaschen. 

Paris: Es ist Liebe auf den ersten Blick

Auch ich schlittere ans Ende der Terrasse und kann kaum beschreiben, was plötzlich mit mir passiert. Kein Foto wird jemals diesen besonderen Moment wiedergeben können, in dem die Sonne hinter dem Eiffelturm aufgeht. 

Wenn du richtig früh aufstehst, kannst du die Sonne hinter dem Eiffelturm aufgehen sehen. Oder du machst das einfach ganz bequem im Winter, dann kannst du länger schlafen.

Das Licht, die Stille der Stadt, in der die Menschen langsam aufwachen, und die klare Luft haben diesen Moment wahrscheinlich für immer in meinen Kopf gebrannt. 

Es brauchte nur diesen einen Augenblick, meinen allerersten Paris-Moment, um mich sofort in die Stadt zu verlieben.

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Die Gärten von Paris 

Auf der weiteren Bustour fliegen die Sehenswürdigkeiten am Fenster vorbei. Es gibt so viel zu sehen, dass ich mir die Namen und einzelnen Stationen gar nicht merken kann. Ich konzentriere mich lieber auf die schöne altmodische Architektur von Paris und verstehe, warum es die Stadt der Liebe ist. Ein Hauch von Romantik weht hier überall durch die Gassen. 

Die Sonne scheint noch immer, als wir am Jardin du Luxembourg halten. Direkt hinter dem gusseisernen Tor haben wir Mühe, gemeinsam über den Kiesweg zu kommen; die Wintersonne hat einige Jogger aus ihren Häusern gelockt. Der weitläufige Park ist traumhaft schön. Neben verwinkelten Wegen (hier steht auch versteckt eine kleine Schwester der Freiheitsstatue von New York!), gibt es weitläufige Grünflächen.

Überall stehen Metallstühle scheinbar willkürlich in der Gegend herum. Die Besucher können sich diese nehmen und hinstellen, wo auch immer sie möchten. Ich stelle mir vor, wie ich mir, ein Buch unter den Arm geklemmt, an einem warmen Tag einen Cappuccino und ein Croissant am Kiosk hole und meinen Stuhl mitten in den Park stelle, wo ich dann die Sonne genieße, lese und die Menschen beobachte. Ich muss wiederkommen!

Essen im jüdischen Viertel Marais

Gegen Mittag ist die offizielle Bustour zu Ende. Anstatt direkt zurück zum Boot zu fahren, bleiben wir lieber noch ein bisschen in der Stadt. Wie schlendern Richtung Marais.

Das Viertel ist das Zentrum des jüdischen Lebens in Paris. Bereits seit dem 13. Jahrhundert lassen sich hier jüdische Familien nieder. Neben Boutiquen, Galerien und Straßenkunst gibt es fantastisches und teilweise ausgefallenes Essen, wie zum Beispiel im Giraudet (6 Rue du Pas de la Mule), dem Nockerl-Paradies.

Aus einer Vielzahl unterschiedlicher Sorten suchst du deine Lieblingsnockerl aus: mit Trüffel, Kürbis, Salbei oder was der Koch auch immer gerade speziell an diesem Tag gezaubert hat. Dazu gibt es eine selbst gemachte Brühe, oder du ist die Nockerl angebraten mit Salat. 

Allerdings solltest du Platz im Magen lassen, denn das jüdische Viertel ist berühmt für leckere Falafel. Die gibt es hier an jeder Ecke, und die Schlangen sind teilweise richtig lang. 

Wir brauchen eine kleine Verschnaufpause und stellen uns in die Schlange vor Chez Hanna (54 Rue des Rosiers). 13 Leute stehen vor uns. Es geht aber verblüffend schnell, und die Warterei lohnt sich allemal. Das Essen ist köstlich!

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Beim weiteren Verdauungsbummel durch das Viertel wird uns ganz schön kalt, und so hüpfen wir in die Bahn, die uns für eine letzte Nacht zurück zu unserem Boot bringt. 

Frühsport am Montmartre

Am nächsten Morgen verabschiede ich mich von meinen Bootskollegen. Während sie zurück nach Hause fahren, gönne ich mir noch einen Tag Paris. Leider ist das Wetter heute weniger gut. 

Erst mal bringe ich meinen Koffer ins Hotel. Ich fahre bis zur Metrostation Invalides und muss mich oben, an den Treppen zum Ausgang angekommen, zunächst orientieren. Immer wieder verdreht sich mein Koffer und hakt sich am Bordstein fest. Meine Stimmung ist dem Tiefpunkt nahe, als ich den Kopf hebe und mich direkt neben dem Schild zu meinem Hotel dieser Anblick ereilt.

Dieser Ausblick pustet schlechte Laune sofort ganz weit weg.

