2022 war das Jahr, in dem die Welt nach zwei Jahren Corona-Lockdowns und Grenzschließungen wieder mit dem Reisen begonnen hat. Einige Orte verzeichneten sogar mehr Besucherinnen und Besucher als vor der Pandemie.

Gleichzeitig war 2022 ein Jahr, in dem sich eine Naturkatastrophe an die nächste gereiht hat: Überschwemmungen in Australien und in Pakistan sowie Hurrikan „Ian“, der in Florida zahlreiche Häuser wegfegte. Außerdem Rekord-Hitzewellen und Dürren in ganz Europa, die Ernten zerstörten und Hunderte Todesopfer forderten. Und daran war der Tourismus nicht unbeteiligt.

So traumhaft schön das Reisen ist, so schädlich kann es für unsere Erde sein. Einer Studie zufolge verursacht der Tourismus rund 8 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen. Gerade in Hotspots sorgen Besuchermassen in der Hauptsaison für weitere negative Effekte: Lieferketten werden belastet, der Lebensraum von Wildtieren wird zerstört und es ist schlichtweg zu voll. Langfristig könnte der sogenannte Overtourism beliebte Reiseziele so dauerhaft zerstören.

Das US-amerikanische Reisemagazin „Fodor’s“ hat daher eine „No List“ mit zehn Orten und Regionen zusammengestellt, die Reisende 2023 aus diesen Gründen lieber meiden sollten – weil die Natur eine Pause zum Erholen braucht, weil sie überfüllt sind oder weil das Wasser dort dramatisch knapp ist. 

Natürlich soll das kein Boykott oder Verbot der Reiseziele sein. Aber vielleicht möchtest du deine Reisepläne ja einmal überdenken und dich stattdessen für einen nachhaltigeren Urlaub entscheiden. Damit schonst du übrigens nicht nur die Umwelt, sondern auch deine Nerven – schließlich ist ein Urlaub an einem vollkommen überfüllten Ort alles andere als entspannend, oder? Wir stellen dir die zehn Ziele vor, die du 2023 lieber nicht besuchen solltest.

1. Frankreichs Klippen und der Nationalpark Calanques

Heftige Stürme tragen an den Küsten immer wieder große Mengen Sand ab und sorgen damit für Chaos an den Stränden. In Frankreich hängt die Küstenerosion akutell aber weniger mit dem Wetter zusammen als mit dem Ansturm von Touristinnen und Touristen.

Frankreichs Küsten sind malerisch schön, aber durch Erosion gefährdet.

Besonders betroffen war in den vergangenen Jahren die kleine Stadt Étretat in der Normandie. Millionen Reisende wollen über ihre steilen Felsklippen wandern und Fotos von der beeindruckenden Kulisse schießen. 2021 zählte die Stadt dreimal so viele Besucherinnen und Besucher wie die normale Bevölkerung. Die Kläranlage musste wegen Wartungsarbeiten abgeschaltet werden, weil sie die Menschenmassen nicht bewältigen konnte.

Touristinnen und Touristen sorgen in den Klippen außerdem immer wieder für Erdrutsche. Davon ist nicht nur die französische Nordküste betroffen. Der beliebte Calanques-Nationalpark bei Marseille hat für seine Bilderbuchstrände ein Reservierungssystem eingeführt: Täglich dürfen maximal 400 Personen die kleinen Buchten mit türkisblau schimmerndem Wasser besuchen. Die kostenlosen Tickets sind oft schon Wochen im Voraus vergeben.

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2. Lake Tahoe in Kalifornien

Mitten in der Pandemie erlebte der Lake Tahoe, bekannt als einer der schönsten Seen der USA, einen riesigen Ansturm. Viele Menschen zogen in die majestätischen Berge der Sierra Nevada, in denen der klare Bergsee liegt. Idyllische Strände und Wanderwege waren plötzlich dauerhaft überfüllt und auf den Straßen rund um den See staute sich der Verkehr.

Laut der gemeinnützigen Umweltschutzorganisation „League to Save Lake Tahoe“ sorgt der Straßenverkehr für die größte Bedrohung: Autos tragen auf den Straßen feine Trümmer und Staub ab und pumpen Auspuffgase in die Luft. Wenn es regnet oder der Schnee schmilzt, dann landen die Schmutzpartikel in dem See und trüben das klare blaue Wasser.

Das klare Wasser des Lake Tahoe wird durch kleine Partikel von den Straßen zunehmend verschmutzt.

„Wir alle müssen der Natur eine Pause gönnen, aber wir wollen den Leuten nicht sagen, dass sie nicht nach Tahoe kommen sollen“, sagte Andy Chapman, der Geschäftsführer des Tourismusunternehmens Travel North Tahoe Nevada, gegenüber „Fodor’s“. 

