Das ewige Eis der Antarktis bewundern – das bieten zahlreiche Reedereien auf Expeditions-Kreuzfahrten an. Doch Ende 2022 ereigneten sich innerhalb kürzester Zeit gleich zwei tödliche Unglücke bei Antarktis-Kreuzfahrten, die solche Reisen gefährlich erscheinen lassen.

So geriet das Kreuzfahrtschiff„Viking Polaris“ am 1. Dezember in der Antarktis in einen schweren Sturm und wurde dort von einer sogenannten Monsterwelle getroffen. Dabei kam ein Passagier ums Leben, vier weitere wurden verletzt. Kurz zuvor sind Mitte November zwei Männer bei einer Expedition mit dem Schiff „World Explorer“ ums Leben gekommen.

Der reisereporter hat daher mit Dirk Sedlacek vom Institut für Sicherheitstechnik/Schiffssicherheit in Warnemünde darüber gesprochen, wie gefährlich Antarktis-Kreuzfahrten wirklich sind.

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Sind Antarktis-Kreuzfahrten gefährlich?

Für den Experten zum Thema Schiffssicherheit ist klar, dass Kreuzfahrten in die Polargebiete ein erhöhtes Risiko aufweisen. Das liege an verschiedenen besonderen Aspekten, die diese von anderen Kreuzfahrten unterscheiden.

Ein Faktor sind die klimatischen Bedingungen, so Sedlacek, die vorherrschenden Wasser- und Lufttemperaturen genauso wie das Eis im Wasser und extreme Wetterbedingungen können Sicherheitsrisiken darstellen. Wenn eine Person über Bord gehe, sei die Überlebenswahrscheinlichkeit in polaren Regionen zum Beispiel schon nach wenigen Minuten nur noch sehr gering. 

Auch eine Evakuierung bei Notfällen an Bord, wie zum Beispiel einem Feuer, gestalte sich durch die extremen Wetterbedingungen meistens sehr schwierig. Diese Risiken versuche man durch neue Technologien und spezielle Ausrüstung der Schiffe zu mininieren – aber ein Restrisiko bliebe immer, erklärt der Experte.

Evakuierungen von Kreuzfahrtschiffen können aufgrund der klimatischen Bedingungen in der Antarktis schwierig sein.

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Darüber hinaus erhalte die Besatzung eines Kreuzfahrtschiffes spezielle Schulungen für die besonderen Ansprüche einer Antarktisfahrt, diese sind durch den Internationalen Polar Code vorgegeben und umfassen Thematiken wie das Navigieren in Polarregionen, das Fahren im Eis, die Vorbereitung auf Notfallsituationen sowie die Vermeidung von Umweltverschmutzungen, erläutert Sedlacek. Der Großteil dieser Schulungen sei jedoch theoretisch, das Navigieren und Fahren im Eis werde im Simulator trainiert.

Auch die „Verfügbarkeit möglicher Fremdhilfen“, zum Beispiel einer Rettungscrew, könnte in entlegenen Polargebieten durch die großen Entfernungen zum nächsten Hafen zu einem Problem werden, trotzdem seien Antarktis-Kreuzfahrten laut Sedlacek nicht generell als gefährlich zu betrachten.

Auswirkungen des Klimawandels auf Antarktis-Kreuzfahrten

Das Kreuzfahrtschiff „Viking Polaris“ wurde von einer sogenannten Monsterwelle getroffen, diese außergewöhnlich hohen Wellen galten lange Zeit als Seemannsgarn, sie werden erst seit 1995 anerkannt und erforscht. Ob der Klimawandel zu einer Anhäufung solcher Wellen führen wird, kann der Schiffssicherheits-Experte nicht mit Gewissheit sagen.

Allerdings, so Sedlacek, sei klar, dass der Klimawandel eine Anhäufung von Extremwetterlagen verursacht, das hätte schon jetzt und habe auch in Zukunft Auswirkungen auf die gesamte Schifffahrt. In polaren Gebieten wie der Antarktis, in denen die Schifffahrt sowieso schon mit extremen Wetterbedingungen klarkommen muss, könne das natürlich zukünftig zu noch größeren Sicherheitsrisiken führen.

Was für Schiffe fahren in der Antarktis?

Kreuzfahrtschiffe in der Antarktis müssen speziellen Anforderungen gewachsen sein. Deshalb wird die Fähigkeit von Schiffen, in polaren Gewässern zu fahren, in sogenannte Eisklassen eingeteilt. Merkmale von Schiffen mit einer hohen Eisklasse sind unter anderem ein geringerer Spantenabstand, um dem Schiffsrumpf mehr Festigkeit zu verleihen, eine dickere Außenhaut des Schiffes, verstärkte Ruder und Propeller sowie eine kräftigere Motorisierung.

Es gibt jedoch keine gesetzlichen Regelungen für Eisklassen, weswegen Kreuzfahrtschiffe, die in die Anarktis fahren, dafür keine speziellen Auflagen erbringen müssen. Die Eisklassen dienen daher eher als Empfehlungen für Reedereien, welche Schiffe an welchen Orten eingesetzt werden sollten. Darüber hinaus gibt es mehrere unterschiedliche Eisklassen, da viele Länder nach ihren eigenen Kriterien bewerten.

Im Jahr 2006 wurden von der International Association of Classification Societies (IACS) die globalen Klassen PC 1 bis PC 7 eingeführt. Die höchste deutsche Eisklasse E4 entspricht dabei zum Beispiel etwa der Klasse PC 6 und ist für Sommerfahrten in mittlerem einjährigem Eis gedacht.