Günstig reisen per Anhalter: Ist trampen gefährlich?
„Das ist viel zu gefährlich!“ Wer öfter trampt, wird diesen Satz schon mehrfach gehört haben. Denn das Fahren per Anhalter hat nicht den besten Ruf. Zu Unrecht, wie Studien bestätigen.
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Ich sitze auf meinem Rucksack, die Umhängetasche auf meinem Schoß, und sobald ein Auto vorbeikommt, zücke ich mein Schild: „Maun“ steht darauf. Maun in Botswana, mein Ziel für den heutigen Tag, obwohl die Busverbindung wegen überfluteter Straßen eingestellt wurde. Einige private Autos würden fahren, sagte mein Vermieter in Nata, ich solle mein Glück doch beim Trampen probieren.
An einer Tankstelle direkt an der Abzweigung nach Maun setze ich mich auf den Boden. Eine ältere Dame gesellt sich zu mir. Ich solle bitte nicht zu jedem ins Auto steigen, sagt sie. „Wir haben viele nette Menschen hier, aber schau sie dir genau an“, sagt sie in gebrochenem Englisch. Ich nicke.
Schon bevor sie mich ansprach, hatte ich zwei Angebote abgelehnt. Ein Auto war beladen mit drei jungen Männern und eine Familie saß bereits zu fünft auf den drei Rücksitzen.
Der Rucksack liegt am Straßenrand und reisereporterin Miriam sucht eine Mitfahrgelegenheit in Botswana.
Im südlichen Afrika ist das Trampen wie in vielen Gegenden der Welt nicht unüblich. Wenn Busse nur unregelmäßig oder gar nicht fahren, ist es oft eine schnelle Alternative, bei einer fremden Person ins Auto zu steigen. In Deutschland hingegen werde ich merkwürdig angeschaut, wenn ich von solchen Reiseerlebnissen erzähle. Trampen? Allein? Als Frau? In Afrika? „Bist du denn völlig lebensmüde?“, wird eine Freundin an diesem Tag via Whatsapp fragen.
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Trampen: Inbegriff von Freiheit, Reiselust und Ungebundenheit
In Deutschland erlebte das Trampen von den 60er- bis 80er-Jahren seine Hochphase, es war ein Inbegriff von Freiheit, Reiselust und Ungebundenheit. Damals, als der öffentliche Personenverkehr noch nicht so gut ausgebaut war, Reisen ein teures Gut und ein Privileg waren, machte das Trampen das Reisen vor allem innerhalb Deutschlands und ins europäische Ausland bezahlbar und machbar. Mit einem Schild am Straßenrand stehen oder noch simpler, einfach den Daumen hochhaltend – jeder weiß auch heute sofort, was damit gemeint ist. Die Person möchte gern von einem Autofahrer oder einer Autofahrerin mitgenommen werden.
Den besten Ruf hat das Trampen allerdings nicht – es sei lebensgefährlich und man liefere sich, zumal als allein reisende Frau, Kriminellen quasi aus. Doch stimmt das? Ist zu trampen wirklich gefährlich?
Studien bestätigen: Trampen ist nicht gefährlich
Schon 1989 und 1995 haben die Universität Wuppertal und das Bundeskriminalamt in Studien festgehalten, dass sich Tramperinnen und Tramper wenig Gefahr aussetzen, wenn sie zu einer fremden Person ins Auto steigen.
Das allergrößte Risiko, das sie haben: ein Autounfall. Und wenn es zu sexuellen oder kriminellen Übergriffen im Auto kommt, passiert das in den allermeisten Fällen im „sozialen Nahraum“, also im Freundes- oder Familienkreis – Menschen, bei denen man bedenkenlos ins Auto steigt.
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Schon damals fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heraus: Das Trampen hat zu Unrecht einen schlechten Ruf. Polizeikampagnen, die davor warnten, zu Fremden ins Auto zu steigen, bescherten dem Trampen erst jenes Image. Das basiert nämlich nicht auf tatsächlichen Vorfällen, sondern entstand durch Aufrufe der Polizei, heißt es in dem Bericht.
Es stimmt allerdings, dass es immer wieder zu Vorfällen kommt. Fälle, in denen meist junge Frauen beim Trampen vergewaltigt oder gar ermordet werden. Denn auch das ist Teil der Realität: Sitzt man erst einmal bei der fremden Person im Auto, ist der eigene Handlungsspielraum dank Zentralverriegelung nur noch minimal.
Trampen war einst der Inbegriff von Freiheit, Spontanität und Individualität.
Beim Trampen gilt, was überall im Leben gilt: Hat sich ein Täter ein Opfer gesucht, wird er es versuchen – egal, wie groß die Schutzmaßnahmen der Person sind. Nur weil eine Person bei einer anderen ins Auto steigt, ist er oder sie damit nicht direkt ein Opfer.
