Am Fährhafen von Cirkewwa verschwindet die Sonne geradezu protzig im Mittelmeer. Sie hinterlässt einen angeberisch-roten Himmel – und wir sind live dabei, an Bord der Autofähre zwischen der Mittelmeerinsel Malta und ihrer kleinen Schwester Gozo. Kann es eine schönere Entschädigung für eine mehrstündige Anreise mit Zug, Flugzeug und Mietwagen geben?

Anreise ist ein kleines Abenteuer

Es gehört vielleicht ein bisschen Aufmerksamkeit dazu, sich hier mit einem ungewohnten Wagen fortzubewegen, das wird an Land nach der kurzen Überfahrt von nur 25 Minuten deutlich; vielleicht auch eine Portion Sorglosigkeit. Der Verkehr bewegt sich – aus historisch britischen Gründen – links, manche Straßen scheinen vor langer, langer Zeit asphaltiert worden zu sein, Einbahnstraßen entsprechen nicht immer denen, die das Navigationssystem zu kennen glaubt. Und die Beschilderung ist – nun ja – auch mal vorhanden.

Aber dennoch macht sich umgehend ein Gefühl von Erholung breit. Malta ist für viele gleichbedeutend mit Urlaub. Gozo aber scheint noch mehr zu sein: eine Art von Entschleunigung. Zumindest, wenn man den Mietwagen geparkt hat.

Am Hafen von Munxar ist die Stimmung in den Abendstunden entspannt – noch zu später Stunde sitzen die Menschen beisammen, reden und genießen das Leben.

Schnell stellt sich Entspannung ein

Dann etwa schwappen die Wellen in der Xlendi-Bucht von Munxar ganz beschaulich gegen die Hafenmauer. Auf den Außenplätzen der Restaurants wird das noch lange mit lauten Gesprächen übertönt – über Fisch, das Wetter und wohl auch das große Ganze. Doch der Rest der Welt? Der ist hier weit entfernt, dabei hilft vielen nicht zuletzt ein Glas des maltesischen Cisk-Bieres.

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Auf Salinenfeldern entsteht Meersalz

Josephine Xuereb kennt dieses Lebensgefühl gut, doch sie nutzt ihre Zeit für andere Lebensmittel: Meersalz. Am Strand von Xwejni Bay betreibt ihre Familie seit nunmehr fünf Generationen Salinenfelder. In Handarbeit schöpfen sie die weißen Salzkörner, nachdem sie die Sonne über den flachen, wannenähnlichen Feldern auf natürliche Weise vom Meerwasser getrennt hat. „Acht Tage dauert das“, sagt Xuereb, bis sie mit Besen und Eimer zu den Feldern gehen kann, um das Salz zusammenzufegen.

Josephine Xuereb zieht es täglich ans Meer von Gozo – sie betreibt mit ihrer Familie Felder für Meersalz.

„Meersalz ist besser zum Kochen geeignet als anderes“, findet die gebürtige Gozitanerin, die mit ihrem Vater tagsüber direkt am Strand ihre Erzeugnisse verkauft. 14 Tonnen erntet sie in einer guten Saison, die von Mai bis August dauert. Danach spiele das Wetter nicht mehr mit. Und das will auf Gozo schon was heißen.

300 Sonnentage im Jahr

Rund 300 Sonnentage zählt die Insel jährlich, an guten Sommertagen scheint die Sonne bis zu 14 Stunden. Das ist beneidenswert, kann aber auch sehr warm werden. Vielleicht haben sich deswegen in der Inselhauptstadt Victoria gleich zwei prachtvolle Opernhäuser etabliert, die in den Zuschauerräumen Abkühlung bieten: das Teatru Astra und das Teatru tal-Opra Aurora, beide nur zwei Minuten zu Fuß voneinander entfernt. Zusammen bieten sie fast 3.000 Plätze – und dies bei nur 30.000 Einwohnerinnen und Einwohnern auf Gozo.

