German Belt: So deutsch kann Texas sein
Wurstfest, Vereinskirche und Sonntagshäuschen: Im Texas Hill Country geht es mancherorts ziemlich deutsch zu. Eine Reise auf den Spuren der Siedlerinnen und Siedler, die den US-Bundesstaat geprägt haben.
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Auf der Bühne schmettert eine Blaskapelle mit Akkordeonspieler volkstümliche Festzeltmusik. An langen Bierzeltgarnituren sitzen davor dicht gedrängt Jung und Alt zusammen in der Sonne und trinken Bier aus Maßkrügen und essen Sauerkraut und Würste. Eine Ecke weiter stehen die Besucherinnen und Besucher Schlange, um frischen Apfelstrudel zu kaufen, und schräg gegenüber vom Bäcker sind Lederhosen und Dirndl erhältlich.
Nein, das ist nicht etwa ein Oktoberfest in Bayern. Hier, in New Braunfels in Südtexas, steht einmal pro Jahr das Wurstfest auf dem Programm. Und das schon seit mehr als 60 Jahren. Das Volksfest ist für viele auch einer der Höhepunkte im jährlichen Veranstaltungskalender der Stadt mit ihren mehr als 90.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Das hat historische Gründe.
Ein Werbeplakat fürs Wurstfest in New Braunfels.
Erste deutsche Siedlerinnen und Siedler kamen 1845
Die Region zwischen Austin und San Antonio wird German Belt (deutscher Gürtel) genannt. Und in eben diesem liegt auch New Braunfels. Die Stadt im Texas Hill Country wurde einst von Prinz Carl zu Solms-Braunfels (1812–1875) gegründet. Der in Neustrelitz geborene Adlige begann, sich früh für Texas und das Auswandern zu interessieren. Gemeinsam mit 21 anderen Adligen gründete er 1842 bei Mainz den Verein zum Schutze deutscher Einwanderer in Texas.
Für den Verein ging er 1844 in die USA, um in Texas Land zu beschaffen. Er gründete für die Ankunft der Siedlerinnen und Siedler aus seiner Heimat zunächst das spätere Indianola, eine Hafenstadt an der westlichen Golfküste von Texas, und kaufte 1845 schließlich 500 Hektar Land am Zusammenfluss des Comal River und des Guadalupe River. Am 21. März 1845 kam der erste Treck mit Siedlerinnen und Siedlern aus Deutschland hier an. New Braunfels entstand.
Der Deutsche Carl zu Solms-Braunfels gründete New Braunfels in Texas 1945. Im Sophienburg Museum erinnert ein Bild an den Prinzen.
Prinz kehrte nie wieder zurück
Der Prinz reiste noch im selben Jahr zurück in seine Heimat und kehrte nie nach Texas zurück. New Braunfels entwickelte sich aber auch ohne ihn ganz prächtig. Otfried Hans Freiherr von Meusebach, der sich später John O. Meusebach nannte, wurde sein Nachfolger beim Adelsverein und gründete rund 115 Kilometer nordwestlich gleich die nächste deutsche Stadt: Fredericksburg.
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Das und vieles mehr über die Geschichte der Deutschen in Texas erfahren Reisende im Sophienburg Museum & Archives in New Braunfels. „Jede Familie durfte nur eine Reisekiste mit ihrem Hab und Gut mitbringen“, berichtet Museumsdirektorin Tara Kohlenberg bei einem Rundgang durch die Ausstellung. Einige Exemplare dieser Kisten gehören genauso zum Inventar wie etwa die Passagierlisten der Schiffe, mit denen die Deutschen einst ankamen, oder die Erstausgabe der Zeitung in der neuen Heimat. „Alles sind Originale“, sagt die 66-Jährige stolz.
Tara Kohlenberg zeigt im Sophienburg Museum, mit welchen Reisekisten die deutschen Siedlerinnen und Siedler in ihrer neuen Heimat ankamen.
Texasdeutsch ist bis heute eigene Sprache
Die Entwicklung zu der beschaulichen Stadt mit zahlreichen Antiquitätenläden und Galerien lässt sich im Museum gut nachvollziehen. Auch, dass man hier bis heute stolz auf seine deutschen Wurzeln ist. Dazu gehört, dass viele Ältere in der Gegend noch immer eine eigene Sprache sprechen: Das sogenannte Texasdeutsch ist eine Mischung aus dem Deutsch der eingewanderten Vorfahrinnen und Vorfahren mit amerikanischen Begriffen.
Nicht das einzige kulturelle Erbe, das sich die Menschen bewahrt haben. Dazu zählt auch das Wurstfest, das bereits seit 1961 in der Stadt gefeiert wird. Die ortsansässigen Schlachter waren die ursprünglichen Initiatoren. Sie wollten das Fest dazu nutzen, ihre Wurstwaren bekannter zu machen. Das Fest wurde zu einem riesigen Erfolg und über die Jahre immer größer. Im November 2022 kamen während des zehntägigen Festes mehr als 220.000 Menschen auf das Gelände an der Landa Street.
Miles Granzin (links) und Bob DiFonzo gehören zu den Organisatoren des Wurstfests in New Braunfels.
