Winter in Ontario: Eine Reise mit viel Stille und Schnee
Die kanadische Provinz Ontario hat zu jeder Jahreszeit ihren Reiz. reisereporter Mathias hat sich auf den Weg in die Wildnis und das weltoffene Toronto gemacht. Er verrät, warum sich eine Reise im Winter lohnt.
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Was für eine Stille! Nur der Schnee knirscht unter unseren Füßen, während wir durch den Wald marschieren. Immer Baris Hekimgil hinterher, unserem Guide. Es geht querfeldein, bergauf und bergab. Schneeschuhe geben uns Halt. Genauso hatte man sich die kanadische Abgeschiedenheit vorgestellt. Makelloses Weiß. Märchenwinter.
Hin und wieder bleibt Hekimgil stehen und deutet in den Schnee. „Eine Wolfsspur“, sagt der 27-Jährige. „Was glaubt ihr? Wie viele Tiere sind hier lang gekommen?“ Eine Spur, ein Tier, denken wir. „Es können bis zu acht Wölfe gewesen sein. Um im hohen Schnee Kräfte zu sparen, nutzt das ganze Rudel die Spur des Leitwolfs“, erklärt der Guide.
Baris Hekimgil führt Besucher durch den winterlichen Algonquin Park.
Klimawandel ist auch hier zu spüren
Früher schneite es hier mehr. „In diesem Winter sind wohl 50 Zentimeter weniger Schnee gefallen“, schätzt Hekimgil. Vielen Touristen erscheint die Schneemenge trotzdem groß. Ihnen fallen Veränderungen, die der Klimawandel bewirkt, nicht auf. Ihnen fehlt der Vergleich. „Es ist traurig“, sagt der Guide. Das Ökosystem gerate durcheinander, wenn es weniger schneit: Wölfe reißen weniger Hirsche, weil diese leichter entkommen können. Hasen finden weniger Futter, weil sie nicht mehr an die höheren Zweige der Bäume gelangen.
Die winterliche Landschaft des Algonquin Park lohnt einen Besuch.
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Algonquin Park liegt nördlich von Toronto
Das Blockhaus, in dem wir die ersten beiden Tage der Reise verbringen, liegt am westlichen Rand des Algonquin Park, gut 300 Kilometer nördlich von Toronto. Hier, direkt am Kawawaymog Lake, ist man weit weg von Stadt, Stress und Mobilfunkempfang. Man sei inmitten der Wildnis, ohne zelten zu müssen, wirbt der Veranstalter.
Sage Strength bekocht uns während unseres Aufenthalts. Die Angehörige der First Nation weiß, dass viele anreisen, um ihren Alltag für ein paar Tage auszublenden. Ein reinigendes, indigenes Ritual kann dabei helfen: Smudging soll negative Energie verbannen. Die 22-Jährige, ihr Vater Mohawk und ihre Mutter Ojibwe, fächern uns mit einer Feder den Rauch von brennendem Salbei zu, den Sage Strength in einer Schale entzündet hat. „Lenkt den Rauch dorthin, wo ihr ihn benötigt“, empfiehlt sie. Manche lenken ihn in ihre Herzgegend, manche Richtung Füße.
Nach einem Tag im Schnee ist das gemeinsame Abendessen in der Blockhütte ein weiterer Höhepunkt.
Eisangeln sorgt für Entspannung
Wir probieren vieles von dem aus, was Kanadier im Winter unternehmen: Skilanglauf zum Beispiel. Und Eisangeln. Mauricio Luci hat das dafür nötige Loch gebohrt. Der Bohrer ist beeindruckend groß. Doch das Angeln ist Nebensache. Der Mond geht auf. Wir stehen zusammen auf dem zugefrorenen See, trinken wärmenden Punsch und nehmen Verbindung auf zu dieser riesigen, weißen Einsamkeit um uns herum.