Die beiden pflegen eine gesunde Rivalität: Es geht stets darum, wer die opulentesten Inszenierungen hat. Immer im Oktober stehen jeweils die Hauptproduktionen an. Der Gewinner? Da ist man meist unterschiedlicher Ansicht. Doch darauf komme es auch gar nicht an, betont Matthew Sultana vom Aurora-Theater: „Unser Wettbewerb findet auf europäischer Ebene statt.“

Inselhauptstadt strahlt Selbstbewusstsein aus

Gerade einmal knapp 7000 Einwohnerinnen und Einwohner leben direkt in Victoria. Doch strahlt der Ort mit seinen reich verzierten, sandsteinhellen Bauten aus vergangenen Jahrhunderten jenes Selbstbewusstsein aus, das man von einer Inselhauptstadt erwartet. Die Triq Ir-Repubblika, die Straße der Republik, zieht sich einmal längs durch Victoria.

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Eine Hauptstadt mit Würde: Victoria hat nur knapp 7.000 Einwohnerinnen und Einwohner – aber einen riesigen Schatz an historischen Gebäuden.


Am Independence Square versammeln sich Einheimische wie Besucherinnen und Besucher den ganzen Tag über zum Essen oder auf einen Kaffee. Viele von ihnen besuchen die barocke Basilika San Gorg, die etwas versteckt dahinterliegt. Sie erfahren gleich nebenan im Hagar-Museum, einem früheren Wohnhaus eines Bischofs, jede Menge über die Geschichte der Insel. Und so gut wie jeder landet früher oder später am weithin sichtbaren Höhepunkt der Stadt: der Zitadelle, einem offiziellen Welterbe der Unesco.

Weit oberhalb der Geschäfte und Cafés thront der festungsähnliche Bau und bietet einen sensationellen Ausblick auf Stadt und Insel. Die verwinkelten Gassen und die opulente Kathedrale verleihen dem Gelände etwas Besonderes, eine Mischung aus Prunk und Bescheidenheit, eine gute Art, Victoria von einer anderen Seite kennenzulernen.

Zitadelle ist einer der Höhepunkte

Bereits 1500 vor Christi Geburt soll das Gelände besiedelt worden sein, es hat seitdem wechselvolle Wandlungen über sich ergehen lassen müssen. Im Römischen Reich soll hier eine Akropolis gestanden haben, später eine Burg.

Osmanische Truppen seien schließlich 1551 eingefallen, hätten sämtliche männliche Bewohner versklavt, beschreibt Stephen Cini einen der dramatischsten Tage der Insel. Der Leiter des Cittadella-Museums hat sich intensiv mit der Geschichte befasst und lässt sie seit einem umfangreichen Umbau in einem eigenen Besucherzentrum multimedial darstellen.

Die Kathedrale in der Zitadelle ist eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten auf Gozo.


Gozo sei seit jenem Tag quasi entvölkert gewesen, verdeutlicht es Cini. Doch die Zitadelle wurde wieder aufgebaut, größer und sicherer denn je. Bis heute lassen die mächtigen Mauern die Angst vor einem erneuten Angriff erahnen, die die Bewohnerinnen und Bewohner vor Jahrhunderten begleitete.

Auch Ggantija-Tempel zeugen von der Geschichte

Die lange Geschichte hat Gozo geprägt, das wird an vielen Stellen sichtbar – nicht nur an der Zitadelle, auch an den Ggantija-Tempeln im Inselinneren, die aus der Zeit um 3600 bis 3200 vor Christi Geburt stammen. Auch an der nahen 200 Jahre alten Ta‘-Kola-Windmühle, die bis heute als Museum den bäuerlichen Alltag vergangener Zeiten verdeutlicht, und an fast jedem einzelnen Haus, an dem die täglichen Ausflüge vorbeiführen. Mal sind sie bescheiden, mal reich verziert, fast immer aber scheinen sie eine Geschichte zu erzählen vom Auf und Ab des Insellebens hier im Mittelmeer unweit von Italien.

Welterbe auf Gozo: Die Ġgantija-Tempel gehören zu den ältesten zumindest grob erhaltenen freistehenden Gebäuden der Welt.

Traditionelle Spezialitäten bei Rosina Tabone

Davon kann auch Rosina Tabone jede Menge berichten. Die alteingesessene Gastronomin betreibt seit 60 Jahren das kleine Restaurant Ta‘ Rosina in Sannat im Süden Gozos, das schon zuvor ihrer Familie gehört hat. Sie selbst kocht in der kleinen Küche im Hinteren, und sie entscheidet, was Tag für Tag angeboten wird – maltesische Spezialitäten, etwa einen Pie aus Lampuki, der gozitanischen Goldmakrele, Oliven, Kräutern und Zwiebeln.