Plötzlich ist jeglicher Gram wie weggeblasen. Paris wartet auf mich. Nachdem ich mich kurz frisch gemacht habe, springe ich wieder in die Bahn und fahre gen Norden.

Als ich die Metrostation Abbesses verlasse, gesellt sich Nieselregen zur steifen Brise. Gemütlich ist was anderes. Ich will gerade in eine kleine Kopfsteinpflasterstraße einbiegen, da fällt mir der Garten mit der blauen, bekritzelten Wand auf: es ist „Le mur des je t’aime“, die „Ich-liebe-dich-Wand“. Französische Künstler gestalteten diese Wand mit Kacheln und Liebesschwüren in sämtlichen Sprachen, um Pärchen aus aller Welt zu einem Rendezvous hierherzulocken. Ich nehme schnell digitale Küsse für meine Liebsten auf und eile weiter. 

Küsschen für euch alle von der „Ich-liebe-dich-Wand“ (und mir).

Eine Dame auf dem Schiff warnte mich bereits vor den vielen Stufen zur Sacré-Cœur de Montmartre. Ich erinnere mich an Bilder, auf denen sie auch immer ganz schön pompös aussahen. Mir schwant, dass ich falsch ausgestiegen bin, denn statt des opulenten Gartens mit den beiden Steintreppen, die zur Basilika hinaufführen, schlängle ich mich durch enge Gassen, die aber nicht weniger Stufen haben. 

Die letzte Treppe, die ich keuchend bewältige, bringt mich direkt an die Place du Tertre, wo normalerweise die Straßenkünstler darauf warten, Touristen zu porträtieren.

Schnee liegt auf den Stufen zur Kirche Sacré-Cœur de Montmartre.

Aber ich sehe gerade noch, wie sich ein Künstler – die Mütze mit der einen, die Staffelei in der anderen Hand haltend – in den Windschutz rettet. Aus der steifen Brise wird mehr und mehr ein Sturm.

Ich werde beinahe von den Stufen der Basilika geweht – ab ins Innere. Eigentlich wollte ich auf den Dom steigen und die Sicht auf Paris genießen. Das kann ich knicken, denn es stürmt zu sehr und die Aussicht bei dem Regen lässt sowieso zu wünschen übrig. Ich spare lieber die 8 Euro Eintritt.

Der Trostpreis ist aber kaum zu überbieten: Ich stolpere in die Basilika, als gerade eine Messe stattfindet. Ich bin nicht gläubig, aber dieser Moment, in dem ich in dieser weltberühmten Kirche sitze und den Menschen beim Singen zuhöre, ist für mich wahnsinnig magisch. 

Ich wärme mich noch ein paar Minuten auf, bevor ich mich wieder in den Regen wage und noch ein bisschen durch die Gassen des Montmartre-Viertels schlendere. Schließlich verabschiede ich mich von allem Heiligen. Ab ins Rotlichtviertel Pigalle. Der Boulevard de Clichy erinnert mich ein bisschen an die Reeperbahn. An einem Kreisel entdecke ich schließlich das rote Haus mit der Mühle, das Moulin Rouge. Wenn ich an die leicht bekleideten Damen denke, die hier allabendlich ihre weltbekannten Tanzeinlagen darbieten, läuft mir gleich der nächste kalte Schauer über den Rücken. 

Mit Glück die beste Aussicht auf die Stadt

Ich eile weiter und bekomme knapp vor meinem nächsten Ziel, dem Kaufhaus La Fayette, einen Bärenhunger. Das Kaufhaus kann ich schon von Weitem sehen, als ich an der Ampel der Rue Joubert stehe. Bei einem Blick nach rechts fällt mir auf: Hier reiht sich ein asiatisches Restaurant an das nächste.

Ich liebe asiatisches Essen und entscheide mich für eine Mittagspause. Ich zweifle erst, ob ich in den Laden namens Snack World (7 Rue Joubert) hineingehen soll. Ein Mann, der draußen gerade eine Zigarette raucht, versichert mir, dass es sich lohnt (und die Tatsache, dass ich offenbar die einzige Nicht-Asiatin bin, spricht auch für den Laden). Der Zigarettenmann behält recht. Es sind die besten Dumplings und das leckerste eingelegte Gemüse, das ich seit Langem gegessen habe.

Die durch Zufall gefundenen Restaurants mit unerwartet leckere Essen sind doch immer die besten.

Mit glücklichem Magen und Gemüt gehe ich nach dem Essen Richtung La Fayette. Mir wurde versichert, dass der Blick von der Dachterrasse aus einer der schönsten auf die Stadt sei.

Rolltreppe um Rolltreppe komme ich dem Ausblick näher. Gerade als ich um die letzte Rolltreppe laufe, pralle ich gegen eine Absperrung: „Die Terrasse ist heute wegen des starken Windes nicht zugänglich.“ Zonk! Ich habe aber auch ein Pech. Gut, ich schreibe die Terrasse auf die „Im-Frühling-wiederkommen-To-do-Liste“ und bestaune einfach weiterhin die riesige Kuppel im Inneren des Kaufhauses. 

