Eine Kurve noch, dann sollte das Meer endlich zu sehen sein. Nach mehr aus 2000 Kilometern durch ganz Deutschland, Tschechien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Nordgriechenland sind die Erwartungen an das erste richtige Ziel, Kavala in der Nordägäis, riesig.

Mit jedem Tag auf der Straße – einem Alltag aus Autobahnraststätten und Grenzkontrollen – können wir die Ankunft am Meer kaum noch erwarten. Wegen der Schweißperlen auf der Stirn (die Mittagshitze lässt grüßen), aber auch vor Vorfreude. Im Radio stimmt uns ein Sender mit griechischer Volksmusik auf die nächsten Wochen ein. Und dann, hinter der Kurve, wartet am Horizont wirklich das Glitzern des Meeres in der Sonne auf uns.

Vom leeren Van zum Camping-Zuhause 

Vor fast einem Jahr haben mein Freund Tim und ich den Entschluss gefasst, mit einem selbst umgebauten Camper-Van durch ganz Europa zu reisen. Unabhängig und selbstbestimmt. Keine großen Hotelanlagen, kein Flughafen-Stress. Stattdessen: Überall zu Hause sein, wo es uns gefällt. Ein halbes Jahr lang haben wir viel Geld, noch mehr Energie und fast unsere gesamte Freizeit in den Ausbau des Fahrzeugs gesteckt.

Die leere Ladefläche des Vans füllte sich Stück für Stück mit Leben. Erst das Bett und die Dusche, dann die Küche. Elektronik, Wassersystem. Zulassung als Wohnmobil beim TÜV. Anfang dieses Jahres war er endlich fertig – und wir mit dem Ergebnis superzufrieden. Unser neues Heim auf Rädern, genau nach unserem Geschmack und mit viel Mühe genau so hergerichtet, wie wir es uns vorgestellt hatten. Und dann kam das Coronavirus.

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Während wir mit Einrichtung, Packliste und Routenplanung beschäftigt waren, machte ein Land nach dem anderen die Grenzen dicht. Unsere Abreise, ursprünglich geplant für den April, verschob sich auf unbestimmte Zeit. Ausharren im Frühlingsregen statt sonnenbaden am Strand. Mit dem Kopf waren wir schon längst unterwegs, irgendwo in der Sonne Südeuropas. Die Wirklichkeit hielt uns aber gefangen in Norddeutschland. Als Ablenkung Camping am Fluss oder Besuch bei den Eltern – doch Urlaubsstimmung war noch in weiter Ferne. Und mit stetig steigenden Fallzahlen machte das Virus kaum Hoffnung auf baldige Besserung. Abwarten.

Aber dann, Mitte Juni, war es auf einmal so weit. Auf Druck der Tourismusindustrie öffneten viele Mittelmeerländer ihre Grenzen ganz oder zumindest schrittweise. Auch Griechenland gehörte zu den ersten Destinationen, die ihre Urlaubssaison so schnell wie möglich wieder einleiteten. Wir waren bereit.

Am Flughafen hätten wir in den nächstbesten Flieger steigen können und wären zwei Stunden später am Ziel gewesen. Wir hingegen mussten erst einmal eruieren, auf welcher Route wir mit dem Camper bis nach Griechenland kommen. Kroatien und Albanien, unsere eigentliche Route, waren noch nicht für Urlauber geöffnet. Rumänien und Bulgarien schon, aber nur zur Durchreise. Egal, Gepäck, Proviant und Hund ins Auto und los!

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Camping-Halt in Kavala – angekommen in Griechenland, oder doch nicht?

Am Strand in Kavala – die Fußsohlen streichen über die warmen Kieselsteine und genießen die kalten, sanften Wellen – sind die Strapazen auf einmal ganz weit weg. Im kristallklaren Wasser schwimmen Schwärme kleiner Fische, am roten Horizont verabschiedet sich langsam die untergehende Sonne. Ist das hier das Paradies?