Lokale Behörden arbeiten deswegen an Maßnahmen für weniger Autos auf den Straßen. Zum Beispiel gibt es ein kostenloses Shuttle-Programm, das viele Touristenorte in North Lake Tahoe mit Einkaufsmöglichkeiten und Restaurants in der Stadt verbindet. Trotzdem könnte der wunderschöne See eine Pause von den Besuchermassen gut gebrauchen.

3. Die Antarktis

Zugegeben, die Antarktis ist nicht gerade als Touristenhotspot bekannt. Trotzdem zieht das abgelegene Gebiet immer wieder Reisende an, die seine einmalige, faszinierende Welt aus Eis und Schnee, voll von Pinguinen, Walen und Robben, erkunden wollen.

Besucherinnen und Besucher tummeln sich dabei vor allem auf der Antarktischen Halbinsel. Damit ist diese Region stark belastet. Während die Antarktis ohnehin schon besonders anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels ist, verzeichnet die Antarktische Halbinsel einige der schnellsten Erwärmungen und den stärksten Rückgang der Tierwelt in der Geschichte, wie die „New York Times“ berichtet.

In der eisigen Landschaft der Antarktis werden negative Folgen des Klimawandels durch Touristinnen und Touristen verstärkt.

Allein die Anreise hat negative Folgen für die Natur. Über Land ist das abgelegene Ziel nicht zu erreichen. Schiffe und Flugzeuge produzieren Ruß, der den Schnee dunkler färbt. Damit schmilzt das Eis schneller. Eine aktuelle Studie belegt, dass kommerzieller Tourismus und Forschungsaktivitäten in der Antarktis das Rußproblem verschärfen und zu einer schnelleren Schneeschmelze führen.

Wenn du trotzdem unbedingt eine einmalige Reise in die Antarktis unternehmen möchtest, solltest du dir über die Umweltauswirkungen bewusst sein. Um den Fußabdruck zu begrenzen, kannst du zum Beispiel darauf achten, einen nachhaltigen Reiseveranstalter zu wählen oder dich an einem Citizen-Science-Programm zu beteiligen.

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4. Venedig und die Amalfi-Küste

Kulturelle Hotspots sind nicht umsonst absolute Touristenmagnete. Manche Orte muss man einfach einmal in seinem Leben gesehen haben. Dazu zählt vielleicht auch für dich die romantische Lagunenstadt Venedig. In der Realität ist ein Besuch in der italienischen Stadt dann aber oft alles andere als romantisch, wenn sich die Massen in die Gondeln drängen und über den Markusplatz schieben oder die Barockkirche Santa Maria della Salute verstopfen.

Venedig verlangt einen Eintrittspreis, um Touristenmassen zu reduzieren.

Laut „Visit Venezia“ verzeichnete Venedig im vergangenen Sommer täglich bis zu 80.000 Touristinnen und Touristen. Schon seit Jahren kommen pro Jahr 370 Besucherinnen und Besucher pro Einwohnerin und Einwohner in die Stadt.

Dabei bedrohen regelmäßig Überschwemmungen und der steigende Meeresspiegel die Stadt am Wasser. Weil sie das empfindliche Gleichgewicht in der Lagune stören, wurden im Sommer 2021 große Kreuzfahrtschiffe mit einem Gewicht von mehr als 25.000 Tonnen aus dem historischen Zentrum verbannt. 

Darüber hinaus gibt es Pläne, dass Venedig einen Eintrittspreis zwischen 3 und 10 Euro verlangt, um den Massentourismus in den Griff zu kriegen. Statt Tagestouristinnen und -touristen will die Stadt Übernachtungsgäste anziehen, die sich Venedig mit Zeit, Ruhe und Respekt anschauen.

Auch die Amalfiküste hat mit Besucherhorden zu kämpfen. In der Hochsaison herrschen in den malerischen Küstenstädten immer wieder Chaos und kilometerlange Staus. Gerade an den Wochenenden sind die Straßen regelmäßig vollkommen verstopft, sodass Einheimische und Reisende kaum vorankommen und auch Krankenwagen im Verkehr feststecken.

An der Amalfiküste bilden sich im Sommer regelmäßig lange Staus.

Deswegen hat die italienische Region ein alternatives Nummernschildsystem eingeführt, inspiriert von der kolumbianischen Verkehrspolitik Pico y Placa. An Wochenenden und im Sommer dürfen Autofahrerinnen und -fahrer mit ungeraden Nummern auf dem Schild nur an ungeraden Daten zwischen Vietri sul Mare und dem malerischen Positano unterwegs sein. Fahrzeuge mit einer geraden Nummer sind nur an geraden Tagen erlaubt.