Gruene ist ein historischer Stadtteil
Wer es eher ruhiger mag, kann auch im Gruene Historic District auf die Suche nach Spuren der Siedlerinnen und Siedler gehen. Der heutige Stadtteil von New Braunfels war ursprünglich ein Dorf, das von den Söhnen der Farmerfamilie Gruene gegründet wurde. Entlang der breiten Straßen stehen gepflegte Häuser mit großen Veranden. In vielen sind kleine Geschäfte und Galerien untergebracht, in lauschigen Gärten laden Cafés und Bars dazu ein, nicht nur ein Kaltgetränk zu genießen – je nach Jahreszeit auch am Lagerfeuer –, sondern oft auch die Musik von Sängerinnen und Sängern und Songwriterinnen und Songwritern zu hören.
Über allem ragt ein historischer Wasserturm in die Höhe. In seinem Schatten steht das wohl bekannteste Gebäude der Stadt – die Gruene Dance Hall aus dem Jahr 1878. Sie ist die älteste durchgängig betriebene Tanzhalle in Texas. Auf der kleinen Bühne traten schon musikalische Größen wie Jerry Lee Lewis, Willie Nelson oder die Dixie Chicks auf. Schräg gegenüber lohnt sich ein Besuch bei einem Gemischtwarenladen in einem von außen eher unscheinbaren Backsteingebäude, dem Gruene General Store. Hier gibt es jede Menge lokale Produkte.
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Im Gruene Historic District steht die älteste durchgängig betriebene Tanzhalle in Texas.
Fahrt durchs Texas Hill Country lohnt sich
Bei einer Reise auf den Spuren deutscher Siedlerinnen und Siedler ist selbstverständlich auch ein Besuch in Fredericksburg ein Muss. Schon der Weg durchs Texas Hill Country lohnt sich. Und ein Roadtrip gehört in den USA doch sowieso irgendwie dazu. Der zweitgrößte Bundesstaat lässt sich ohnehin am besten mit dem Auto erkunden.
Im Texas Hill Country lohnt sich auch ein Ausflug in die Enchanted Rock State Natural Area in dem ein Hügel aus rosa Granit die Hauptattraktion ist.
Das Texas Hill Country ist geprägt von sanften Hügeln. Zu den Pflanzen, die hier wachsen, gehören Hickory-Eichen, Wachholder und jede Menge Gräser. Kein Wunder, dass sich die Weißwedelhirsche, von denen es im ganzen Bundesstaat laut Texas Parks & Wildlife rund vier Millionen geben soll, hier so wohl fühlen. Vor allem in der Dämmerung ist deshalb bei Autofahrten aber auch Vorsicht geboten. Wenn doch mal etwas schiefgeht, warten vielerorts auch schon die Geier.
Luckenbach hat nur drei Einwohner
Unterwegs empfiehlt sich ein Abstecher nach Luckenbach. Das hiesige Land wurde Ende der 1840er-Jahre von deutschen Farmern besiedelt, zu denen auch die Brüder Jacob und August Luckenbach gehörten, und später nach einem Mitglied der Familie Luckenbach benannt. Zu ihrer Blütezeit hatte die kleine Stadt 492 Einwohnerinnen und Einwohner.
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Zum exklusiven GutscheinHeute wirkt Luckenbach eher wie eine Geisterstadt – wobei Stadt in diesem Zusammenhang ein sehr großes Wort ist. Denn schließlich hat Luckenbach laut Ortsschild gerade mal drei Einwohner. Abgesehen von ein paar Schuppen gibt es zwei Gebäude: die Poststelle mit Laden und Saloon und einen Tanzsaal. Allerdings lohnt sich allein deswegen der Besuch.
Auch das heute winzige Luckenbach wurde einst von Deutschen gegründet.
Region ist bekannt für Wein und Pfirsiche
Auf dem weiteren Weg nach Fredericksburg stehen nicht nur die für die Gegend typischen Ranches, hier liegen auch die ersten Weinfelder. In den vergangenen Jahren galt das Texas Hill Country als eine der am schnellsten wachsenden Weinregionen der USA. Mehr als 50 Weinkellereien und Tasting Rooms soll es mittlerweile in Fredericksburg mit seinen nur rund 12.000 Einwohnerinnen und Einwohnern geben. Viele davon bieten Verkostungen an. Die Region ist aber auch bekannt für ihre Pfirsiche.
Während der Pfirsichsaison von Mitte Mai bis Mitte August, gibt es vielerorts Verkaufsstände und örtliche Restaurants haben Gerichte mit dem Steinobst auf der Speisekarte. Mit einem einfachen Verkaufsstand am Highway hat 1969 auch Mark B. Wieser, der Sohn eines deutschen Siedlers aus der Bodensee-Gegend, angefangen.
„Eigentlich wollte ich selbst Pfirsichbauer werden, aber meinem Vater gefiel das gar nicht“, berichtet Wieser. Also kaufte er zunächst Pfirsiche von umliegenden Farmen. „Meine Mutter machte daraus Marmeladen und Gelees, und die verkaufte ich am Straßenrand“, erinnert er sich. Die kamen bei den Kundinnen und Kunden so gut, an, dass er nach und nach sein Angebot vergrößerte und erweiterte.
