Mittlerer Westen: Auf den Spuren der First Nations
Zwischen neuen Herausforderungen und jahrhundertealter Kultur: Im Mittleren Westen der USA geben Nachkommen amerikanischer Indianerinnen und Indianer Reisenden einen Einblick in ihre Vergangenheit und Gegenwart.
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Hoher Adler schlägt rhythmisch auf eine kleine Trommel und singt, während sein Sohn Schwarze Wolke mit prächtigem Kopfschmuck tanzt wie in Trance. Ein kurzer Einblick in eine jahrhundertealte Kultur und Lebensweise. Eine, die nicht nur weit entfernten Europäerinnen und Europäern oft verborgen bleibt.
Das gilt auch für Bewohnerinnen und Bewohner des Mittleren Westen der USA. Die Vereinigten Staaten sind auf harter Arbeit aufgebaut – und vielerorts auf Ausbeutung. Das hallt nach bei den Nachkommen der Ureinwohnerinnen und Ureinwohner, die heute noch in großer Zahl in einst geschaffenen Reservaten leben. Auch Rassismus spielt eine Rolle.
Verständnis für die Ureinwohnerinnen und Ureinwohner schaffen
Aber Hoher Adler, in dessen Personalausweis der Name Gary Snow steht, will über das Leben seiner Stämme informieren und Verständnis schaffen. In New Town, North Dakota, ist er Supervisor im MHA Nation Interpretive Center.
Hoher Adler, in dessen US-Pass der Name Gary Snow steht, posiert mit seinem indianischen Perlenmedaillon.
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Ausstellung informiert über Vergangenheit der First Nations
MHA – das steht für Mandan, Hidatsa und Arikara. Drei Stämme, die durch eine ähnliche Vergangenheit geprägt sind. Im Center, das ein bisschen ab vom Schuss liegt, gibt es die passende Ausstellung. Es geht um Sprache und Vorfahren, um Krankheiten und Vertreibung – und darum, wie sich die Menschen ihr Leben trotz allem immer wieder neu aufbauten.
Draußen können Besucherinnen und Besucher sehen, wie Ureinwohnerinnen und Ureinwohner in der Gegend des Fort-Berthold-Reservats am Fluss Missouri einst lebten. Snow zeigt stolz das Dorf mit originalgetreuen Erdhütten, das Earth Lodge Village. Er sehe sich zuerst als Ureinwohner, dann als Amerikaner, sagt er. „So bin ich aufgewachsen. Ich würde mich American Indian nennen.“ Amerikanischer Indianer.
Der Nachbau einer indianischen Erdhütte steht im MHA Interpretive Center an der Four Bears Bucht in New Town, North Dakota.
Ortswechsel, ähnliche Gedanken, ähnliche Sorgen. Auch Rose Williamson berichtet von Rassismus, der außerhalb der Reservate „noch immer an der Tagesordnung“ sei. Im Mittleren Westen seien Zeit und Ansichten oft ein bisschen stehen geblieben. Doch die stolze Frau lässt sich nicht beirren.
Fremdenführerin Rose Williamson berichtet am Little Bighorn Battlefield von dem Kampf, der fast 150 Jahre her ist.
Williamson ist ein kleiner Star hier im Crow-Reservat im Bundesstaat Montana. Als Tourguide am Little Bighorn National Battlefield zieht sie Besucherinnen und Besucher in einen besonderen Bann. Hier, wo sich im Juni 1876 Indianer gegen vorrückende Truppen von US-General George A. Custer zur Wehr setzten. Custer sollte sie aus ihren Jagdgebieten vertreiben, wo Gold gefunden worden war. Eine ganz normale Schrecklichkeit im Wilden Westen.
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Viele Toten bei den sogenannten Indianerkriegen
Williamson steht nun, fast 150 Jahre später, auf einem kleinen, grasbewachsenen Hügel und zeigt ins Tal. Dort, erzählt sie gestenreich, sei das Indianercamp gewesen. Mit Kriegern, Frauen, Kindern. Und von dort, eine halbe Drehung in die entgegengesetzte Richtung, seien Custers Männer gekommen. Was folgte, war die größte militärische Niederlage der US-Armee in den sogenannten Indianerkriegen. Mit vielen Toten auf beiden Seiten.
Die Skulptur mit den Silhouetten dreier Krieger ist den Opfern der verschiedenen Stämme im Kampf um den Little Bighorn gewidmet.
Bereits 1879 wurde das Schlachtfeld zum Nationalfriedhof ernannt, 1946 zum nationalen Monument. Wer keinen Tourguide wie Williamson dabeihat, findet entlang der sich windenden Straßen Geschichtstafeln, die die Schlacht detailliert nacherzählen.
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Erhalte deinen CodeMount Rushmore gefällt nicht jedem
Einer der Lakota-Anführer damals am Little Bighorn: Crazy Horse, der einen fast legendären Status erlangte. Ein Monument, das in seinem Andenken errichtet wird und der indianischen Kultur gewidmet ist, befindet sich fünf Fahrstunden entfernt in South Dakota. Ausgerechnet nahe dem Örtchen Custer und ein paar Meilen entfernt vom Mount Rushmore.