5. Cornwall in England

Unter zu vielen Autos ächzt auch die Grafschaft Cornwall in England. Ihre wilden Moorgebiete, Hunderte Sandstrände und malerische Hafendörfer locken zahlreiche Besucherinnen und Besucher an. Dafür ist die Infrastruktur mit vielen schmalen Gassen und wenig Parkmöglichkeiten an beliebten Orten nicht gemacht. In den Straßen stauen sich zur Hochsaison die Autos, am Straßenrand der Müll.

Cornwalls malerische Landschaften locken mehr Besucherinnen und Besucher an, als der Graftschaft lieb ist.

Dazu kommt, dass Kurzzeitvermietungen die Lebenshaltungskosten in die Höhe treiben. Wegen der Wohnungskrise hat ein Ferienhausvermieter in Cornwall angekündigt, die Anzahl der verfügbaren Immobilien in der Grafschaft zu begrenzen.

Und in den vergangenen Jahren waren Cornwalls Strände teilweise so überfüllt, dass der Leiter der Tourismusbehörde, Malcolm Bell, Besucherinnen und Besucher aufforderte, sich fernzuhalten – schließlich führten überfüllte Straßen, Gehwege und Mülleimer zu Frust, bei den Einheimischen ebenso wie bei Touristinnen und Touristen.

6. Amsterdam in den Niederlanden

Die Stadt Amsterdam zählt jährlich so viele Besucherinnen und Besucher, wie in den ganzen Niederlanden leben. Die malerische Altstadt, die verzweigten Grachten und kulturelle Sehenswürdigkeiten wie das Rijksmuseum locken jedes Jahr rund 17 Millionen Menschen an.

Nach Amsterdam reisen jährlich rund 17 Millionen Menschen.

Immer wieder gibt es Aktionen und Gesetze, um die Zahl der Touristinnen und Touristen zu reduzieren. 2017 beispielsweise unterzeichneten 6000 Einheimische eine Petition, mit der Bierfahrräder aus der Stadt verbannt wurden. Anfang des Jahres 2021 führte die niederländische Hauptstadt als weltweit erste Stadt eine Touristen-Quote von maximal 20 Millionen Übernachtungen pro Jahr ein. Und ab Mai 2023 gilt auf den Straßen in der Innenstadt ein Cannabis-Verbot.

Der niederländische Tourismusverband hat sich zum Ziel gesetzt, Besucherinnen und Besucher zu unterschiedlichen Zeiten in verschiedene Gebiete zu locken. Außerdem sollen Anwohnerinnen und Anwohner an erster Stelle stehen, weil sie häufig unter dem Touristenandrang leiden.

7. Thailand

Thailand gilt für viele Menschen als absoluter Sehnsuchtsort – mit tropischen Traumstränden, reich verzierten Tempeln und vergleichsweise niedrigen Preisen. Doch die Touristinnen und Touristen hinterlassen Spuren in dem asiatischen Land. So musste die beliebte Maya Bay auf der Insel Phi Phi Leh 2018 geschlossen werden, weil fast 3000 Besucherinnen und Besucher täglich schwere ökologische Schäden angerichtet hatten. 

Die beliebte Maya Bay auf der Insel Phi Phi musste sich zwischenzeitlich von den Schäden durch Besucherinnen und Besucher erholen.

Dreieinhalb Jahre später wurde die Bucht wieder geöffnet, mit einem Schwimmverbot, einer Umleitung der Boote auf die Rückseite der Insel und einer Obergrenze von 380 Touristinnen und Touristen pro Stunde. Doch im April kamen über das thailändische Songkran-Wochenende so viele Menschen auf die Insel, dass sie erneut für zwei Monate geschlossen wurde, um sich erholen zu können.

Während der Pandemie erholten sich auch die thailändischen Naturparks von den vielen Menschen, die sonst täglich hindurchstapfen. Thailands Minister für natürliche Ressourcen und Umwelt, Varawut Silpa-archa, hat deswegen jeden Park angewiesen, jedes Jahr für mindestens einen Monat zu schließen. Das Land möchte künftig den Fokus im Hinblick auf Besucherinnen und Besucher auf Qualität statt Quantität setzen und vor allem „High-End-Reisende“ in das Land ziehen. 

8. Maui, Hawaii

Für uns mag es selbstverständlich sein, Zugang zu sauberem Wasser zu haben, zu Hause ebenso wie im Urlaub. Doch an vielen Orten auf der Welt ist Wasser knapp. Der Tourismus verschärft häufig das Problem, denn Hotels verbrauchen oft deutlich mehr Wasser pro Tag als die lokale Bevölkerung.

Auch auf der Insel Maui ist Wasser eine knappe Ressource. Viele Einheimische sind frustriert, dass sie wegen der vielen Besucherinnen und Besucher ihren Wasserverbrauch weiter einschränken müssen. Gleichzeitig steigen die Lebenshaltungskosten und die Obdachlosigkeit, weil immer mehr Immobilien als Ferienwohnung an Reisende vermietet werden.