Mark B. Wieser, Inhaber von Das Peach House, ist der Sohn deutscher Einwanderer. Er bietet mit seinem Kompagnon unter anderem Marmeladen aus den berühmten Pfirsichen aus Fredericksburg an.
Spezialitäten sind mehrfach ausgezeichnet
Gemeinsam mit seinem heutigen Geschäftspartner Case Fischer gründete er schließlich Fischer & Wieser Specialty Foods. Die beiden haben inzwischen mehr als 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und bieten 150 Marmeladen, Gelees und Soßen an – viele davon mit Awards ausgezeichnet.
„Heute gibt es die Gelees sogar bei Walmart“, erzählt Wieser. In Fredericksburg sind die Delikatessen in ihrem Das Peach House erhältlich, wo man vieles auch probieren kann. Hier gibt es auch eine Kochschule, bei der man lernen kann, wie sich die Produkte als Zutaten verwenden lassen. Zum großen Farmgelände gehören auch Pfirsich- und Pekanussplantagen, durch die man spazieren kann. Oder man entspannt einfach am See.
Fredericksburg: Zentrum ist Historic District
Die Innenstadt von Fredericksburg wurde bereits 1970 zum National Historic District deklariert – wegen der großen Ansammlung wichtiger historischer Gebäude. Viele davon stehen an der breiten Mainstreet. Dazu zählt ein Nachbau der achteckigen Vereinskirche aus dem Jahr 1847, in der heute ein Museum untergebracht ist. Sie steht am großen Marktplatz, auf dem auch Veranstaltungen wie der jährliche Weihnachtsmarkt mit einer neun Meter hohen Weihnachtspyramide stattfinden.
Die Vereinskirche steht am Marktplatz von Fredericksburg.
Nicht weit entfernt befindet sich das Pioneer Museum, eine Art Freiluftmuseum mit Häusern aus verschiedenen Epochen, die das Leben der Siedlerinnen und Siedler nachvollziehbar machen. Außerdem gibt es eine Reihe der sogenannten Sonntagshäuser, die Farmerfamilien aus der Gegend, die meist eine längere Anreise hatten, in der Vergangenheit dazu nutzen, ein Wochenende in der Stadt zu verbringen.
Die sonst vielerorts üblichen Ladenketten sucht man an der Hauptstraße vergeblich. Stattdessen gibt es mehr als 150 kleine Geschäfte, Boutiquen und Galerien, aber auch Restaurants, Bars und Tasting Rooms – alle betrieben von lokalen Inhaberinnen und Inhabern.
Auch Bierbrauen hat Tradition
Natürlich gehört zu den Traditionen, die man sich hier bewahrt hat, auch das Bierbrauen. Davon zeugt unter anderem die große Altstadt Brewery vor den Toren der Stadt, die für ihre German Style Beers bekannt ist, also nach deutschem Vorbild gebraute Biere.
In der Altstadt Brewery außerhalb von Fredericksburg werden Biere nach deutschem Vorbild gebraut.
„In jedem Frühling brauen wir ein Bier mit Pfirsicharoma“, verrät Generalmanager Matt Evans. Bei einem Brauereibesuch können sich Reisende selbst ein Bild davon machen – und im Tap Room anschließend gleich die Biere verkosten. Einmal im Jahr gibt es hier natürlich auch ein Oktoberfest. Das gehört ja schließlich auch irgendwie zum deutschen (Kultur-)Erbe.
Tipps für deine Reise nach Texas
Anreise: Mit dem Flugzeug über eines der größeren amerikanischen Drehkreuze nach San Antonio und von dort aus weiter mit Mietwagen.
Beste Reisezeit: Am besten eignen sich die Monate März bis Mai und September bis November, dann sie die Temperaturen in Texas am angenehmsten.
Attraktionen:Sophienburg Museum, 401 West Coll Street, New Braunfels. Geöffnet: dienstags bis samstags von 10 bis 16 Uhr. Eintritt: 8 US-Dollar (USD) für Erwachsene, 4 USD für 13- bis 18-Jährige, 2 USD für Sechs- bis Zwölfjährige.
Pioneer Museum, 325 West Main Street, Fredericksburg. Geöffnet: montags bis samstags 10 bis 17 Uhr. eintritt: 12 USD für Erwachsene, 5 USD für Studierende.
Termine: Das nächste Wurstfest in New Braunfels findet von Freitag bis Sonntag, 3. bis 12. November 2023, statt.
Essen:Das Peach House,1406 South US Highway 87, Fredericksburg. Geöffnet: montags bis donnerstags 10 bis 15.30 Uhr, freitags und samstags 10 bis 18 Uhr und sonntags 10 bis 17 Uhr.
Altstadt Brewery, 6120 East, US-290, Fredericksburg. Geöffnet: mittwochs bis freitags ab 11.30 Uhr, samstags und sonntags ab 11 Uhr.
Die Reise wurde unterstützt von Travel Texas. Über Auswahl und Ausrichtung der Inhalte entscheidet allein die Redaktion.