Am Mount Rushmore sind die vier Köpfe der einstigen US-Präsidenten George Washington, Thomas Jefferson, Theodore Roosevelt und Abraham Lincoln in Stein gehauen - eine Schmach für die Lakota-Indianer.
Die dort in Stein gehauenen Präsidentenköpfe sind eine Schmach für Lakota-Indianer, denen die Gegend heilig ist. Da darf das im Bau befindliche Crazy-Horse-Memorial durchaus als riesiger Protest verstanden werden: Das Abbild des Indianerkriegers mit Pferd wird irgendwann zehnmal so hoch sein wie die Köpfe am Mount Rushmore und um ein Vielfaches breiter.
Crazy-Horse-Memorial soll an Lakota-Anführer erinnern
Allerdings dauert das wohl noch ein Jahrhundert. 80 Jahre nach Baubeginn ist nur das Gesicht fertig, aber allein das raubt den Atem. Vor allem, weil Besucherinnen und Besucher – anders als beim Mount Rushmore – gegen einen Aufpreis hoch ans steinerne Antlitz fahren können. 1948 war der polnisch-amerikanische Bildhauer Korczak Ziolkowski, der von Lakota-Häuptling Henry Standing Bear beauftragt worden war, erstmals für Arbeiten den Berg hinaufgestiegen. Er nutzte Kletterkünste, Pressluftbohrer und Sprengstoff. „Das war ein Höllentrip hoch“, berichtet Tochter Jadwiga Ziolkowski.
So soll das Crazy-Horse-Memorial in den Black Hills von Süddakota nach seiner Fertigstellung einmal aussehen.
Heutzutage lässt der technische Fortschritt deutlich größere Schritte zu. An fünf Tagen die Woche werkeln 13 Arbeiter mit übergroßen Kreissägen am Felsen, zurzeit am Arm von Crazy Horse und der Mähne seines Pferdes. Für Familie Ziolkowski wurde das Monument, das mit Spenden finanziert wird, zur Lebensaufgabe.
Es geht um mehr als eine Skulptur
Kinder und Enkel haben die Planung übernommen, am Memorial sind eine kleine Universität für Natives und ein großes Museum entstanden. Es gehe ja um mehr als die Skulptur im Berg, sagt die Ziolkowski-Tochter. „Es ging immer vor allem darum, den Menschen einen Platz zu bieten, um etwas über die Kultur der Natives zu lernen.“ Der Trick: „Die Skulptur lockt die Leute her – dann lernen sie so viel mehr.“
Die Pläne gefallen nicht allen Nachkommen. Doch „vor allem, wenn junge indianischstämmige Menschen kommen, wird ihr Kreuz ein bisschen breiter, sie stehen ein bisschen stolzer“, berichtet Jadwiga. Das Memorial lockt rund eine Million Touristen pro Jahr.
JJ Kent, preisgekrönter Musiker und indianischstämmiger Führer im sehenswerten kleinen Museum Tatanka – Story of the bison nahe Deadwood in South Dakota, war noch nicht da. Doch die Idee gefällt ihm. „Es ist eine Ehre, die sie seinem Andenken zuteilwerden lassen. Als jemandem, der hingebungsvoll und entschlossen war, sein Volk zu beschützen“, sagt Kent. Und Entschlossenheit, das spürt man, verbindet viele Indigene über Stammesgrenzen hinaus.
Tipps für deine Reise in den Mittleren Westen
Anreise: Direktflüge in den Great American West gibt es nicht – aber über Gateway-Flughäfen wie Denver viele unkomplizierte Möglichkeiten, schnell ans Ziel zu kommen.
Einreise: Deutsche müssen mindestens 72 Stunden vor der Abreise online eine Esta-Einreisegenehmigung beantragen. Kosten: 21 US-Dollar.
Beste Reisezeit: Ein Roadtrip durch die Great-American-West-Staaten lohnt sich von April bis Oktober, allerdings ist außerhalb der klassischen Tourismussaison nicht alles geöffnet. Die beginnt am Memorial Day (letzter Montag im Mai) und dauert bis Labor Day (erster Montag im September).
Attraktionen: Little Bighorn Battlefield: 756 Battlefield Tour Road, Crow Agency, Montana. Geöffnet: täglich von 8 bis 18 Uhr (Hauptsaison), sonst bis 16.30 Uhr. Eintritt: 25 Euro pro Fahrzeug.
Crazy Horse Memorial: 12151 Avenue of the Chiefs, Crazy Horse, South Dakota. Ganzjährig geöffnet, Zeiten variieren genauso wie Eintrittspreise.
MHA Nation Interpretive Center: 9386 Lake Sakakawea Road, New Town, North Dakota.
Geöffnet: montags bis freitags 8 bis 16.30 Uhr.
Tatanka – Story of the bison: 100 Tatanka Drive Deadwood, South Dakota. Geöffnet: 9 bis 17 Uhr (Hauptsaison), sonst 10 bis 16 Uhr. Eintritt für Erwachsene 12 Dollar, für Kinder 6 Dollar.
Die Reise wurde unterstützt von The Great American West. Über Auswahl und Ausrichtung der Inhalte entscheidet allein die Redaktion.