Es ist auf jeden Fall die Erfüllung unseres Traums: zu Hause zu sein an den schönsten Plätzen Europas. Der Camper ist geparkt, nur wenige Meter vom Meer entfernt. Der Wassertank ist aufgefüllt. Stühle und Tische stehen unter dem Vordach, und der Wind bringt die salzige Meeresluft in leichten Böen zu uns. Der perfekte Standort für die ersten Nächte – vorgeschlagen von einer Camper-App.

Zwischendurch gibt es am Mittelmeer auch mal Lagerfeuer-Romantik.

Doch auch das Risiko übernachtet mit. Denn offiziell ist das Campen in den meisten europäischen Ländern und auch in Griechenland nur auf ausgewiesenen Campingplätzen erlaubt.

Wildcampen wird hier aber laut Erfahrungsberichten von Freunden und in Foren im Internet immerhin geduldet – meistens. Denn als wir es uns in Kavala gerade so richtig bequem machen, hält ein Auto. Die dunkle Sonnenbrille einer alten Frau schaut uns grimmig an und weist uns auf das Camping-Verbot hin. Mit einem leicht mulmigen Gefühl bleiben wir erst einmal sitzen, doch die Frau kommt später wieder vorbei, droht mit der Polizei. Also packen wir ein, fahren weiter und schweigen uns die nächsten Kilometer an. Wir wurden gerade aus dem Paradies geworfen.

Camping-Paradies Lefkada?

Nächster Stopp: Lefkada. Die Insel im Westen des Landes wurde uns von anderen Reisenden und im Internet empfohlen. Ob wir hier Glück haben, können wir noch nicht einschätzen. Die meisten Strände seien mit dem Auto schlecht erreichbar, sagt man uns. Doch die Erzählungen über die schönen Strände mit Karibik-Flair haben uns überzeugt.

Viele bedenkliche Manöver durch enge Altstadtgassen und schwindelerregende Serpentinen später – mit brennenden Bremsscheiben und Feuerlöscher-Einsatz – erreichen wir Lefkada über eine kuriose Brücke: eine Fähre, die auf beiden Seiten auf Land aufsetzt. Finden wir hier unser Paradies?

Der Traum vom Vanlife ist beliebt wie nie zuvor. Hannah und Tim sind mit ihrem selbst umgebauten Camper unterwegs am Mittelmeer.

In einem Restaurant lernen wir Locals kennen, die uns von ihrer Insel vorschwärmen. Sie sind begeistert von unserem Vorhaben und verraten uns ihren Lieblingsstrand. Endlos lang, mit türkisblauem Wasser und vor allem: kaum andere Menschen. Als wir am nächsten Tag dort ankommen, wissen wir, warum.

Mit dem Wohnwagen am Strand

Die Straße, die im Zickzack Berge rauf und runter führt, ist gerade breit genug für ein Auto. Mit dem Camper fahren wir gefährlich nah am Abgrund entlang und hoffen, dass uns kein Auto entgegenkommt. Ausweichen wäre unmöglich. Heimlich verfluchen wir die beiden Tippgeber, doch der Strand, so wie versprochen, entschädigt für die halbstündige Tortur. Parken, Badesachen anziehen und den Abend in der griechischen Karibik ausklingen lassen!

Eine Woche verbringen wir auf Lefkada. Wir hätten aber auch gut und gerne eine oder zwei Wochen länger bleiben können. Dieses Mal verlassen wir das Paradies freiwillig, denn für unser nächstes Ziel, die Insel Korfu im Nordwesten, haben wir das erste Mal seit unserer Abreise wieder einen festen Termin einzuhalten.

Dort treffen wir meine Familie, die mit uns den Sommerurlaub auf Korfu verbringt. Als wir zusammen an ihrem Ferienhaus ankommen, sind wir mit unserem Camper-Van bereits eineinhalb Monate unterwegs. Heimweh hatten wir bisher kein einziges Mal, doch jetzt sind wir trotzdem froh, dass uns die Familie ein wenig Heimat nach Griechenland bringt.

Wie geht’s weiter? Folge Hannah auf Instagram auf ihrer Camper-Reise durch Europa!