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Zum exklusiven GutscheinPolizei gibt Tipps zum sicheren Trampen
Die Polizei rät: Wer zu einer fremden Person ins Auto steigen will, sollte sich vorab mit dem Fahrer oder der Fahrerin unterhalten und sich einen Eindruck vom Zustand des Fahrzeugs verschaffen. Zudem gebe es verschiedene Maßnahmen, wie Jessica Maron, Pressesprecherin beim Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz, erklärt: „Dazu gehören: nicht allein trampen, nur bei Paaren oder Frauen mitfahren sowie Kennzeichen und Fahrtziel gleich zu Beginn der Reise übers Handy an eine Kontaktperson verschicken.“
Die Polizei empfiehlt weiter, die Strecke im Blick zu behalten – also ob das angestrebte Ziel auch wirklich angesteuert wird, und sollte dies nicht der Fall sein oder der Fahrer oder die Fahrerin zu aufdringlich werden, sollten Reisende sofort darauf bestehen, auszusteigen. Wenn der Fahrer oder die Fahrerin den Wunsch verweigert, wird geraten, Gegenstände aus dem Fenster zu werfen, um den Fahrer oder die Fahrerin zu verwirren und die Aufmerksamkeit anderer Verkehrsteilnehmenden zu erregen.
Die Studien sowie Ratschläge der Polizei beziehen sich in erster Linie auf das Trampen in Deutschland. Wie sieht es im Ausland aus? Es gibt einige Länder, in denen das Trampen verboten ist – etwa in China, Namibia und in einigen Bundesstaaten der USA. In Kanada ist das Trampen nicht an allen Straßen erlaubt.
Trampen ist in einigen Ländern verboten
In Namibia finden sich an den großen Straßen, die durch das weitläufige und dünn besiedelte Land führen, allerorts Schilder, die einen durchgestrichenen Daumen zeigen. Auch für Autofahrerinnen und Autofahrer gibt es das Zeichen: Anhalten verboten.
Die Fahrt per Anhalterin oder Anhalter ist in Namibia offiziell nicht erlaubt.
Namibia war einst ein klassisches Reiseziel, in dem lange Strecken durch die Wüste per Anhalterin oder Anhalter zurückgelegt werden konnten. In den 2000er-Jahren stieg die Kriminalitätsrate stark an, es gab Überfälle auf Fahrer und Fahrerinnen genau wie auf Tramper und Tramperinnen. Obwohl Namibia trotzdem ein vergleichsweise sicheres Land für Tramperinnen und Tramper war, wurde das Trampen verboten. Dennoch: Auch heute ist es weiterhin weit verbreitet, manchmal finden sich unter den Verbotsschildern Mitfahrgelegenheiten.
Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass das Trampen auch weltweit kein erhöhtes Risiko bietet, Opfer einer Straftat zu werden. Nahezu überall ist es wahrscheinlicher, in einen Verkehrsunfall verwickelt zu werden. Doch die Regeln, die für Deutschland gelten, sollten auch im Ausland mitbedacht werden.
Der schlechte Ruf des Trampens – ein Zerrbild
Wenn das Trampen aber gar nicht so gefährlich ist, wieso hält sich der schlechte Ruf dann nachhaltig? Ein Problem ist, dass einzelne Fälle medial sehr große Beachtung finden. Etwa, als die Deutsche Sophia L. von einem marokkanischen Lastwagenfahrer in Deutschland entführt und im Laufe der Fahrt getötet wurde. Ihre Leiche wurde eine Woche nach ihrem Verschwinden im Juni 2018 in Spanien gefunden. Der Fall sorgte international für Schlagzeilen – die Familie musste sich immer wieder gegen Victim-Blaming, also dem Opfer die Schuld an der Tat zu geben, zur Wehr setzen.
Expertinnen und Experten empfehlen, immer zu zweit zu trampen.
Da die Fälle, in denen das Trampen ohne besondere Vorkommnisse geschieht, medial keine Beachtung finden, nehmen die Kriminalfälle viel Raum im öffentlichen Diskurs ein, was zu einem Zerrbild führt. Das sorgt für Verunsicherung und für das Gefühl, dass das Trampen generell gefährlich sei.
Initiative „Abgefahren“ will besseres Image für das Trampen
In Deutschland hat sich bereits eine Initiative gegründet, die für das Trampen wirbt – und zu einem besseren Image beitragen will. „Abgefahren“ lässt allerdings auch Sicherheitsaspekte nicht außer Acht. Ähnlich wie die Polizei kam auch die Initiative zu einigen Punkten, die die Sicherheit beim Trampen erhöhen.
„Abgefahren“ rät, einen sicheren Platz zu wählen (etwa eine Tankstelle), sich Auto und Fahrer oder Fahrerin erst anzuschauen und auf das Bauchgefühl und den gesunden Menschenverstand zu hören. Tramperinnen und Tramper sollten Papiere und Wertgegenstände am Körper tragen und auf ihr Gepäck achten, um kein Opfer von Diebstahl zu werden.
Um sich vor sexuellen Übergriffen zu schützen, rät die Initiative Frauen, nicht allein zu trampen, den Körper mit Kleidung zu bedecken und nicht bei Männern einzusteigen – auch wenn Männer damit pauschal unter Verdacht gestellt werden. Bei akuter Gefahr sollte mit dem Angreifer oder der Angreiferin gesprochen und verbal eindeutig kommuniziert werden, wo Grenzen sind und dass Widerstand geleistet wird.