Selfie-Action am Louvre 

Auf den prunkvollen Boulevards, vorbei an der Oper, schlage ich mich durch ein paar Regenschauer Richtung Louvre. Da ich mir heute noch einen kleinen Teenager-Traum erfüllen möchte, verzichte ich auf einen Besuch des Museums. Ich nehme mir lieber ein paar Minuten Zeit, um den Selfie-Wahn der Touristen vor der Pyramide des Louvre zu beobachten und um natürlich selbst eines zu schießen. 

Solltest du übrigens einen Besuch des Louvre planen, nimm lieber einen der Nebeneingänge an der Porte des Lions oder der Galerie du Carrousel. Hier musst du meist nicht so lange anstehen wie am Haupteingang.

Was die anderen können, kann ich auch: Selfie-Time am Louvre!

Helden ehren auf dem Friedhof Père-Lachaise 

Manchmal überlege ich, ob er der Ursprung meines Männer-Beutschemas war: Jim Morrison, Sänger der Band The Doors. Dabei war ich nie wirklich Fan von ihm, eher von seiner Musik und dem Lebensgefühl, das sie transportiert.

Immer, wenn ich The-Doors-Lieder höre, macht sich eine wohlige Stimmung breit. Ein bisschen wie das schöne Gefühl der Heimat. Und seit Teenagerjahren war es mein großer Wunsch, Jim Morrisons Grab auf dem Friedhof Père-Lachaise zu besuchen. 

Ich fahre bis zur Metrostation Gambetta, die nördlich des Friedhofs liegt. So kann ich auch Oscar Wilde noch einen Besuch abstatten und ein bisschen Schriftstellerluft schnuppern. Père-Lachaise ist der größte Friedhof von Paris. Mit den Gehwegen zwischen den einzelnen Grabblöcken wirkt er wie ein Park. Es gibt kleine, zugewucherte Gräber, die so alt sind, dass ich die Buchstaben auf den Grabsteinen nicht mehr erkennen kann. Daneben stehen meterhohe Mausoleen, die mit bunten Fenstern und vielen Schnörkeln verziert sind. 

Auf dem Père-Lachaise, dem größten Friedhof von Paris, kannst du stundenlang die urigen Wege entlangspazieren.

Ich schlendere die mit Bäumen gesäumten Wege entlang zum Abschnitt 6. Ein bisschen versteckt liegt hier das Grab von Jim Morrison. Es ist mit einem Metallgitter abgesperrt. In der Vergangenheit haben wohl Menschen an seinem Grab genächtigt, was nicht so gern gesehen ist.

Der Baum gegenüber dem Grab trägt einen Schutzzaun. Die Schnitzereien nahmen überhand. Nun kleben Menschen (warum?) ihre Kaugummis daran und schreiben Liebesbekundungen auf ihre Metrotickets, die sie an den Zaun klemmen. 

Liebesbriefe für Jim! Offenbar waren heute schon ein paar Fans hier.

Ich gehe nicht so weit, dass ich Grüße hinterlasse, aber ich bin gerührt und dankbar, dass ich mir diesen lang gehegten Wunsch erfüllt habe, und ich bin nicht nur glücklich über die Tatsache, dass ich es an diesen Ort geschafft habe, sondern auch, dass ich mit Paris eine neue Herzensstadt gefunden habe.

Nichts geht mehr: Streik an der Tagesordnung

An dem Morgen meiner Abreise schwindet die frische Liebe zu Paris kurzfristig. Seit 15 Minuten stehe ich nun schon am Bahnsteig. Die Information, dass ich nicht rauchen darf und auf meine Habseligkeiten aufpassen soll, wird alle paar Minuten in sechs Sprachen wiederholt.

Die Information, dass die Bahn wegen eines Streiks sehr unregelmäßig kommt, ist französisch sprechenden Menschen vorbehalten. Ich erfahre es nur, weil ich den Herrn neben mir um eine Übersetzung bitte. Er ist wie alle anderen sehr entspannt, Streik ist in Paris Standardprogramm.

Für meine nächste Frankreichreise schreibe ich mir das hinter die Ohren, die vor Eile schon langsam rot werden. Denn ich schaffe ich es noch gerade pünktlich zum Flughafen-Gate. Aber ich bin fast ein bisschen froh über meinen Abreisestress, denn so konnte ich mich nicht mit meinem Abschiedsschmerz befassen, der mich bei der letzten Schleife, die der Flieger über Paris dreht, mit voller Wucht erwischt.

Paris, mein Herz tanzt noch einmal für dich. Ich komme wieder!