Die Insel Maui lockt mit traumhafter Landschaft, doch das Trinkwasser ist knapp.

An öffentlichen Stränden wird das Wasser für Duschen und Rasenflächen teilweise abgestellt. Die Wasserfälle in den Resorts laufen jedoch und ihre Pools und Whirlpools bleiben gefüllt, kritisiert Kendall „Da Spyder“ Grove, professioneller MMA-Kämpfer und Einwohner von Maui, gegenüber „Fodor’s“: „Es gibt keine Zeitschaltuhr oder Kappen auf Hotelduschen, die meiner Meinung nach in allen Hotels vorgeschrieben und installiert sein sollten. Die Golfplätze sind grün und blühend. All die Doppelmoral, die uns offen ins Gesicht gedrängt wird, während wir als Einwohner, Hawaiianer, in unserem Heimatland Wasserbeschränkungen haben, die umgeleitet und kontrolliert werden.“

Das sei nur eines von vielen Beispielen, wie Overtourism die natürlichen Ressourcen der Inseln einschränke.

9. Region um Lake Mead in den USA

Bisher war die Nordhalbkugel eher weniger vom Wassermangel betroffen. Im vergangenen Jahr haben einige Länder die Folgen des Klimawandels aber eindrucksvoll zu spüren bekommen. Wenig Niederschläge im Winter und Hitze im Sommer haben unter anderem in den USA zu einer schlimmen Dürre geführt.

Der Wasserstand im Lake Mead ist zuletzt stark gesunken.

Der Wasserstand in den beiden größten Stauseen des Landes, Lake Mead und Lake Powell, schrumpfte erheblich. Dabei sind rund 40 Millionen Menschen in den südwestlichen Bundesstaaten auf das Wasser angewiesen. Prognosen zufolge wird der Wasserstand im Lake Mead weiter sinken. Das könnte auch die Stromerzeugung im Hoover-Staudamm beeinträchtigen, von der fast 1,3 Millionen Menschen abhängig sind.

Den höchsten Pro-Kopf-Wasserverbrauch des Landes gibt es in Utah. Verantwortlich dafür sind vor allem die Scharen von Besucherinnen und Besuchern der fünf Nationalparks in dem Bundesstaat. In Washington County, Heimat des Zion-Nationalparks, betrug der Wasserverbrauch 1080 Liter pro Person und Tag – doppelt so viel wie der eines durchschnittlichen Einwohners von Las Vegas.

Trotz Dürre besuchten zahlreiche Touristinnen und Touristen im vergangenen Jahr den Zion-Nationalpark.

Trotz Rekordhitze und niedrigen Wasserständen am Virgin River wanderten im vergangenen Sommer die Touristenscharen durch die berühmte Narrows-Schlucht. Für die fragilen Wüstenökosysteme ist das schwindende Wasser eine ernsthafte Gefahr.

10. Flusskreuzfahrten über europäische Flüsse

Auch Europa hat im vergangenen Jahr unter der Hitze und der Dürre geächzt. In vielen Teilen trockneten Flüsse aus, Wälder brannten ab und Ernten wurden zerstört. Auch auf den Flüssen Rhein und Donau herrschte zwischenzeitlich Niedrigwasser.

Das hat sich nicht nur auf den Transport von Gütern ausgewirkt, sondern auch auf die bei vielen Menschen beliebten Flusskreuzfahrten. Statt mit dem Schiff mussten Passagiere teilweise mit dem Bus zwischen Häfen hin- und hergefahren werden, immer wieder wechselten Reiserouten und teilweise wurden die Kreuzfahrten gestrichen. Auch wenn die Schiffe in diesem Jahr wieder normal fahren sollten, solltest du dir überlegen, ob du nicht lieber eine nachhaltigere Reise planst.

Kreuzfahrten auf dem Rhein waren wegen der Dürre im vergangenen Jahr teilweise nicht möglich.

Besonders im Süden Europas wurde das Wasser auch in beliebten Touristenorten knapp. Spaniens Wasserreservoirs waren Ende Juli 2022 nur noch zu 40 Prozent ausgelastet. Viñuela, das Hauptreservoir von Málaga, erreichte im Oktober mit 11 Prozent den niedrigsten jemals gemessenen Wasserstand.

Einigen norditalienischen Provinzen ging fast das Wasser für den Anbau von Nahrungsmitteln aus. Und das Nachbarland Griechenland, dessen Inseln auf Wasserimporte angewiesen sind, hatte in den Sommermonaten Mühe, die Wasser-Bedürfnisse der Inselbewohnerinnen und -bewohner, Landwirtschaft und der Touristinnen und Touristen zu erfüllen.