Wer in Berlin an der Haltestelle Herzbergstraße/Industriegebiet aus einer Straßenbahn der Linien M8 oder 21 aussteigt, findet hinter einem Eingangstor, das von einem rostigen Schild gekrönt wird, mehrere schmucklose Hallen. Die lassen nicht erahnen, welch ein besonderes kulturelles Schätzchen sich hier versteckt.

Dong Xuan Center: Beim ersten Besuch überfordert

Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als ich zum ersten Mal eine der Hallen betreten habe. Es war ein ziemlich schwüler Maitag im Frühjahr 2006 – ein Jahr, nachdem dieses ganz besondere Einkaufszentrum eröffnet hat. In insgesamt sieben Hallen gibt es alles. Textilien in allen Farben, Formen und Stilrichtungen, Deko-Artikel, Einrichtungsgegenstände, Spielzeug, Nagelstudios, Friseure, Restaurants und, und, und reihen sich dort aneinander. 

In der Mitte ein schmaler Gang, überall reges Treiben. Man kennt sich hier. Nur ich kannte nichts und niemanden. Das alles hat mich erstmal ziemlich überfordert.

Mittlerweile ist das Dong Xuan Center viel bekannter. Es zieht mit seinem vielfältigen Angebot und den mehr als moderaten Preisen Berliner und auch immer mehr Touristen an. Doch das Areal ist mehr als ein Einkaufszentrum. Es ist ein Teil vietnamesischer Kultur, ein Herzstück der vietnamesischen Community in Berlin – und die ist groß und bedeutend.

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Minh Nguyen – ein ehemaliger Klassenkamerad von mir – ist Teil dieser Gemeinschaft und hat in der Vermittlung seiner Kultur eine Leidenschaft entdeckt. „Ich habe 2008 mein Abitur hier in Lichtenberg gemacht. Eine der Prüfungen war eine Präsentation zu einem selbstgewählten Thema. Und dafür habe ich mich mit den Vietnamesen in Berlin befasst. Das hat mich dann nicht mehr losgelassen“, erinnert sich der heute 28-Jährige. 

Geführte Touren durch das Dong Xuan Center 

Zunächst organisierte er private Führungen für Freunde und Bekannte. Irgendwann stieg die Nachfrage und er beschloss, ein kleines Gewerbe daraus zu machen, die Touren zu öffnen. „Ich möchte den Teilnehmern zeigen, dass die Geschichte des Dong Xuan Centers eng mit der Geschichte und dem Leben der Vietnamesen in Berlin zusammenhängt und dass es für uns Vietnamesen mehr als nur ein Großhandelszentrum ist.“ Mittlerweile bietet er die Touren drei Mal im Monat zu festen Terminen an, meistens samstags oder sonntags. Außerdem können individuell private Führungen vereinbart werden. 

Zweieinhalb Stunden führt Minh seine Gäste durch die langen Hallen, geht an verschiedenen Haltepunkten auf die Geschichte des Standorts ein, berichtet vom Leben als Vietnamese in Berlin und gibt dabei immer wieder auch persönliche Einblicke.

Denn auch sein eigenes Leben ist eng mit dem Dong Xuan Center verwoben. „Meine Eltern sind selbstständig und beziehen ihre Ware aus dem Center. Außerdem wohnen viele Vietnamesen in der Nähe. Es ist für uns ein wirtschaftliches, kulturelles und auch ganz persönliches Zentrum. Ich erkenne die vietnamesische Kultur hier ganz deutlich wieder.“

Ein Stück Vietnam also mitten in Berlin. Die Geheimnisse und Besonderheiten des Dong Xuan Center eröffnen sich einem Außenstehenden nicht ohne weiteres. Doch durch Minhs Touren ist mehr als nur ein oberflächlicher Einblick möglich. Immer wieder kommst du mit ihm an der Seite ins Gespräch mit den ansässigen Händlern. Minh öffnet Türen, da er als Teil der Gemeinschaft einlädt. Er ist Vertrauensperson und Vermittler.