Luci beschreibt sich als Reisender. „Home is where my backpack is“, sagt er. Dort, wo sein Rucksack ist, fühlt sich der 42-Jährige zu Hause. Der gebürtige Chilene ist in England aufgewachsen. Er war mal Architekt. Der Job engte ihn ein, wie er sagt: „Ich möchte frei sein.“ Er versucht Besuchern, egal ob Kindern oder Managern, nahezubringen, „dass Mensch und Natur untrennbar miteinander verbunden sind“. Seine Vision: „Vielleicht setzt sich ein Politiker mehr für die Umwelt ein, nachdem er ein paar Tage in der Hütte war.“
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Sage Strength (links) und Mauricio Luci sind perfekte Gastgeber.
Spaß beim Broomball-Spiel
„Wir spielen jetzt Broomball“, kündigt Luci nach dem Abendessen an. Broomball? Noch nie gehört. „Alle mitkommen.“ Zusammen mit Hekimgil führt er uns zum nächtlichen See. Trotz Dunkelheit sehen wir das Spielfeld schon aus einiger Entfernung. Fackeln fungieren als Eckfahnen.
Broomball ist eine Art Eishockey ohne Schlittschuhe. Einst, als die Kanadier das Spiel erfanden, benutzte man Brooms, also Besen, als Schläger. Wir dagegen versuchen, den Ball mit armdicken Ästen ins Tor zu bugsieren. Ein skurriler Sport. Wir toben und schlittern über den zugefrorenen See in einer Art Harry-Potter-Kulisse. Es ist bezaubernd.
Eines lernen wir in diesen Tagen noch: Kanada setzt auf Diversität, auf Vielfalt. Mauricio, der Chilene, hat es selbst erlebt. Er sagt: „Kanada ist ein Land, das Einwanderer wirklich willkommen heißt.“
Das war lange anders, wie uns Bruce Bell erklärt. Wir treffen den früheren Schauspieler und heutigen Stadtführer in Toronto, wo wir den zweiten Teil der Reise verbringen. Bell, 66, ist selbst eine Attraktion. „Mit 17 habe ich mit Marlene Dietrich Wodka getrunken“, stellt er sich uns vor. Das glaubt man gern. Der Mann ist ein Entertainer. Heute scheint das historische Zentrum, dort, wo die Stadt 1793 von britischen Siedlern gegründet wurde, seine Bühne zu sein. Er zeigt uns die Markthalle St. Lawrence Market und den Versammlungssaal St. Lawrence Hall. „Das alte Toronto war ein bisschen wie Paris“, findet er.
Ohne Streik und ohne Stress! Spare 20% bei deiner ersten Fahrt mit FlixBus!
Erhalte deinen CodeBruce Bell kennt sich besonders gut in der Altstadt der Metropole Toronto aus.
Kanada fördert die Einwanderung
Kanada, das dünn besiedelte, zweitgrößte Land der Erde, fördert Einwanderung seit der Unabhängigkeit offensiv und konsequent. „Früher, unter britischer Herrschaft, war Kanada ein sehr diskriminierendes Land“, erzählt Bell. „Wenn du nicht weiß und britisch warst, war es sehr schwer, einen Job zu finden.“ Das galt insbesondere für Angehörige der First Nation. Selbst katholische Iren durften Bell zufolge im 19. Jahrhundert nicht wählen. Er lobt Torontos heutige Antidiskriminierungspolitik: „Wir gehörten zu den intolerantesten Städten der Welt, jetzt wollen wir die toleranteste Stadt der Welt sein.“
Wir gehörten zu den intolerantesten Städten der Welt, jetzt wollen wir die toleranteste Stadt der Welt sein.
Was macht Kanada anders als beispielsweise die benachbarten Vereinigten Staaten? „Wir sind Nachbarn, sozusagen Cousins, aber wir sind zwei völlig unterschiedliche Länder“, antwortet der 66-Jährige. „Die USA gelten als Melting Pot. Dort sollen die Kulturen miteinander verschmelzen. Hier in Kanada zelebrieren wir die Verschiedenheit der Kulturen. Hier möchten wir, dass du deine Kultur bewahrst und teilst – und du bist trotzdem Kanadier.“
In Toronto ist jeder willkommen – das zeigt auch diese Hausfassade im Stadtviertel Kensington Market.