Auch Kaninchen und Lamm seien Spezialitäten der Insel, sagt sie, und verschwindet schon wieder in der Küche, nicht ohne noch jeden einzelnen Gast persönlich zu begrüßen.

Eine typische Spezialität auf Gozo: Pie aus Lampuki.

Man kennt sich – in dem überschaubaren Ort ohnehin, aber oft auch über die gesamte Insel hinweg. Und man schätzt sich: Wer bei Rosina Tabone essen möchte, sollte wenigstens eine Woche vorab reservieren. Man fühlt sich hier schnell als Teil der Familie, aber man schaut mit Ankündigung vorbei.

Gleneagles Bar in Mgarr ist Anziehungspunkt

Auch bei Tony Grech und seinem Bruder Sam geht es familiär zu. Die beiden betreiben die Gleneagles Bar am Hafen von Mgarr, einem der Anziehungspunkte dort. Vielleicht liegt das daran, dass sich der urige Pub zu einem Treffpunkt von allen möglichen Bewohnerinnen und Bewohnern entwickelt hat. Vielleicht auch nur an der 1-A-Lage, vor allem aber an den beiden Wirten.

Die Gleneagles Bar am Hafen von Mgarr von Sam (links) und Tony Grech ist ein sehr beliebter Treffpunkt der Einheimischen.


Seit 1732 gibt es das Lokal, seit 1964 stehen die Grech-Brüder hinter dem Tresen. „Manche Gäste kennen wir seit 50 Jahren“, sagt Tony, 72 Jahre alt, der gleich nach der Schule hier das Ruder übernommen hat, an jenem beliebtesten Platz des Hafens, wie er meint. Er ist, wie so viele hier, mit Gozo eng verbunden, und er kenne nur zwei Ansichten über seine Insel, sagt er: „Entweder du liebst sie, oder du hasst sie.“

Der Hafen von Mgarr ist mit einer Schnellfähre von Malta aus erreichbar – wenn das Wetter es zulässt.


In diesem Augenblick schickt sich die Sonne einmal mehr an, ihren großen Auftritt über dem Meer vorzubereiten. Das Rot des Himmels zeichnet sich ab, wir kennen das inzwischen: der Sonnenuntergang, der geradezu danach schreit, bei Instagram zu landen. Wie könnte man solch eine Insel bloß hassen?

Tipps für deine Reise nach Gozo

Anreise: Per Flugzeug direkt unter anderem ab Frankfurt, Köln und München. Nach Gozo geht es am einfachsten mit dem Mietwagen. Die Autofähre verkehrt vielfach täglich zwischen Cirkewwa auf Malta und Mgarr auf Gozo, die Überfahrt dauert rund 25 Minuten. Mit dem Bus alle 30 bis 45 Minuten ab Malta Flughafen (Route X1). Alternativ: Eine Schnellfähre zwischen der maltesischen Hauptstadt Valletta und Mgarr auf Gozo, deren Fahrt jedoch wetterabhängig ist.

Beste Reisezeit: Reisen nach Gozo sind ganzjährig möglich. Im Januar herrschen statistisch „nur“ 12 Grad Celsius, aber unternehmen kann man dann dennoch viel. Im Sommer steigen die Temperaturen auch mal auf 30 Grad und mehr.

Unterkünfte: In der Inselhauptstadt Victoria gibt es nur wenige Hotels, die meisten befinden sich in den Orten entlang der Küste. Bis auf wenige Ausnahmen gibt es kaum luxuriöse Unterkünfte.

Aktivitäten: Gozo bietet eine Reihe felsiger Buchten, rote Sandstrände wie Ramla Bay – und vor allem kristallklares Wasser. Von der Insel fährt einmal stündlich ein Boot zu der nur 3,5 Quadratkilometer großen Insel Comino, die zwischen Malta und Gozo liegt und autofrei ist. Der Name stammt von Cumin, dem Kreuzkümmel, der hier einst angebaut wurde.

Die Reise wurde unterstützt vom Fremdenverkehrsamt Gozo. Über Auswahl und Ausrichtung der Inhalte entscheidet allein die Redaktion.