Im Mittelpunkt steht für ihn bei seinen Touren nicht das Geschäft – zehn Euro für zweieinhalb Stunden sind für Berliner Verhältnisse gar nichts. Nein, Minh möchte ein Stück Diversität in Berlin sichtbar und erlebbar machen – abseits vom künstlichen Tourismustrubel der Szeneviertel. Echtes Berliner Leben findet im Dong Xuan Center statt – jeden Tag. Die vietnamesische Kultur gehört zu Berlin wie der Fernsehturm. 

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Vom Dong Xuan Center in den Landschaftspark Herzberge

Und wenn du gerade sowieso in Lichtenberg unterwegs bist, kannst du auch gleich einen Spaziergang durch den Landschaftspark Herzberge machen. Dazu einfach die Herzbergstraße Richtung Siegfriedstraße entlang laufen oder mit der M8 zwei Stationen Richtung Ahrensfelde fahren und am Evangelischen Krankenhaus aussteigen.

Sowohl das Krankenhausgelände selbst als auch der anschließende Park sind einen Besuch mehr als wert. Von dort aus kannst du Richtung Süden weiterlaufen, joggen, skaten oder mit dem Rad fahren. Der Park endet ganz in der Nähe des Bahnhofs Lichtenberg, von dem aus du wunderbar in jede Ecke von Berlin kommst.

Ein Grund dafür, dass es immer mehr Studenten in diesen Bezirk zieht. Noch gibt es Wohnraum ...

Und das macht sich bemerkbar: Immer mehr Restaurants und Bars eröffnen in der Gegend. Tradition hat hingegen Winkel’s Eiscafé in der Siegfriedstraße. Schon als Kinder haben wir die letzten Pfennige zusammengekratzt, um uns an heißen Sommertagen mit einer leckeren Kugel Eis abzukühlen. 

Sozialistenfriedhof in Lichtenberg

Wer von Lichtenbergs kleinen Schmankerln immer noch nicht genug hat, findet wenige Hundert Meter vom Eingang zum relativ neuen Landschaftspark den Zentralfriedhof Friedrichsfelde, auch genannt Sozialistenfriedhof, da sich dort ein Denkmal für die Sozialisten befindet.

Der Friedhof ist riesig und ebenfalls angelegt wie ein Park. Meistens ist es dort sehr ruhig. Aber am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, pilgern besonders ältere Anwohner aus der Umgebung zum Denkmal – in der Hand eine rote Nelke.  

5 Dinge, die du im Dong Xuan Center machen musst

1. Kultur der Vietnamesen kennenlernen

Minh Nguyen ist in Berlin aufgewachsen, persönlich eng mit dem bunten Treiben Dong Xuan Center verwoben. Auf seinen Touren durch das Center geht er auf die Kultur seines Landes und das Leben als Vietnamese in Berlin ein. Ein Must Do für echte Berlin-Insider, denn die Vietnamesen sind schon lange ein wichtiger Bestandteil der hauptstädtischen Diversität. 

2. Naschen ...        

Zum Beispiel solltest du in einem der kleinen Lebensmittelgeschäfte einen Sesamball kaufen. Aber Vorsicht! Die Banh Cam machen süchtig. 

3. Haare schneiden

Die Preise sind mehr als fair und die Profis erfüllen jeden Wunsch. Dabei sind sie super freundlich und du kannst viel Spannendes abseits vom üblichen Friseur Small Talk erfahren. 

4. Ab ins Restaurant

Kehre in eines der Restaurants ein, iss dich quer durch die Karte und beobachte dabei das Treiben. So fühlst du dich, als wärest du nicht in Berlin, sondern mitten in Vietnam

5. Shoppen 

Denn hier gibt es nichts, was es nicht gibt – und das zu Preisen, die du sonst in Berlin lange suchst. Manchmal kannst du sogar ein bisschen handeln, zum Beispiel, wenn du mehrere Teile kaufst. Denn eigentlich haben sich hier vorrangig Großhändler angesiedelt.