Für das tolerante Toronto steht besonders Kensington Market. Das Einwandererviertel mit seinen vielen Restaurants, Galerien und Läden in Familienbesitz ist eine häufig fotografierte Sehenswürdigkeit der Stadt und gilt trotz der vielen Touristen als authentisch. Wir probieren bei einer kulinarischen Führung mit Food-Guide Jessica Halliday einige der Aromen der Stadt. Wir schmecken die Vielfalt sozusagen. Es gibt Bagels aus dem polnischen Krakau, Enchiladas aus Chile, Buttertee aus Tibet, Lebkuchen aus Schweden und aus Kanada Poutine – Pommes mit Bratensoße und Käse. So schmeckt also Kanada.
Die Journalistin Manuela Imre aus Pforzheim lebt in Toronto. Sie arbeitet als Korrespondentin für deutsche Medien. Sie kennt sich auch in New York aus, wo sie zwölf Jahre lang zu Hause war. Wir treffen sie zum Frühstück. „Die Lebenshaltungskosten sind in beiden Städten gleich hoch, aber ich bekomme in Toronto mehr dafür“, sagt sie. Mehr Weltoffenheit, mehr Kreativität, mehr Leichtigkeit. „In New York will jeder irgendwann nur noch weg. In Toronto will man bleiben.“
Vom einst höchsten Fernsehturm der Welt, dem CN Tower, blicken Besucher bis über die Grenzen von Toronto hinaus.
Wer die Stadt am Ontariosee im Winter besucht, wärmt sich am besten auf dem CN Tower auf, dem einst höchsten Fernsehturm der Welt, oder in der Art Gallery of Ontario. Ein Raum des Kunstmuseums ist den Landschaftsmalern der Group of Seven gewidmet. Lawren S. Harris (1885–1970) war in den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts oft im Algonquin Park. Seine Bilder hat er „Winter Woods“ oder „Snow, Algonquin Park“ genannt. Genauso sieht es in der Wildnis aus. Wir haben den Schnee und diese wundersame Stille selbst erlebt.
Tipps für deine Reise nach Ontario
Aktuelle Situation: Aktuell warnt das Auswärtige Amt vor nicht notwendigen, touristischen Reisen nach Kanada. Das Land gilt als Risikogebiet. Coronabedingt ist die touristische Einreise aber zurzeit ohnehin nicht möglich.
Anreise: Zum Beispiel ab Frankfurt am Main mit Air Canada nach Toronto.
Einreise: Deutsche müssen vorab eine Electronic Travel Authorization (eTA) beantragen (Gebühr: 7 kanadische Dollar). Diese Reiseerlaubnis ist fünf Jahre gültig. Ein Visum ist nicht erforderlich.
Beste Reisezeit: Die kanadische Provinz Ontario bietet heiße Sommer und kalte, schneereiche Winter. Reisen in den Algonquin Park mit seinen mehr als 2400 Seen sind ganzjährig zu empfehlen. Teile des Naturparks sind jedoch von Oktober bis April gesperrt und öffnen erst nach der Schneeschmelze wieder. Im Winter sind Skilanglauf, Eisangeln und Fahrten mit dem Hundeschlitten angesagt.
Unterkünfte: Algonquin Park: Drei Tage (zwei Nächte) im Blockhaus Algonquin Log Cabin des Reiseanbieters Voyageur Quest kosten 580 kanadische Dollar, also etwa 380 Euro, pro Person. In der Hütte direkt am See finden zwölf Personen Platz. Es gibt eine Sauna. Der Solarstrom wird in der Nacht abgeschaltet. Im Preis enthalten sind die Übernachtungen, Verpflegung und die geführten Ski- und Schneeschuhtouren.
Wer es gediegener mag, steigt im The Rosseau Muskoka Resort & Spa ab. Das luxuriöse Marriott-Hotel steht zwischen dem Algonquin Park und Lake Huron.
Toronto: Das Hotel The Westin Harbour Castle steht am Ontariosee. Das Stadtzentrum und der CN Tower sind in der Nähe.
Die Reise wurde unterstützt von Destination Ontario. Über Auswahl und Ausrichtung der Inhalte entscheidet allein die Redaktion.